Teil50

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Danach folgte Schweigen. Ben hatte sich wieder zu mir gestellt und eine Hand auf meine Schulter gelegt. Die anderen Jungs sahen immer noch zwischen Brandon und mir hin und her. Stacy schien immer noch nicht ganz zu verstehen, was gerade passiert ist und schien tausend Fragen im Kopf zu haben. 

"Hör zu, ich weiß, dass ich dir weh getan habe, aber ich... ich konnte das nicht!" sagte Brandon und begann ernsthaft zu weinen, wofür er nur ein Schnauben von mir kassierte. 

"Das ist mir so was von egal. Ich konnte es schließlich auch."

"Ich wollte dir wirklich nie weh tun. Ich habe jeden Tag an dich gedacht, was aus dir..."

"Hör auf!" unterbrach ich ihn harsch und Tränen sammelten sich widerwillig in meinen Augen "Hör auf von mir zu sprechen! Du denkst vielleicht jeden Tag an mich, aber ich denke jeden Tag an Mia. Was ist mit dir? Wie oft denkst du an sie? Ich hasse dich nicht nur, weil du mich verlassen hast, sondern weil du sie verlassen hast! Sie war sieben! Sie hat dich gebraucht! Hast du eine Ahnung wie oft sie nach dir gefragt hat? Wie oft ich sie angelogen haben?" eine Träne rannte mir über meine Wangen und benetzte meine Lippen. Der salzige Geschmack brennte sich in meinen Mund ein, während Bens tröstlicher Griff um meine Schulter stärker wurde. "Ich hasse dich!" sagte ich und klang vielleicht nicht stark, aber dafür wenigstens toternst "Ich hasse dich! Ich hasse dich mehr als meinen Onkel, mehr als Jeremy, sogar mehr als den Mann der mich entführt und fast vergewaltigt hat. Und weißt du warum? Weil ich keinen von ihnen geliebt habe! Keiner von ihnen hat versprochen für mich da zu sein, mich zu beschützen. Keiner von ihnen hat mich mit einer sterbenden kleinen Schwester zurückgelassen. Ich mein sogar mein Onkel, ist zu  mir gekommen, als ich sterbend im Krankenhaus lag und du, du hast es nicht einmal geschafft ans verdammte Handy zu gehen! Ich hasse dich! Ich hasse dich dafür, dass du nie da warst. Nicht Mal auf Mias Beerdigung!", ohne das ich es bemerkt habe, habe ich angefangen zu weinen.

Alle schwiegen und ließen das gesagte sacken. Brandon sah beschämt auf den Boden und schien seinen Kopf darüber zu zerbrechen was er als nächstes sagen sollte. Die anderen wagten es nicht etwas zu sagen. Ich denke sie selbst hätten auch keine Idee was. Sie haben momentan nicht wirklich das Recht sich über ihn aufzuregen, da sie mir ja selbst das Herz erst vor ein paar Tagen gebrochen haben.

"Was soll ich machen?" fragte Brandon schließlich und begann ebenfalls zu weinen.

Ich habe meinen großen Bruder noch nie weinen sehen...

"Das was du am Besten kannst! Vergiss mich. Leb dein Leben, ohne mich. Werd glücklich. Oder auch nicht, mir ist es egal. Du hast es acht Jahre geschafft dein Leben zu leben, mach da weiter wo du aufgehört hast!" meinte ich gleichgültig und war glücklich darüber, dass währenddessen meine Tränen versiegten "Aber ich werde nicht mehr um meinen verloren Bruder trauern. Ich habe acht Jahre getrauert. Es reicht. Ich bin müde und erschöpft und will nicht mehr wegen dir Schmerzen haben. Lass mich einfach in Ruhe!", damit drehte ich mich zu Ben und bat ihm mit einem Blick mich von hier weg zu bringen, was er auch tat. Er legte seinen Arm um meine Schulter und führte mich schweigend zu seinem schwarzen Jeep. Liam gab ihm meine Tasche, die ich vorher habe fallen lassen und verabschiedete sich mit einem Kopfnicken, was ich mit einem kleinem zucken meiner Mundwinkel entgegennahm. 

Im Wagen sah mich Ben kurz besorgt an und startete dann den Motor. Schweigend fuhr er los. Ich wusste nicht wohin, aber ich wollte auch nichts sagen. Die Stille im Auto war so angenehm, dass ich sie nicht zerstören wollte. Gedankenverloren ließ ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe fallen und dachte an nichts. 

Schließlich hielt Ben vor einem blühenden Park am Ende der Stadt und stieg aus. Ohne eine Silbe zu verlieren sagte er mir, dass er mich an einen schönen und sicheren Ort bringt. Er hielt sein unausgesprochenes Versprechen, so wie immer. Er führte mich in ein kleines, schönes Cafe, welches nahe an einem Teich lag. Es besaß eine Plattform auf dem Wasser, wo wir uns niederließen. Wir setzten uns auf eine gemütliche Bank und sagten eine halbe Stunde nichts. Wir genossen nur die Ruhe und das friedliche Zusammenspiel.

"Ich bin da!" durchbrach er schließlich das Schweigen.

Diese drei Worte waren seine Art zu sagen, ich weiß, dass es dir schlecht geht, deshalb frage ich nicht wie es dir geht. Aber diese drei Worte bedeuten auch, dass ich ihm erzählen soll was alles passiert ist und natürlich auch, dass er für mich da ist. Also begann ich zu erzählen. Von jedem meiner Probleme. Er wusste schon das mein Onkel mich mit Jen und Tante Meura erspresst und das mein Herz von einem Splitter bedroht wird, aber der Rest war neu.

Ich erzählte ihm von Tante Meura, der es immer schlechter geht. Jen und ihr Vater, wie sie umziehen werde, weil Jen nach Yale will und sie glauben, dass es ihrer Mutter auch guttun würde. Was wahrscheinlich auch stimmte. Hier erinnerte sie nur alles an Joe. Dann erzählte ich Ben von Cole und den Jungs, wie sie mir in den Rücken gefallen sind. Wie Liam, Jack und Kate mir verheimlichten, dass Jeremy aus dem Gefängnis entkommen ist. Wie mein Onkel mich erpresste Paul eine Rede zu schreiben und ihm Glück zu wünschen. Wie mein Bruder hier ankam und mich nicht erkannte. Und schließlich auch wie Dr. Rose der Meinung war, dass sie bald nichts mehr für mich tun könnte. Ben hörte mir geduldig zu und nickte. Manchmal wischte er mir auch ein paar Tränen weg.

"Ich kann einfach nicht mehr!" weinte ich "Ich habe versucht stark zu sein, aber ich kann einfach nicht mehr. Es ist zu viel. Ich will nicht mehr kämpfen. Kann ich nicht aufgeben? Nur dieses eine Mal? Ich bin so müde. Ich habe das Gefühl zu ersticken und nur noch aus Schmerz zu bestehen."

Ben nahm mich in den Arm und drückte mich tröstlich an sich: "Du musst nicht mehr lange durchhalten." versprach er und löste sich dann von mir, um mich entschlossen anzusehen "Wir müssen als erstes deinen Onkel in den Griff kriegen, dann ziehst du sofort aus. Ich kümmere mich um Jeremy. Er wird dich nie wieder verletzen." 

"Und wie sollen wir das machen? Ist ja nicht so, als ob man das mal eben machen kann!"

"Nein, dass will dich nur dein Onkel glauben lassen!"

Ich runzelte die Stirn. Habe ich was verpasst? Mein Onkel bedroht mich! 

"Was ist deinem Onkel das Wichtigste? Warum hat er dich adoptiert?" versuchte mir Ben auf die Sprünge zu helfen.

"Um seinen Freund zu schützen und... damit die Öffentlichkeit nicht erfährt mit was für einem Schwein er befreundet ist." sagte ich und Ben begann leicht zu lächeln. Dann machte es auch bei mir klick.

"Das ist eine blöde Idee!" meinte ich sofort "Selbst wenn ich damit zur Öffentlichkeit gehen würde, würde das erstens niemand glauben, zweitens könnte er immer noch Tante Meura und Jen schaden und drittens hat er überall seine Spione. Wenn ich damit zur Presse oder so gehen würde, würden seine Beobachter das vorher unterdrücken."

"Du sollst damit ja auch nicht zur Öffentlichkeit, sondern das nur androhen."

"Und womit? Ich habe keinerlei Beweise!"

Wieder begann Ben zu lächeln, aber dieses Lächeln mochte ich noch nie. Es war diese Art von Lächeln: ich habe einen Plan den du ganz sicher hassen wirst. "Geh zu deinem Onkel und nimm ein Geständniss von all seinen Taten auf!"

Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf: "Hast du sie noch alle!" zischte ich ihn an und beugte mich zu ihm rüber "Der wird mich vorher noch umbringen und überhaupt, wie sollte ich das anstellen?"

Ben zuckte nur unbeteilligt mit den Schultern: "Du hast es bis hierher geschafft, dass bisschen schaffst du auch noch!" 

Mit offenem Mund starrte ich ihn an. Das meint er doch nicht ernst oder? Ich habe ihn gerufen, weil ich genau das nicht mehr kann! Ich kann es nicht mehr schaffen. Ben schien zu verstehen, denn er nahm mich wieder in den Arm: "Es tut mir leid, Alex. Alles! Aber du musst noch einen weiteren Schritt gehen, einen. Doch dieses Mal nicht alleine. Ich kann dir jetzt nur helfen, aber ich verspreche dir" er ging wieder auf etwas Abstand und nahm mein Gesicht sanft in die Hände, um mir in die Augen zu sehen "danach wirst du so etwas nie wieder durchmachen."

Eine Weile sah ich ihm nur unsicher in die Augen. Was wenn das nach hinten losgeht? Wenn Marcus das erfährt bringt er mich um! Aber wenn es funktioniert wäre ich frei und die die ich liebe wären in Sicherheit. Außerdem bin ich eh schon so gut wie tot. 

Ich nickte: "Gut und wie soll ich das anstellen?"

Damit löste er sich ganz von mir und stand auf, um sich zum gehen zuzuwenden: "Keine Ahnung!", damit drehte er sich um und ging.

Was? "Und was machst du dann? Wo gehst du hin?" rief ich ihm hinterher, woraufhin er sich um drehte und mich auf seine typische Art anlächelte.

"Ich kümmere mich um deine anderen Probleme." sagte er und ließ mich verwirrt und alleine zurück.

Ein Kampf ums LebenWhere stories live. Discover now