Teil71

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Lexi war wirklich süß. Etwas nervös, aber das legte sich nach der Zeit. Sie wurde selbstbewusster je mehr sie merkte, dass sie keine Angst vor mir haben musste. Anscheinend arbeitete Lexi schon seit zwei Jahren hier in der Firma. Ihr Traum ist es aber irgendwann in der Modebranche tätig zu sein, was ihr momentan aufgrund ihrer kranken Mutter nicht möglich ist. Sie brauchten das Geld und konnten auf einen Erfolg nicht warten. Ich bot ihr an zu helfen, aber das wollte sie nicht. Sie sagte sie kommen super alleine klar und das ihr Traum nur um ein paar Jahre verschoben wäre.

Nach der Tour durch die Firma brachte sie mich wieder in mein Büro, wo ich anfing den Papierstapel durchzugehen. Ich war gerade mal mit der Hälfte durch da klopfte es an der Tür und Mr. Clark kam in mein Büro.

„Ich hab das Licht gesehen, was machen sie denn noch hier?" fragte er lächelnd, was mich Stirnrunzeln ließ. Kurz darauf merkte ich, dass es schon dunkel war. 23:45h sagte die Uhr.

„Ich hab wohl die Zeit vergessen." murmelte ich mehr zu mir selbst.

„Macht ja nichts, bleiben sie aber nicht zu lange, heute ist erst ihr erster Tag. Überstunden können sie wann anders machen." riet Mr. Clark und verschwand dann wieder.

Seufzend ließ ich meinen Stift fallen. Er hatte recht, ich sollte nachhause. Dort ist auch noch viel zu tun.
Zehn Minuten später verließ ich mein Büro, nur um am Aufzug schwankend stehen zu bleiben. Plötzlich begann sich alles zu drehen und mein Herz fing an wie die Hölle zu brennen. Ich hielt mich an der wand fest, während ich mir ans Herz fasste und einen Schrei unterdrückte. Ein Eigengeschmack bildete sich in meinem Mund. Mit zitternden Händen griff ich an meine Mundwinkel und sah dann wieder auf meine blutverschmierten Finger.
Scheiße...

Als ich dann auch noch eine Tür schließen hörte wischte ich mir das Blut schnell weg, zog meinen Mantel enger und zwang mich schmerzhaft ruhig zu atmen. Aber sobald ich sah das es Cole war, der die Tür geschlossen hatte und nun auch auf den Aufzug warten musste, wurde der Schmerz in meiner Brust schlimmer.
Schweigend stellte er sich hinter mir, doch aus dem Augenwinkel sah ich wie er seinen Kiefer zusammenpresste und wütend auf den Aufzug starrte. Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und lief meine Wange zum Kinn hinunter. Ich konnte nicht sagen ob es wegen dem Schmerz in der Brust war oder wegen Cole.
Krampfhaft griff ich um meine Tasche und stieg in den sich nun öffnenden Fahrstuhl. Coles Blick meidend klickte ich auf das E und lehnte mich gegen die Fahrstuhlwand als mich ein erneuter Schwindel befasste.

Die Schneeflocke fällt, die Last geht. das hier und jetzt, dieser Augenblick, ist sicher. Die Schneeflocke fällt, die Last geht.

Im Kopf ging ich mein Mantra immer wieder durch und spürte wie ich mich wieder entspannte und klarer sehen konnte.

Ich muss wieder zum Arzt... bei dem Gedanken seufzte ich erschöpft. Das hörte wohl nie auf. Ping. Die Fahwrstuhltür ging auf und Cole ging an mir vorbei raus zu seinem Wagen. Mit hängenden Schultern und zitternden Händen öffnete ich meinen Wagen und fuhr langsam los, um einen Unfall entgegen zu wirken. 


Nachdem ich endlich zuhause ankam bestellte ich mir Essen von einem Chinesen in der nähe und ging dann schnell unter die Dusche. Fertig zog ich mir ein großes Hemd und eine Short an und wie perfekt getimet klingelte es an der Tür. Mit nackten Füßen stapfte ich die Treppe runter zur Tür und nahm schließlich mein Essen entgegen. Auf meiner Couch machte ich es mir dann mit meinem Laptop gemütlich und leste mich durch die öffentlichen Meinungen von Clark.corp. Und wie das Schicksal mich nun mal liebt, stieß ich immer wieder auf Cole... Irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen und klappte meinen Laptop zu. Schweren Herzens versuchte ich zu schlafen, doch ohne Erfolg. Die Albträume von vor sechs Jahren waren nichts im vergleich zu denen heute. Inzwischen habe ich Glück, wenn ich eine oder maximal zwei Stunden schlaf bekomme. Meistens bekomme ich aber gar keinen Schlaf und wenn doch, dann eher durch erschöpfung. Ich kriege kaum meine Augen zu, da reiße ich sie schon speerangelweit auf und habe einen Puls von 100. Also begann ich oft zu lesen, Kaffee zu trinken oder wie vor ein paar Jahren zu studieren. Während ich Jura studierte, studierte ich auch literatur, linguistik, psychologie und zum Teil sogar Medizien, bis ich umgezogen bin. Ich versuchte mich einfach so gut es ging auf irgendwas anderes zu konzentrieren.

Und so ging die Nacht, wie die letzte und die davor vorbei. Drei Tage keinen Schlaf... mein Leben ist die reinste Folter. Meinem Herzen tut das auch nicht gut, genauso wenig wie meinem Rücken. Pünktlich um sieben klingelte es schließlich erneut an meiner Tür. Josh stand da und musterte mich besorgt.

"Wieder keinen Schlaf?" fragte er voller Sorge und sah mich an, als würde ich jeden Moment gleich umkippen. Verübeln konnte ich es ihm nicht, ich war mir selbst nicht sicher, ob ich nicht gleich bewusstlos auf den Boden fiel. Ich machte einfach weiter, wie ich es meiner Schwester versprochen habe. Das Versprechen ist der einzige Grund, warum ich noch auf den Beinen bin. Auch wenn es mir das Herz bricht und ich mich selbst dafür verabscheue, hasse ich meine Schwester manchmal für dieses Versprechen. Für ihren letzten Wunsch. Ihren letzten Willen. 

"Kannst du mich zur Arbeit fahren?" fragte ich statt zu antworten und ging rein, mit dem Wissen, dass Josh mir folgte.

"Sicher. Warum glaubst du bin ich hier?" meinte er locker.

Ich lächelte schwach: "Ich ziehe mich schnell um." sagte ich und ging schwach die Treppe hoch. Ich riss mich immer wieder zusammen, damit es niemand merkte, aber bei Josh war das vergebens. Er kannte mich zu lange oder war einfach ein besserer Beobachter, ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass er zumindest weiß wie er mir Halt gibt ohne aufzufallen. Und so brachte er mich auch bis in mein Büro. Früher oder bei jedem anderen hätte ich mich gewehrt, zumindest leere Worte gesprochen, aber das konnte ich nicht. Ich schaffe es nicht mehr alleine und das Wissen, dass ich ihm nicht zur Last fiel machte es leichter. 

Erschöpft ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und sah zu Josh auf: "Danke!"

"Hör auf dich jedes Mal zu bedanken." sagte er und hob meinen Kinn "Ich mache einen Termin bei dem Doc. Wie sieht es mit deinen Schmerzen aus?"

Ich schüttelte nur den Kopf: "Ich mach den Termin, du kennst ja die Pläne gar nicht, die ich wegen des neuen Jobs habe."

"Alex, deine Pläne sind zweitrangig, wenn du einen Arzttermin hast. Besonders, wenn er so wichtig ist wie der deine." 

"Ich will aber nicht, dass jemand es herausfindet. Ich will nicht das man herausfindet, dass ich noch immer den Splitter in meinem Herzen habe. Ich will das nicht." flehte ich und brach fast in Tränen aus.

"Alex..."

"Josh, bitte! Versprich es mir." flehte ich und legte eine Hand auf seine.

er ließ seinen Kopf fallen und gab nach: "Ist gut, aber du nimmst den nächsten Termin! Keine Verschiebungen!"

Ich nickte schwach: "Und jetzt geh! So weit ich mich erinnere hast du auch einen Job!" 

Er zögerte kurz, aber stand dann auf: "Ich hol dich ab!" meinte er, beugte sich zu mir runter und gab mir einen Kuss auf die Haare "Bis später."


Ein Kampf ums LebenWhere stories live. Discover now