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Erleichtert steckte Marco sein Handy wieder in die Hosentasche und betrat durch die Terrassentür wieder das Haus.

Mario, der neben Emilie auf der Spieldecke saß und mit einer kleinen Bärenrassel vor ihrem Gesicht rumspielte, sah wieder auf und fragend zu Marco.

"Alles geklärt. Ich komm morgen doch mit nach Bremen", verkündete Marco mit einem Lächeln und ließ sich auf der anderen Seite der Kleinen nieder.

"Ich versteh noch immer nicht ganz warum du mitkommst, aber gut. Du hättest doch jetzt die Gelegenheit Zeit mit Emilie zu verbringen, aber stattdessen tust du dir die Zugfahrt nach Bremen mit uns an", äußerte Mario.

"Ich hab noch sehr viele Jahre Zeit um etwas mit unserer Tochter zu machen. Ich bin Kapitän unserer Mannschaft und da ist es gerade in dieser wichtigen Endphase nur richtig trotzdem mitzufahren und euch den Rücken zu stärken, wenn ich es schon nicht aktiv machen kann. Außerdem war es ja schon mit Scarlett abgemacht, dass ich mitfahre, auch wenn wir das damals ohne den Hintergedanken einer Sperre für mich für die nächsten zwei Spiele abgesprochen haben. Und dann kommt auch noch dazu, dass du nicht hier wärst und wer weiß wie viel Zeit ich noch mit dir verbringen kann."

"Was meinst du damit?", entgegnete Mario auf diese Frage irritiert und stoppte das Rascheln, das er mit der Babyrassel verursacht hatte.

"Ich meine ich tu's für's Team und für dich", antwortete Marco grinsend und lehnte sich dann über Emilie um Mario einen Kuss auf die Wange zu drücken.

Die Kleine quiekte auf die Bewegung hin begeistert auf und wackelte wild mit den kleinen Ärmchen, während ihre Augen strahlten.

"Siehst du? Die Kleine findet es auch gut", sagte Marco grinsend bei dem Anblick seiner Tochter und küsste Mario dann noch einmal auf die Wange, woraufhin die Kleine erneut quiekte.

Auch Mario konnte sich daraufhin sein Lächeln nicht mehr verkneifen und sah zu seiner kleinen Tochter.

"Sie mag es wohl wenn ihre Papas sich lieb haben", sagte er und rasselte wieder einen Augenblick mit dem kleinen Bären in seiner Hand.

"Und ihr Papa hat ihren Papa lieb", murmelte Marco nur und holte sich daraufhin einen richtigen Kuss bei Mario ab, während Emilie unter ihnen wackelte und quiekte.

Am Freitagnachmittag stand das gesamte Team schließlich am Bahngleis vom Dortmunder Bahnhof und wartete auf ihren Zug. Dieser hatte allerdings, wie für die Deutsche Bahn so allseits bekannt, Verspätung, weshalb Marco die Zeit genutzt hatte, um einen Facetime-Anruf mit seiner Schwester zu tätigen, da sie ihm erzählt hatte, dass Nico, sein Neffe, sich in der Schule verplappert habe. Angeblich habe er vor seinen Freunden wieder große Töne gespuckt, stolz verkündet, dass Marco Reus sein Onkel war und behauptet, dass er ganz locker Bälle mit Unterschriften von der gesamten Mannschaft für die ganze Klasse bekommen könnte. Natürlich waren seine Klassenkameraden daraufhin hellauf begeistert gewesen und erwarteten nun genau das von Nico.

"Dann musst du uns aber die ganzen Bälle zum Unterschreiben besorgen Sportsfreund", entgegnete Marco seinem Neffen grinsend, dessen Gesicht daraufhin einem weißen Lacken glich.

Bei dem Anblick konnte sich Marco ein Lachen nicht verkneifen und grinste breit.

"Keine Sorge Sportsfreund. Dein Onkel Marco besorgt sie dir natürlich aber dafür musst du mir im Gegenzug ein Windel wechseln bei Emilie abnehmen", zwinkerte Marco dem Kleinen zu.

"Wähhh! Ihhh! Nein! Das ist eklig! Dann geb ich Emilie an Onkel Mario weiter!", verkündete Nico angewidert und verzog das Gesicht, woraufhin Marco nur erneut lachen konnte.

"Alles gut Sportsfreund. Das Windelwechseln bleibt bei den Erwachsenen und du kriegst deine unterschriebenen Bälle. Aber das nächste Mal gibst du nicht so an, ja?"

"Jaha, Onkel Marco", antwortete Nico augenverdrehend.

"Bedank dich mal bei deinem Onkel dafür Freundchen", ermahnte ihn Yvonne, seine Mutter, ehe Nico ein "Danke Onkel Marco", stöhnte und dann aufsprang und verschwand.

"Dieses Kind...", murmelte Yvonne nur während sie ihrem Sohn nachsah, "ich meld mich die Tage nochmal bei dir wegen dem Stadionbesuch nächste Woche."

"Alles klar, mach das. Sag allen liebe Grüße."

"Du auch und viel Erfolg morgen. Tschau Lauch."

Mit einem Augenverdrehen beendete Marco den Anruf und steckte sein Handy wieder weg. Er sah kurz nach rechts zu Mario, der mit Marwin in der Ecke des Unterstellhäusschens stand. Als er Marcos Blick bemerkt hatte und zu ihm lächelte, erwiderte auch Marco das Lächeln.

Wenige Minuten später durften die Jungs dann endlich in den Zug einsteigen und den Weg nach Bremen antreten. Im Hotel bezogen sie ihre Zimmer, wobei Marco wieder mit zu Mario auf's Zimmer durfte, und nach einer kurzen Taktikanalyse und der Bekanntgabe der Aufstellung, wurden die Männer für die Nacht entlassen.

Die Ankunft im Weserstadion am nächsten Tag war komisch für Marco. Er war zwar genau wie die anderen den routinierten Spaziergang gelaufen, aber doch war es irgendwie anders. Vielleicht lag das auch einfach daran, dass er wusste, dass er sich jetzt nicht gleich mit aufwärmen durfte und nur zum Zuschauen neben der Bank verbannt war. Es war wirklich merkwürdig, aber er versuchte das Beste daraus zu machen.

Dick eingehüllt, da es doch kalt war, und eingekuschelt in eine dicke Jacke, saß er pünktlich zum Anpfiff auf seinem Platz neben der Bank und sah dabei zu, wie die Jungs nach einem kurzen Augenblick des Wartens auf Grund der gelben Nebelwolke, die die Dortmund-Fans mit Pyrotechnik fabriziert hatten, den Ball den Bremern relativ schnell wieder abluchsten und gleich ein erstes Zeichen setzten.

Relativ früh stellte sich heraus, wer im Spiel die Nase vorne hatte und so fiel auch schon in der sechsten Minute das 0:1 durch Christian, der sich heute noch einmal richtig beweisen wollte. Er hatte eine ganze Zeit lang nicht mehr in der Startelf gestanden und heute wollte er Favre ganz offensichtlich davon überzeugen, dass das ein Fehler gewesen war.

In der 40. machte Paco schließlich das 0:2 perfekt, wobei Marco nur fasziniert gestikulieren konnte, wie gut der Ball im Schuss abgefallen und unhaltbar ins Tor geknallt war.

Mit dieser selbstbewussten Führung ging es schließlich in die Pause, aber bleiben sollte es dabei in der zweiten Hälfte nicht.

In der 77. hielten die Schwarz-Gelben und vor allem Mario schließlich die Luft an. Marco war von seinem Platz aufgesprungen, als er die Szene nach einer Ecke gesehen hatte, wobei Mario den Ball angeblich mit dem linken Oberarm angenommen haben sollte.

"Das war doch keine Hand!", rief Thomas, der Athletik-Coach neben Marco empört, "wenn er den gibt, dreh ich durch!"

Marco schwieg einfach und sah zu seinem Freund, der durchaus verunsichert wirkte, während er auf die Bank zulief und sich eine Flasche Wasser holte. Marco konnte sich nur zu gut vorstellen, was gerade in seinem Kopf vorging.

So oft hatte es solche Szenen mit angeblichen Handbällen in letzter Zeit gegeben, die mehr als umstrittig waren. In dieser Situation konnten sie einfach nur auf ein gutes Urteilsvermögen des Schiedsrichters hoffen.

Erleichtert atmete Marco aus und ließ sich wieder auf seinen Platz fallen, als der Schiri anzeigte, dass es kein Handspiel war. Marco war einfach unheimlich erleichtert.

Nachdem es inzwischen 2:2 stand, hätte dies die geschenkte Möglichkeit für Bremen sein können in Führung zu gehen und das kurz vor Ende.

Letztendlich ließ sich an dem Unentschieden allerdings nichts mehr rütteln. Sie hatten ihre Chancen, gerade in der ersten Halbzeit, einfach zu wenig genutzt und nichts daraus gemacht. So mussten sie sich mit dem Endstand zufrieden geben, auch wenn der bedeutete, dass nun vier Punkte bei nur noch zwei Spielen zwischen ihnen und den Bayern lagen, was ihren Traum der Meisterschaft immer mehr dahinschmelzen ließ.

Geknickt verließen die Dortmunder das Feld. Sie würden eine Weile brauchen um das Spiel zu verarbeiten, aber das hieß nicht, dass sie in den nächsten zwei Spielen nicht alles geben würden.

Hope for LoveWhere stories live. Discover now