Teil4

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„Dir ist doch das gleiche passiert..." schluchzte sie mich an. Das hatte ich ihr im Vertrauen erzählt und das hat man jetzt davon. Um mich herum hörte ich ein zischen und die Blicke der Jungs auf mich.

Dennoch antwortete ich, wie könnte ich nicht? „Ich ... Ich hatte keine Wahl. Ich musste jemanden versprechen immer zu kämpfen, egal was passiert!" versuchte ich so unberührt wie möglich zu sagen.

„Aber wie?" hakte sie hilflos nach.

„Ich habe mir ein Ziel gesetzt und dann ... habe ich tief durchgeatmet und bin den ersten Schritt gegangen, dann den nächsten und den nächsten und der Rest kam von allein."

„Das wars?"

Ich lächelte sie traurig an: „Es war nicht annähernd das schlimmste was mir widerfahren ist und ich konnte mich befreien. Ich musste da alleine durch, aber du nicht!" ich schluckte bei dem Gedanken daran was ich gleich sagen würde, ich glaubte es ja selbst kaum „Du hast deinen Bruder. Er passt auf dich auf und wird dir helfen! Du bist nicht alleine!"

Plötzlich sah sie mich verwirrt und besorgt an: „Warst du etwa allein? Wurdest du nicht gerettet?"

Ich musste kurz hohl auflachen: „Nicht jeder hat Glück. Ich hab mich alleine befreit!"

„Wann war das?" fragte sie mich und ich schluckte wieder. Muss das sein? Was soll das?

„Ich war 13, aber es kam ... nicht so weit!" erklärte ich und versuchte krampfhaft nur Stacy anzusehen und die anderen zu ignorieren.

Sie sah mich schockiert an: „Bist du deshalb so... so...?" fragte sie mich unbeholfen und ich musste schmunzeln. Wirklich jetzt?

„Das was damals geschehen ist, ist nur einer von vielen Gründen warum ich so geworden bin, wie ich jetzt bin." Sagte ich und dachte kurz an den ganzen Scheiß der mir passiert ist.

„Ich weiß nicht ob ich wieder raus kann..." schluchzte sie „Ich hab es versucht, ich kann nicht einmal auf die Terrasse. Ich denke jedes Mal, dass..." sie brach ab und Tränen liefen wieder ihre Wangen runter.

„Stacy, dir passiert nichts mehr. Du bist sicher und es ist vollkommen ok Angst zu haben!" sagte ich, weil ich wichtig finde das sie das verstand. Es ist vollkommen in Ordnung Angst zu haben, es ist normal, verständlich. Mir hat es niemand gesagt. Sie soll nicht auch denken, dass sie deshalb schwach ist. Auch wenn ich sie eigentlich nicht ausstehen konnte.

„Was wenn ich nicht mehr so werde wie vorher?" fragte sie, während ich mich fragte ob das nicht besser so wäre, auch wenn ich mich sofort für den Gedanken hasste. Habe ich schon erwähnt, dass wir uns eigentlich nie besonders gut verstanden haben?

„Natürlich wirst du das!" versuchte ihr Bruder sie zu beruhigen und sagte auch endlich wieder etwas, doch Stacy sah wieder nur zu mir.

„Glaubst du das auch?" fragte sie mich. Oh bitte nicht ... aber ganz ehrlich? Nein.

„Ich glaube, dass ... Menschen aus Narben bestehen. Aus ihren schlimmsten, aber auch aus ihren schönsten Erinnerungen. Du hast nun eine schlimme mehr, aber so wie ich das sehe hast du auch eine Unmenge an schönen Erinnerungen, die dir durch schwere Zeiten durchhelfen und du hast einen riesen Vollidioten als Bruder und eine ganze Truppe Clowns, daher weiß ich, dass du viele Erinnerungen hast, die dich zum lachen bringen." Sagte ich und tatsächlich begann sie zu lächeln, als ich ihren Bruder beleidigte, was mich ebenfalls zum schmunzeln brachte. „Du wirst dich verändern, so wie jeder andere auch, nur eben... anders. Einige Veränderungen werden gut sein, andere wieder nicht. Dir werden plötzlich Sachen auffallen die dir vorher nicht aufgefallen sind und wenn du an dunklen Gassen vorbei gehst wirst du Angst haben und läufst automatisch schnell zum nächsten Laden, nur für das Gefühl der Sicherheit. Aber du wirst auch lernen jeden noch so kleinen schönen Moment zu schätzen. Die Veränderung kommt so oder so, aber letztendlich entscheidest du welche du annimmst und gegen welche du ankämpfst. Hinter dir stehen gerade fünf Menschen, die alles für dich tun würden und dich unterstützen, dir helfen werden, deshalb brauchst du auch keine Angst vor der Veränderung zu haben." sagte ich.

Sie nickte und ich stand wieder auf: „Ich mache jetzt was zu essen und ihr" ich zeigte mit dem Finger auf die Jungs „sorgt dafür, dass sie wieder lacht!" sagte ich und versuchte zu lächeln, ließ die Jungs verwirrt zurück und wollte schon durch die Tür, als mich Stacy was fragte.

„Was ist passiert?"

Ich sah sie verwirrt an.

„Was ist schlimmer, als fast vergewaltigt zu werden?" fragte sie mich und mein Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen.

Ein trauriges Lächelnzierte nun meine Lippen: „Das braucht keinen zu kümmern!" bat ich und ging.

Ein Kampf ums LebenWhere stories live. Discover now