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Als der Mannschaftsbus über die nächste Bodenschwelle fuhr, rutschte Marcos Blick von der vorbeiziehenden Kulisse zu dem freien Fensterplatz neben ihm, der inzwischen von seinem Rucksack eingenommen wurde.

Bei der Untersuchung am Mittwoch nach dem Training hatte sich herausgestellt, dass eine gebrochene Rippe das Ziehen in Marios Brust verursachte hatte, weshalb er für heute ausfiel. Der Brünette vermutete, dass er sich diesen Bruch in einem Zweikampf gegen Stuttgart zugezogen hatte. In den nächsten Wochen müsse er sich nun etwas herunterfahren, hatte der Arzt gemeint, was ihn doch sehr grummelig gestimmt hatte.

Marcos Blick huschte derweil wieder zu der vorbeiziehenden Landschaft. Mario saß jetzt gemeinsam mit Scarlett zuhause auf der Couch und schaute sich die Vorberichterstattung an, während der Bus vom BVB langsam im Tunnel des Olympiastadions zum Stehen kam.

Mit einem kurzen Fingerdruck erhöhte Marco die Lautstärke seines Handys, schnappte sich dann seinen Rucksack und hörte wie die Musik lauter durch die Kopfhörer in seine Ohren dröhnte. Wenige Sekunden später hatte er sich in die Reihe auf dem Busflur eingereiht und wartete brav darauf aus dem Gefährt steigen zu können.

"Kopf hoch. Du siehst dein Herzblatt ja heute Abend wieder", entgegnete Schmelle, der hinter ihm stand, die Hände auf Marcos Schultern gelegt hatte und diese kurz schüttelte.

Marco wandt sich nur kurz zu dem ehemaligen Kapitän, dessen Job er übernommen hatte, um und lächelte.

Ja. Direkt nach dem Spiel würden sie wieder Heim fliegen und Marco konnte Mario und auch Scarlett wieder sehen, ehe er dann jedoch am Montagmorgen direkt schon wieder weiter nach Wolfsburg fliegen durfte.

Wenn er ehrlich war hatte er gar keine Lust wieder so lange von seinem Freund und seiner hochschwangeren Freundin getrennt zu sein, doch Jogi hatte ihm am Montag eine klare Ansage gemacht. Würde er jetzt, zwei Tage vor dem Treffen, auch noch die Länderspiele absagen, würde er vermutlich nie wieder nominiert werden oder noch schlimmeres. Er hatte also keine große Wahl.

"Ja. Aber vorher müssen wir dieses Spiel gewinnen. Wäre gut für das Selbstbewusstsein und die Tabelle", antwortete er schließlich auf Marcels Aussage.

Dieser lächelte nur zärtlich und klopfte ihm auf die Schulter.

"Man, der kleine blondierte Marco ist echt erwachsen geworden."

"Halt's Maul", entgegnete Marco nur augenverdrehend und nahm schließlich die Stufen nach draußen.

Schmelle erwiderte daraufhin nichts mehr und grinste nur, ehe er dem Beispiel des Dortmunder Kapitäns folgte und ebenfalls in den Katakomben verschwand.

Das folgende Spiel war eher eins der zähen Sorte. Die Jungs erspielten sich viele Möglichkeiten, doch wirklich konsequent nutzen konnten sie kaum eine. Auch hinten gab es die ein oder anderen Fehler, weshalb ihnen auch zwei Gegentore nicht verwehrt blieben. Erst in der Nachspielzeit hatte Marco ihnen noch mit dem 3:2 die drei Punkte und den Auswärtssieg sichern können.

Der Sieg, der auch durchaus verdient und hart erarbeitet war, tat allen gut. Bis morgen zumindest würden sie nun wieder an der Tabellenspitze stehen. Das stärkte das Selbstvertrauen und motivierte.

Während Marco umschlungen mit seinen Teamkollegen vor der Dortmunder Fankurve hüpfte, hoffte er, dass sie diese Motivation auch gegen Wolfsburg nicht verlieren würden. Im Moment zählte einfach jeder kleine Punkt.

Der nächste Gedanke, der sich in seinen Kopf schlich, nahm dann jedoch eine größere Rolle ein.

Scarlett und Mario warteten zuhause auf ihn. Es wurde Zeit, dass er wieder zu ihnen kam und vor allem sein Handy in der Kabine checkte. Inzwischen konnte man sich ja langsam nicht mehr sicher sein, ob die kleine Prinzessin beschloss doch schon einen Ticken früher zu kommen.

So war Marco schließlich zehn Minuten später wieder in der Kabine und checkte sein Handy.

Bis auf ein paar Glückwünsche zum Sieg von Yvonne und seiner Mutter, hatte er jedoch nichts erhalten. Erst während er die Nachricht seiner Mutter durchlaß, die sich auch nach ihrem baldigen dritten Enkelkind erkundigte, ploppte eine neue Nachricht auf.

"Hey, habt ihr gut gemacht. Scarli und ich machen Hähnchen mit Reis für später. Ann Kathrin kommt auch, weil wir morgen ja fliegen."

Marco musste ein Seufzen unterdrücken. Das Ann Kathrin spontan ein Hotelzimmer auf Mallorca gebucht hatte und ein Essen mit ihren Eltern dort klar gemacht hatte, hatte Marco schon wieder total verdrängt. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass Mario, während er bei der Nationalmannschaft war, ein Auge auf Scarlett hätte werfen können. Der Rippenbruch hatte ihn in seinem Gedanken schließlich noch bestärkt, doch dann hatte Ann Kathrin angerufen und freudestrahlend davon erzählt, dass sie ein Hotel gebucht hatte. Sie hatte es natürlich mit dem Hintergedanken getan, dass sie Mario etwas Ablenkung verschaffen konnte, doch Marco passte das eigentlich nicht.

"Ich bin schon groß. Ich kann auch auf mich selbst aufpassen. Ich brauch keinen Babysitter", hatte Scarlett daraufhin gesagt.

Marco hatte dies nur skeptisch beäugt und sie letztendlich doch dazu überreden können in der Zeit seiner Abwesenheit eine Freundin zu ihnen einzuladen.

"Okay. Denk ich bin so um zehn daheim aber ihr könnt ruhig schon vorher essen. Bis später dann 😘", antwortete Marco seinem Freund noch und verschwand dann schnell unter der Dusche.

Eine gute halbe Stunde später rollte der Mannschaftsbus schließlich mit all seinen Spielern und dem Staff in Richtung Flughafen. Es dauerte eine weitere halbe Stunde und der BVB Flieger hob ab in den Nachthimmel von Berlin.

Letztendlich wurde es halb elf als Marco die Haustür auf schloss und seine Tasche geschafft zur Seite fallen ließ. Im Haus war es bereits schon still. Lediglich der Fernseher war zu hören und kurz darauf stand ein müde lächelnder Mario im Türrahmen zum Wohnzimmer.

"Hey", hauchte er und ging auf Marco zu, ehe er sich gegen ihn lehnte und ihn kurz küsste, "die Mädels sind schon schlafen. Scarlett konnte Ann Kathrin überreden mit ihr im Gästezimmer zu schlafen anstatt auf der Matratze im Kinderzimmer. Ich hab dir was zu essen aufgehoben. Ich mach's dir schnell warm. Willst du was trinken?"

Marco schlang zunächst nur müde die Arme um Marios Schulter und kuschelte sich an ihn. Er schloss die Augen während er den Duft des Jüngeren einsaugte. Es war zwar nur eine Nacht gewesen, aber er hatte seinen Sonnenschein vermisst.

"Klingt gut. ich nehm Wasser", murmelte er irgendwann schließlich und löste sich dann schweren Herzens von Mario.

Die beiden schlurften anschließend in die Küche, wo Mario ihm einen Teller mit Hühnchen und Reis in der Mikrowelle warm machte, ehe sie sich zusammen an den Tisch setzten und Marco von dem Spiel und allem möglichen erzählte, was Mario seines Erachtens nach wissen musste. Eine halbe Stunde später begaben schließlich auch sie sich nach oben ins Bett und schliefen schon kurz darauf ein.

Hope for LoveWhere stories live. Discover now