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Frustriert und wütend nahm Marco die Stufen hinauf in die Katakomben und zur Gästekabine der Allianz Arena. Fünf zu Null! Sie hatten doch tatsächlich fünf zu Null verloren! Das war einfach unglaublich! Eine Schmach! Und wenn Marco nur an die Einstellung seines Teams dachte, erschauderte er.

Es hatte so gewirkt als hätten sie heute komplett vergessen wie man Fußball spielt. Gott verdammt, wahrscheinlich hätte Hannover an ihrer Stelle besser ausgesehen als sie heute und die waren Tabellenletzter und verloren so gut wie alles! Marco war einfach nur fassungslos.

Schon in den Interviews nach dem Spiel konnte er die heutige Partie nicht wirklich in Worte fassen. Er war einfach sprachlos von dieser Leistung, denn die war, genau wie seine Worte nach dem Spiel gegenüber der Reporter, nicht vorhanden. Es war einfach unglaublich. Als möglicher Meister durften sie so auf keinen Fall auftreten und das erst recht nicht hier in München!

Frustriert trat Marco gegen den Wasserkasten, der ihm als sein Opfer als erstes in die Augen gekommen war, nachdem er die Umkleide betreten hatte. Ihm war dabei egal, dass eine der Flaschen nicht richtig zugedreht war und nun Wasser auf dem gesamten Kabinenboden verteilte. Es war ihm auch egal, dass er den Kasten gegen Jadon kickte, sodass er diesem gegen das Schienbein donnerte. Der ganze Lärm, den er durch diesen Tritt verursachte, war ihm vollkommen egal, genau wie darauffolgende Stille.

"Marco...", erklang Marios sanfte, ruhige und tiefe Stimme.

Sein Freund ging ganz vorsichtig auf den Blonden zu und versuchte ihn mit unschuldig erhobenen Händen zu beruhigen. Aber auch das war Marco egal. Selbst er würde es heute nicht schaffen ihn zu beruhigen.

"Das gerade eben war das schlimmste Spiel, das ich jemals in meinem ganzen Leben gespielt habe!", schrie er einfach in den Raum und sah in die Runde ohne seinen Freund weiter zu beachten, der nun auch in seiner Bewegung verharrt war, "und ich hab damals das beschissene Champions League Finale im Wembley gespielt! Das war im Vergleich aber ein Witz! Wir haben uns neunzig Minuten lang da hingestellt und uns abschlachten lassen, wie es normalerweise nur der HSV hier tut! Dieses Spiel gerade wird in die Geschichte eingehen! Als der erbärmlichste Auftritt, denn Dortmund jemals in München abgeliefert hat!"

Es herrschte absolute Stille im Raum, doch das tat Marcos Wut nichts ab.

"Wir haben gespielt wie Feiglinge! Und du musst Thomas jetzt nicht fragen was ich gesagt habe Axel! Crying babys! We played like crying babys! Wir haben drei so wichtige Punkte um die Meisterschaft so peinlich verschenkt! Stand jetzt hätten wir den Titel nicht mal verdient!"

"Baby...", versuchte Mario es erneut sanft, doch Marco würgte ihn sofort ab.

"Nein, spar's dir! Ich bin gerade einfach nur enttäuscht! Disappointed! Wenn wir so weiter spielen, waren die ganzen letzten Monate umsonst! Wir haben uns in der Hinrunde den Arsch aufgerissen, nur um jetzt alles wieder zu verschenken! Das kann doch aber nicht unser Ziel sein! So eine Show wie gerade können wir uns nicht nochmal leisten! Und ich hoffe für eure heiligen Füße, dass ihr so eine Leistung auch nie wieder abrufen werdet! Habt ihr mich verstanden?!"

Es herrschte noch immer eine verängstigte Stille im Raum, während Marcos wütender Blick durch diesen glitt. Seine Brust hebte und senkte sich mit dem schnellen Atem, den er in seiner Rede wie automatisch eingenommen hätte.

Mario war letztendlich der Erste, der sich wieder rührte. Er legte Marco eine Hand an den rechten Oberarm und griff mit der anderen nach einer linken Hand.

"Hey... Die Ansage war klar und deutlich und auch notwendig, aber vergiss dabei bitte nicht zu atmen, ja?", sagte der Brünette mit ruhiger Stimme und sah in die grün-braunen Augen seines Freundes.

Erst jetzt erwiderte Marco seinen Blick und wurde tatsächlich langsam etwas ruhiger, während er sich in den braunen Augen seines Freundes verlor. Er wollte den Mund wieder öffnen um etwas zu erwidern, doch ihm entfloh kein Wort. Niedergeschlagen schloss er den Mund wieder und sah seinen Freund einfach nur erschöpft an.

Mario lächelte nur kurz, ehe er Marco schließlich in seine Arme zog und an sich drückte.

Er wusste wie wichtig das Spiel für ihn gewesen war. Herrgott, er hatte gesehen, wie er Lewy aus dem Nichts die Füße unter dem Boden weggerissen hatte! Lewy, mit dem er vor jeder ihrer Begegnungen noch eine Umarmung und ein Lachen teilte! Dieses ganze Spiel ging ihm somit wirklich richtig nahe!

Womöglich hatte das Desaster für ihn aber schon damit begonnen, dass er auf einer Position spielen musste, auf der er sich kein Stück wohl fühlte und die ihm nicht die Möglichkeiten gab sein volles Potenzial auszuschöpfen. Das und auch die grauenhaften Leistungen der anderen waren es wohl, die ihn am meisten frustrierten.

"Es ist alles gut", flüsterte Mario ihm ins Ohr, "es ist zwar scheiße, aber es ist nur ein Spiel. Ein Punkt. Es ist noch nichts vorbei."

Mit einem Mal spürte Mario wie sich sein Freund nun vollkommen gegen ihn fallen ließ, denn das Gewicht auf seinen Schultern wurde schwerer.

"Lass uns die Sache für heute vergessen, es morgen in Ruhe analysieren und jetzt nachhause fahren. Zu Emilie."

Als Mario den Namen ihrer Kleinen geflüstert hatte, spürte er noch einmal mehr wie Marco sich in seinen Armen entspannte und sich daraufhin von ihm löste. Er lächelte zu seinem Freund hinab und nickte.

"Ja. Fahren wir zu Emilie."

Auch Mario lächelte und zog Marco dann an der Hand zu ihren Plätzen um sich fertig zu machen.

Für den Rest der Rückfahrt traute sich niemand mehr Marco auch nur anzusprechen. Seine Rede hatte alle einfach sehr nachdenklich gestimmt. Lediglich Mario ließ er an sich heran und lehnte sich an ihm an, während der Flieger in den Nachthimmel über München abhob.

Marco schloss die Tür des Hauses auf, während Mario ihre Koffer mit sich zog. Sobald die Tür sich mit einem Klacken geöffnet hatte, atmete Marco erleichtert aus und betrat den großen Flur.

Mit einem mitfühlendem Lächeln stand Scarlett schon im Flur. Sie war sofort aufgesprungen als sie das Schloss gehört hatte.

"Wo ist sie?", fragte Marco nur und die Blondine deutete hinter sich ins Wohnzimmer.

Sofort eilte Marco in besagtes Zimmer und zu dem dort stehenden Bettchen, während Mario die Koffer durch die Türschwelle zog.

"Komm, ich helf dir", bot die Blondine an und schritt Mario zur Hilfe.

"Danke."

"Wie schlimm ist es?", fragte sie leise.

"Er hatte vorhin in der Kabine nen Wutanfall, aber seitdem ist er einfach nur noch niedergeschlagen", antwortete Mario.

"Gut, das Emilie gerade eben wieder wach geworden ist", lächelte Scarlett und auch Mario lächelte.

Im Wohnzimmer hatte Marco seine Tochter währenddessen schon auf den Arm gehoben. Sobald er ihr leichtes Körpergewicht in seinen Händen gespürt hatte, war er ruhiger geworden. Mit großen, blauen Augen sah sie ihn nun an und wackelte mit Ärmchen und Beinchen um auf ihre ganz eigene Art mit ihm zu kommunizieren.

"Hey meine Süße", hauchte Marco leise, "ich hab dich vermisst."

Die Kleine spielte daraufhin etwas mit ihrer Zunge und schob sie hin und wieder durch ihre kleinen Lippen, während sie mit dem linken Arm wackelte.

"Ich bin so froh, dass ich dich hab. Du bist heute meine einzige Rettung", murmelte Marco weiter.

Er hatte sogar inzwischen Tränen in den Augen und küsste den Kopf seiner Kleinen ganz vorsichtig und behutsam.

"Ich liebe dich", murmelte er leise und wie als wolle sie etwas erwidern, brabbelt Emilie daraufhin kurz, was Marco ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Ein Stück weit hatte er diesen grauenhaften Tag und dieses furchtbare Spiel jetzt schon vergessen können und das verdankte er einzig und allein seiner Tochter.

Hope for LoveWhere stories live. Discover now