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Immer wieder huschte Marcos Blick unwillkürlich auf die Anzeigetafel im Borussia Park.

Der Tag des großen Finals um die Meisterschaft war gekommen. In der Tat lief das alles entscheidende Spiel gerade in dieser Sekunde. Sie mussten heute gewinnen und darauf hoffen, dass die müden Adler aus Frankfurt noch einmal ihre Kräfte mobilisieren konnten und dazu in der Lage waren die Bayern zu schlagen. Neben dem bisschen, was in ihren eigenen Händen lag, stand also vor allem auch ein großes Hoffen.

Und ihre Hausaufgaben machten die Jungs. Die zweite Hälfte war inzwischen vor wenigen Minuten bereits angepfiffen worden und sie führten schon 1:0.

Die Freude über das Tor konnte Marco zwar nicht wirklich komplett ausleben, weil er das Gefühl hatte, dass er den Ball vor der entscheidenen Flanke aus dem Aus gefischt hatte, aber auch der Videobeweis hatte dem Tor nicht widersprochen. Eine Führung war somit nun mal eine Führung und genau so nahm sie Marco schließlich auch hin.

Gerade als sich der Dortmunder Kapitän wieder auf das Geschehen vor sich konzentriert hatte, wurde es laut im Stadion und besonders in der Dortmunder Kurve.

Noch bevor er sich stoppen konnte, war Marcos Blick auf die Anzeigetafel gehuscht, wo jedoch überraschenderweise nichts angezeigt wurde. Da die Dortmunder Fans allerdings just in dieser Sekunde begannen jubelnd den BVB als deutschen Meister besingen, ging Marco davon aus, dass der Ausgleich in München gefallen sein musste.

Er atmete einmal tief durch und raffte sich dann wieder auf, sich voll und ganz auf das Spiel zu konzentrieren.

Die Frankfurter hatten also wohl ausgeglichen. Es bestand somit wieder eine gute Chance, dass sie es doch noch schaffen könnten, doch dazu mussten sie hier auch erstmal einen souveränen Sieg einfahren.

Wenige Minuten später erzielte Marco schließlich selbst ein wunderschönes Tor um bei diesem angestrebten Sieg mitzuwirken und jubelte kurz mit seinen Kollegen, doch als er auf die Tribüne und zum schwarz-gelben Fanblock sah, war die Freude dort eher verhalten.

"Bayern führt wieder", murmelte Mario ihm in diesem Moment zu.

"Seit wann?"

"Kam erst gerade eben rein", antwortete Mario.

Marco nickte daraufhin nur kurz und schlug seinem Freund leicht auf den Hintern.

"Scheiß drauf. Wir machen hier unser Ding und was in München ist, ist egal", sagte er motiviert, woraufhin sich Mario ein Lächeln aufzwang und nickte.

Die beiden liefen wieder auf ihre Positionen und ab diesem Zeitpunkt sah Marco kein einziges Mal mehr auf die Anzeigetafel. Er konnte auch allein an der Stimmung im Stadion genau sagen, wie es wohl in München stehen musste, doch das war gerade zweitrangig. Viel wichtiger war es dieses Spiel zu gewinnen und sich mit einem letzten Sieg von den Fans gebührend zu verabschieden.

Mario war letztendlich der Erste der beiden, der vom Platz genommen wurde. Wenig später war jedoch auch Marco mit seinen Kräften am Ende und mehr als froh, als er die Binde endlich an Piszczu abtreten und vom Platz gehen konnte.

Müde und geschafft ließ er sich neben Mario auf den Sitz fallen und trank etwas.

Er spürte doch deutlich, dass er zwei Spiele nicht hatte spielen dürfen. Sein Körper hatte ihm heute diesbezüglich deutlich seine Grenzen aufgezeigt.

"Ist alles okay bei dir Marco? Du bist zum Schluss etwas unrund gelaufen", kam Doktor Braun sofort auf ihn zu, doch Marco winkte nur ab.

"Alles gut. Nur ein Krampf. Ich bin fertig. Hab halt zwei Spiele nicht gespielt. Aber ist ja jetzt auch egal. Die Saison ist rum."

Etwas skeptisch betrachtete Mario das Gespräch von der Seite und beschloss seinen Freund diesbezüglich noch einmal anzusprechen, sobald der Doc wieder weg war.

"Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte er schließlich.

Marco nahm gerade einen Schluck seines Wassers und sah dann zu Mario.

"Ja, es ist alles okay. Bin nur müde. Weißt du wie viel es in München steht?"

"Ja. 5:1. Robben und Ribery haben beide noch eins gemacht", antwortete Mario und Marco rutschte noch etwas tiefer auf seinem Sitz.

"Was für ein Glück sind die beiden dann jetzt weg. Ich kann den Schauspieler und den Giftzwerg echt nicht mehr sehen", brummte er.

"Hey. Frank ist echt ein lustiger Kerl und Arjen ist auch nicht so weit gekommen wegen seiner Fallkünste", verteidigte Mario seine ehemaligen Teamkollegen, doch Marco sah ihn nur unbegeistert an, "okay... Nicht nur..."

Daraufhin entgegnete Marco einfach nichts mehr. Er hatte nicht mehr die Kraft jetzt auch noch mit seinem Freund zu diskutieren.

Wenige Minuten später wurde das Spiel dann letztendlich auch abgepfiffen.

Mit noch immer schweren Knochen raffte Marco sich auf und begab sich zu den Jungs auf's Feld.

Sie waren heute vielleicht nicht Meister geworden, aber trotzdem hatten die Jungs im Verlauf der ganzen Saison einen unglaublichen Job gemacht und auch die Fans waren wieder einmal einmalig gewesen.

Während Marco also so Arm in Arm mit seinen Teamkollegen vor den mitgereisten Fans stand und mit ihnen feierte, wurde ihm allmählich bewusst, wie stolz er eigentlich auf dieses Team war und wie dankbar er ebenfalls dafür war diese unbeschreibliche Saison mit all seinen Höhen und Tiefen fast verletzungsfrei und als Kapitän der Truppe durchgeführt haben zu können. Am Ende konnte er so doch ein wenig stolz den Platz verlassen und sich den letzten Interviews der Saison stellen.

Nachdem er die Medienrunde schließlich hinter sich gebracht hatte, fiel sein in der Kabine Blick als allererstes auf Mario.

Der stand bereits angezogen, mit einem leichten Lächeln und abwartend direkt neben seinem Platz und nahm Marco sofort in Empfang.

Müde ließ sich der Dortmunder Kapitän in die Arme seines Freundes fallen und schloss die Augen.

Er war so unglaublich erleichtert, dass die Saison und der Druck, der mit ihr daher ging, nun endlich vorbei war. Vor allem war er aber froh, dass er Mario hatte. Dass sie beide ihre Differenzen der letzten Monate überwunden hatten und nur noch stärker daraus hervorgekommen waren.

Marco hatte im Verlauf der Saison wirklich Angst gehabt, dass er seinen Mario für immer verloren hatte. Dass sein Wunsch nach einer eigenen Familie, dass Emilie ihnen eventuell alles zerstört hatte.

Doch natürlich konnte die Kleine nichts dafür und letztendlich war es auch einfach nicht möglich sich gegen sie zu stellen. Das hatte Mario zum Glück auch erkannt und hatte ihrer kleinen Familie eine zweite Chance gegeben.

Marco vergrub sein Gesicht an Marios Hals, atmete tief durch und drückte den Jüngeren noch etwas mehr an sich.

In diesem Augenblick war ihm jegliche Meisterschale egal. Er hatte seinen Freund wieder für sich gewinnen können und mit ihm eine Familie gegründet. Er hatte ihn, Emilie und auch Scarlett. Er brauchte gar keine Meisterschale oder jegliche Titel.

"Ich liebe dich", murmelte er an Marios Ohr, der ihn darauf fester an sich drückte.

"Ich liebe dich auch", entgegnete Mario ebenfalls an seinem Ohr.

In diesem Moment brauchte Marco wirklich nicht irgendeine Schale, die einen Titel mit sich trug und irgendwas bedeutete. In diesem Moment hielt er schon das Wichtigste in seinem Leben in seinen Armen. Mario.

Hope for LoveOù les histoires vivent. Découvrez maintenant