Epilog

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Angepsannt saß ich auf der Parkbank und starrte auf das weitläufige Gelände des Friedhofes. Die Kälte der Steinbank drang bereits durch die Anzughose, was mich aber nicht sonderlich störte. Ansonsten war es nämlich ziemlich warm hier in Positano.
Leonardo, der neben mir saß, hatte seinen Blick auf unseren Vater gerichtet, der immer noch am Grab kniete.

Am Grab unserer Mutter.

„Er wird ihren Tod nie ganz verarbeiten", konnte ich meinen Bruder leise sagen hören, worauf ich etwas nickt. „Und er wird es wahrscheinlich auch nie können. Bei uns hat es schon lange gedauert, also will ich nicht wissen, wie es bei ihm ist"

Wieder herrschte Stille zwischen uns zwein, in der wir nur unseren Vater beobachteten, wie er sich langsam erhob. Er stand noch ein paar Sekunden still vor dem Grab, bis er eine Rose auf diesem ablegten und sich mit gesenktem Kopf langsam wandte, um zu uns zurück gekommen.
Mittlweile war es bei uns Tradition geworden, dass wenn wir hier her kamen mindestens eine Rose auf dem Grab ablegten. Es waren die lieblings Blumen meiner Mutter gewesen. Die knirschenden Schritte meines Vater rissen mich wieder aus den Gedanken, als er zum Stehen vor mir und meinem Bruder kam. Vorsichtig schaute ich auf und konnte sehen, dass seine Augen leicht mit Tränen gefüllt waren.

„Jungs...", konnte ich ihn sagen hören und spürte, wie er mir und Leonardo die Hand auf die Schulter legte. „Ihr sollt wissen, dass ihr wirklich mein ganzer Stolz seid und das Beste, was eure Mutter mir geben konnte"
Vorsichtig nickte ich nur, bevor wir beide unseren Vater einmal in die Arme schlossen. Normalerweise war er immer die Standfesteperson gewesen vor der man Respekt hatte, aber jedes Mal, wenn wir ihn mit zum Grab begleiteten, konnte man sehen, wie schnell dieses Fassade wieder herunterbrechen konnte.

So kaltherzig er auch manchmal wirken mochte, in seinem Inneren hatte er einen weichen Kern und ich wusste, dass Leonardo und ich wahrscheinlich eine der Wenigen waren, die ihn zu sehen bekommen durften.

Mit einem Taschentuch, was er aus seiner Anzugtasche herausgeholt hatte, tupfte sich mein Vater einmal die Augen, bevor er sich wieder aufrichtete.
„Wirst du heute schon fahren, Angelo?", konnte ich ihn auch schon fragen hören, was mich dazu brachte mich ebenfalls wieder gerade hinzustellen und mit einem Nicken zu antworten.

„Ja, in wenigen Tagen wird das Kind kommen und ich will Kylie nicht alleine lassen"
Ich konnte sehen, wie er nickte und sich dann ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete. „Wow...mein erstes Enkelkind", vernahm ich ihn darauf sagen, wobei es sich aber eher so anhörte, als würde er dies an sich selbst richten.
„Ja, Kylie meinte, dass Carlos auch nicht mehr ruhig sitzen kann vor Aufregung"

Nun schmunzelte er leicht.
„Na ja, schließlich ist es auch der erste Nachwuchs unsere gemeinsamen Familien"
Wieder nickte ich. Selber konnte ich es auch gar nicht mehr erwarten, weswegen ich nun am liebsten so schnell wie es nur ging zurück nach Amerika fliegen wollte, damit ich bei der Geburt dabei sein konnte. Schließlich wusste ich, wie anstrengend dieser ganze Prozess für Kylie sein würde und das sie selbst etwas Angst davor hatte.
Trotzdem hatte sie zu gestimmt, als ich ihr erzählt hatte, dass ich meinen Vater mit nach Positano begleiten wollte zum Todestag meiner Mutter. Dabei hatte sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt, sondern nur genickt, bevor ich die Frage überhaupt aussprechen hatte können.

„Und wie steht es mit dir?", richtete sich mein Dad nun an Leonardo, worauf auch er etwas aus den Gedanken gerissen wurde und sich gerade hinstellte. Dabei spannte sich das schwarze Hemd, was er trug auf seiner Brust etwas.
Über die Jahre hatten wir beide ziemlich Veränderungen gemacht und dabei hatte insbesondere unser Verhältnis einen ordentlichen Wandel hingelegt.

Den Tod unserer Mutter hatten wir beide nicht gut verkraftete, wobei ich mir ziemlich sicher war, dass es Leonardo noch schwerer gehabt hatte als ich. Schließlich hatte er zu der Zeit nicht jemanden an seiner Seite gehabt wie ich mit Kylie.
Andererseits hatten wir dadurch auch mehr Zeit miteinander verbracht und gemerkt, dass sich unser Verhältnis so um einiges gebessert hatte. Er war mir gegenüber offener geworden und ich hatte über die Jahre gelernt, dass ich seine Probleme mindestens genauso ernst nehmen sollte, wie die meiner Frau.

„Willst du mit nach Amerika fliegen oder bleibst du hier in Italien?"
Leonardo zuckte darauf nur leicht mit den Schultern. „Alessia hat in den nächsten Tagen ihre Abschlusprüfung und ich kann mir vorstellen, dass sie in Zukunft lieber in Italien bleiben will, aber ich denke gegen einen kleinen Urlaub, um meinen Neffen kennenzulernen, hat sie nichts einzuwenden"

Nun schmunzelte mein Vater leicht und klopfte meinem Bruder einmal auf die Schulter. „Wünsch ihr viel Erfolg von mir. Sie wird das sicherlich schaffen und trödelt danach nicht zu viel herum, sonst ist das Kind noch vor euch da"
Jetzt lächelte auch Leonardo leicht. „Keine Sorge, sie ist glaube ich selber schon total in Kinderstimmung, weswegen ich eher hoffe, dass sie sich dadurch nicht zu sehr ablenkt"

Mit einem kleinen Lächeln standen wir nun alle auf dem Friedhof und betrachteten das Grab unserer Mutter, was sich ein paar Meter weiter befand und mit schönen Rosen geschmückt war. „Eure Mutter wäre sehr stolz auf euch, Jungs", konnte ich meinen Vater leise flüstern hören.
„Vergesst das nicht!"

The End

The End

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Positano | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt