77. Kapitel

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Angespannt saß ich auf Angelos Bett und knetete meine Hände. Es waren zwei Tage vergangen seit Giannas Tod,
Zwei Tage, die nicht grauenvoller hätte sein können.
Noch nie hatte ich Angelo so zerstört gesehen. Er redete kaum und wenn er was sagte, klang seine stimme geschafft und schwach. Zwar zeigte er keine Tränen, aber man merkte trotzdem, dass die ganze Sache nicht spurlos an ihm vorbei ging.

Leonardo dagegen hatte ich seit dem Tod seiner Mutter kaum gesehen.
Zwar war ich die letzten Tage überwiegend bei Armanis zu Hause gewesen, aber trotzdem war mir Leonardo in der Zeit kaum über den Weg gelaufen.
Einmal hatte ich ihn in der Küche getroffen, wie er sich einen Kaffee gemacht hatte. Er wirkte zerstört und sah so aus als hätte er nur ziemlich wenig geschlafen.
Außerdem hatte ich bemerkt, dass er Nachts sehr spät nach Hause kam.
Zwar waren es erst zwei Tage, die ich hier war, aber ich hatte schon mitbekommen, dass er kaum eine Nacht hier verbracht hatte.

Keiner wusste wahrscheinlich genau, wo er sich herumtrieb.
Es wirkte, als würde jeder der drei seinen Schmerz anders verarbeiten.
Giorgio bekam man nämlich genau so wenig zu Gesicht.
Zwar hatte er gestern Abend zusammen mit mir uns Angelo gegessen, aber auch er sagte genauso wenig ein Wort.

Stattdessen sah er müde und geschafft aus und war genauso wie seine Sohne überwiegend in seinen Gedanken versunken. Andererseits musste er sich um den Wiederaufbau des Lagers kümmern sowie die Beerdigung seiner Frau.
Viel Zeit zum Trauern bekam er auch nicht.

„Die Pizza ist da", wurde ich von Angelos Worten aus den Gedanken gerissen. Schnell schaute ich auf und konnte sehen, wie der schwarze Lockenkopf zur Tür hereinschaute.
Er hatte immer noch diesen trüben Gesichtsausdruck und in seinen Augen konnte man die Trauer erkennen.
Mit einem Nicken erhob ich mich von seinem Bett und folgte ihm aus der Zimmertür heraus runter in die Küche. Es war beinahe zwei Uhr Nachts, aber irgendwie konnte keiner von uns ein Auge zu drücken, sodass wir uns dazu entschlossen hatten etwas zu Essen zu bestellen.

Giorgio war immer noch nicht zurückgekehrt und bei Leonardo bezweifelte ich eh, dass er in seinem Zimmer saß.
Also hatten wir das riesige Haus wahrscheinlich für uns alleine.
In der Küche roch es bereits nach Pizza, wobei meine Lust auf Essen trotz des eigentlichen Hungers immer und immer mehr vergangen.
Angelo der gerade dabei war etwas zu Trinken auf den kleinen Küchentisch zu stellen, an dem wir essen wollten, schaute sich nur verwundert um, als auf einmal sein Handy wie verrückt anfing zu klingeln.

Auch ich schaute auf und konnte auf dem Display das Wort Dad lesen.
„Bin gleich wieder da", vernahm ich ihn murmeln und beobachtete dann, wie er sich das Handy schnappte, es sich unters Ohr klemmte und anschließend aus der Küche verschwand.
Nun saß ich alleine an dem runden Tisch und mümmelte etwas an einem meiner Pizzastücke. Ich hatte Angelos dumpfe Schritte vernehmen können, wie er die Treppe hoch verschwunden war.

Wahrscheinlich wollte er in Ruhe mit seinem Vater telefonieren.
Wobei mich irgendwie die Angst überkam, dass noch etwas schlimmes passiert war.
Aber ging es eigentlich noch schlimmer als Giannas Tod? Momentan fühlte es sich eh so an, als wären wir alle an unserem Tiefpunkt angekommen.
Erst wurde das Lager meiner Eltern angegriffen und nun auch das Lager von Armanis. Zwar besaßen wir Waffen und Mafiosi, aber es fühlte sich trotzdem so an, als wäre die Cosa Nostra uns immer einen Schritt voraus.

Das Schlimmste an der ganze Sache war zu dem, dass keiner so genau wusste, wer den Laden dort leitete.
Zwar hatten wir ihnen mit unserem damaligen Angriff ebenfalls ziemlich geschadet, aber anscheinend nicht so sehr, dass sie vollständig zerstört war.
Zudem musste ihr Chef immer noch am Leben sein, sonst hätten sie es niemals geschafft in so kurzer Zeit zwei Angriffe auf uns ausführen zu können.

Positano | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt