Teil76

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Kennt ihr das, diese Gefühl alles wäre ein Traum? Alles wäre gut? Keine Probleme, kein Leid. Kennt ihr den Moment in dem ihr denkt ihr könntet nicht glücklicher sein? So glücklich das euch das Herz aus der Brust zu springen droht. So glücklich, dass euch alle Folgen egal sind? Selbst wenn es Höllenschmerzen sind oder ein kosmischer anschiss?

Aaron ging in die Mitte des Raumes. Ihm war es vollkommen egal das er von allen angestarrt wurde. Ich hatte keine Wahl, er schon. Er entschied sich für uns. Für die Vergangenheit und unser Heim. Er entschied sich sich zu outen. Wenn das das richtige Wort war. Aber er war einer von uns. Er war Teil der Familie. Er war eine Waise, so wie ich und die Kinder um uns herum und jetzt steht er dazu.
„Just another day in the Front line
Forced to apologize
For being who I am but you better understand..."
begann er zu singen und sah mich immer auffordernder an. Er wartet darauf das ich annehme.

„Maybe I'm a misfit, maybe I'm a no one
Push me to the dirt, yeah, one you always spit on
I am not worthless
I don't deserve that..." sang ich und ging auf Aaron zu, der erst wieder mitsang als ich bei ihm angekommen bin.
Am Ende waren wir Waisen eine singende Truppe. Einige an Instrumenten andere bei Aaron und mir auf der beschlagnahmten Tanzfläche.

Einige Minuten später standen wir dann alle zusammen am Rande der Tanzfläche und unterhielten uns und lachten, bis Mr. Clark seine Mitteilung ankündigte. Es war so ziemlich das übliche. Aber meine gute Stimmung ließ nach. Die Freudensstöße verließen mich und der Schmerz setzte ein. Milliarden kleine Impulse liefen zu meiner Wirbelsäule und meinem Herzen und ließen mich schmerzen spüren wie noch nie. Als ein Riesen Schwung schmerzen auf mich einfiel musste ich mich an der nächst besten Person festhalten. Josh stand neben mir, daher dachte ich es wäre selbstverständlich. Ich dachte er würde mich retten wie die vielen Male zu vor, doch er tat nichts. Schwarze Punkte tauchten vor meinen Augen auf. Nicht jetzt, nicht jetzt...bitte tu mir das nicht jetzt an. Das falsche timing ist mal wieder so typisch für meinen Körper. Oh Gott... meine Beine knicken gleich ein. Ich muss mich hinsetzen, schnell! Argh, was haben die hier alle auch nur mit stehtischen? Was haben sie gegen Stühle?
Ich muss raus! Und mit dem Gedanken riss ich mich von Josh's Arm los und versuchte so ruhig wie möglich nach draußen in den Garten zu laufen. Was mir auch so weit gut gelang. Ich kam raus, stieß zwar mit einigen Tischen zusammen, aber warum mussten die auch so verstreut stehen? Wenigstens hatte mich niemand bemerkt. Das wärs noch gewesen.

Draußen angekommen schnappte ich panisch nach Luft, ich hatte ohne es zu merken die Luft angehalten. Auch nicht empfehlenswert, aber mein Körper will es wohl einfach nicht lernen. Meine Zusammenbrüche häufen sich.... Ich sollte vielleicht-

"Alex?", ein besorgter Aaron sah mir entgegen.

Sofort lächelte ich und richtete mich auf: „Ja?" fragte ich.

„Alles in Ordnung bei dir?"

„Ja." sagte ich leider zu schnell und da musste schnell was anderes her „Ich... naja, also der Sohn vom Boss-"

„Cole? Was ist mit ihm?"

„Keine Ahnung, wir hatten mal was, es war... keine Ahnung was es war, aber dann kam was, sagen wir einfach es kam etwas dazwischen und ich musste aufbrechen ohne mich zu verabschieden."

„Und jetzt ist er wütend." mutmaßte er richtig „Und deshalb versteckst du dich hier? Nur weil er wütend ist?" hakte er nach und sah mir eindringlich in die Augen.

„Ist das so abwegig?"

„Nicht wenn du ihn noch liebst." und dann erst schön er zu verstehen „Ooh. Oh... oh shit. Das muss ja scheiße weh tun."

Ich verzog ne Grimasse: „Feinfühlig wie immer."

„Sorry, aber wenn du ein Grund hast warum du einfach gegangen bist, dann sag es ihm doch einfach." meinte Aaron leichthin, woraufhin sich meine Herz wie eine Rosine zusammenzog.

Ich kann nicht...: „Nein und selbst wenn ich es ihm sagen wollen würde, er würde mir nicht zuhören, geschweige denn es verstehen."

„Natürlich würde er es verstehen."

"Nein würde er nicht und ... ich verstehe ja noch nicht ganz was passiert ist. Nach fast sechs Jahren muss ich es immer noch verarbeiten." Platze es ehrlich aus mir heraus.
Jede wache Sekunde versuche ich eigentlich nicht daran zu denken. Versuche zu vermeiden daran zu denken, aber jedes Mal, wenn ich meine Augen schließe verfolgen mich meine Erinnerungen. Und mit jeder Nacht scheinen meine Albträume schlimmer zu werden. Inzwischen spüre ich den Schmerz, wenn ich in einem meiner Albträume verletzt werde. Ich hatte das nicht für möglich gehalten, aber dieses Phänomen gibt es wohl.
Ich denke nicht gern darüber nach und noch weniger spreche ich. Weder heute noch wann anders. Als ich wieder zurückkam habe ich zwei Monate kein einziges Wort gesprochen. Ich habe mich vollkommen zurückgezogen, habe angefangen zu schreien, wenn mich jemand berührte und bin keinem näher als auf zwei Meter gekommen. Bin ich einer Person doch näher gekommen, bekam ich eine Panikattacke und brauchte mindestens zwei Stunden um mich wieder zu beruhigen.
Diese zwei Monate waren die Hölle. Ich hatte die schlimmste Sorte von PTBS und wenn ich ehrlich bin leide ich immer noch darunter. Nach ein paar Jahren habe ich nur gelernt besser damit umzugehen. Es zu verstecken. Nur noch Josh weiß, dass ich Panikattacken habe. Einer der Gründe warum er mir nur ungern von der Seite weicht. Er will da sein, wenn ich wieder einen Anfall bekomme, weil es sonst keiner sein wird.

Die Stunden vergingen und die kleinen Kinder wurden immer müder. Die Erzieherin interessierte es jedoch nicht, zumindest so lange nicht bis Aaron sie darauf hingewiesen hat. Danach verabschiedeten er und die Kinder sich. Bis dahin hatte mich Cole wieder ignoriert, aber dann gab Aaron mir einen Kuss auf die Wange und sagte mir noch einmal tschüss. Da schien Cole fast vor Wut zu explodieren.

„Ruf mich mal an. Vielleicht können wir ja mal einen Kaffee trinken und reden." bot Aaron mir mit einem Lächeln an, dass mir Tränen in die Augen trieb.
Es war so schön endlich mal keine Aufforderung zu hören.

Traurig lächelte ich zurück: „Ja, vielleicht."
Damit ging er und am liebsten wäre ich auf der Stelle zu Boden gefallen.

„Alex?"

„Hm?", es war Josh. Er hatte mir eine Hand auf die Schulter gelegt.

„Wollen wir auch gehen?"

Ich nickte und sah wieder lächelnd zu Cole und Mr. Clark: „Es war wirklich schön."

„Wir sehen uns morgen." sagte Mr. Clark freundlich und nickte zum Abschied, während sein Sohn nichts tat oder sagte.

Verletzt seufzte ich und drehte mich zu Josh. Sobald wir den ersten Schritt taten und der Schmerz wie Nägel auf mich einprasselte hielt ich mich instinktiv an Josh fest. Dieser merkte es sofort und leitete mich vorsichtig zum Auto.
Die Fahrt war die Hölle. Ich spürte jedes ruckeln, jede Bremse, jeden Start wie einen Dolch der in mein Rücken immer und immer wieder gerammt wird. Am Ende warf ich mich regelrecht aus der Foltermaschine. Ich fiel auf den Boden, doch der kühle Asphalt war wesentlich angenehmer als das Auto mit dem eigentlich weichem Sitz.

"Alex!" Rief Josh geschockt und lief um den Wagen herum auf mich zu, ohne seine Tür zu zu machen.

Er versuchte mir auf zu helfen, doch am Ende driftete ich durch den Schmerz ab und er trug mich ins Haus.

Ein Kampf ums LebenWhere stories live. Discover now