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SANTINO

Ich weiß nicht, ob du die Wahrheit von dem, was du bei mir erbittest, wirklich hören willst, Lillian. Ob du für die Lügen und Intrigen bereit bist, die entlarvt werden, wenn ich der Sache nachgehe. Ob du dir darüber im Klaren bist, das es Menschen gibt, die nicht wollen, das andere zu tief ihre Nase in ihre Angelegenheiten stecken. Besonders die, die sie nichts angehen. Die, die dich in Schwierigkeiten bringen könnten...
Ich bin sehr überrascht gewesen, als ich die Unterlagen im Umschlag identifiziert hatte. Eine paar Ortsdaten und eine Adoptionsvereinbarung zwischen Mr und Mrs Jones und einer Agentur in Großbritannien. Auch ohne direkt nachzufragen, weiß ich, was sie von mir verlangt. Du willst das ich deine Eltern finde, mia Bella. Aber was, wenn ihr das Ergebnis nicht gefällt? Ihre biologischen Eltern werden sie nicht ohne Grund zur Adoption freigegeben haben. Wenn sie nichts mit ihr zutun haben wollen, wird ihr dass das Herz brechen, was mir im Grunde genommen egal sein kann. Ich werde den Auftrag erfüllen, auch wenn es nicht leicht sein wird.
Bereits heute Nacht, nach unserer kleinen Pokerrunde habe ich mich daran gesetzt, erste Infos zu bekommen. Die Adoptionsagentur in London konnte mir allerdings keine Auskünfte geben, wegen Datenschutz. Ich muss einen Antrag stellen, was ich auch bereits erledigt habe. Wenn sie mir dann noch immer nichts sagen wollen, werde ich einen anderen Weg einschlagen. Ich habe genügend Kontakte in London, die mir etwas schulden und auch so meiner Familie treu ergeben sind. Die halbe Unterwelt würde ihr letztes Hemd für uns geben. Über Jahrzehnte, hat meine Familie dort Fuß gefasst, obwohl wir so weit voneinander entfernt leben.

Die Infos die Lillian mir gab, sind wahrlich nicht annähernd ausreichend. Im Grunde genommen weiß sie nur, das sie von dieser Agentur aus vermittelt wurde. Es weder eine biologische Mutter, noch ein Vater auf dem Formular aus der Agentur, nur die Jones. Noch dazu lag eine zart goldene Kette im Umschlag, die mit einem runden grün schwarzen Anhänger im Karomuster versehen ist. Egal wie oft ich das Schmuckstück in meinem Fingern drehe, ich finde weder Prägung noch Widmung, nicht einmal ein Hersteller ist darauf vermerkt. Nur ein einziges Datum wurde in die Rückseite des Anhängers geritzt - 12. Januar 1985
Aber ohne weitere Infos zu haben, ist diese Jahreszahl wertlos und ohne Bedeutung.
Verzweifelt reibe ich meinen Daumen über das goldene Stück und lasse sie zurück im Umschlag verschwinden. Lillian hat mir nicht verraten, ob sie etwas über diese Kette weiß. Vielleicht sollte ich sie beim Frühstück fragen.

Kyle brachte sie gestern auf meine Anweisung hin, in eine der Gästezimmer im Haus über dem Restaurant. Ich selbst bin zurück nachhause gelehrt, direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Aus meinem Zimmer hatte ich einen perfekten Ausblick auf ihres. Die Lampe neben dem groß Bett brannte und sie starrte gedankenverloren hinter den dicken Vorhängen hervor. Ich bin mir sicher, dass sie mich nicht entdeckt hat, es war zu dunkel in den Räumen. Zehn Minuten sind vergangen ehe sie die schweren Stoffbahnen der Vorhänge zuzog und ich mich abwendete. Lillian bringt mich zum grübeln. Je länger ich über sie nachdenke, desto schlimmer wird das verlangen, in ihren Kopf schauen zu wollen. Auf der einen Seite kann ich sie lesen wie ein Buch, auf der anderen ist sie verschlossenen wie eine alte Truhe, dessen Schloss bereits nicht mehr knackbar ist. Ich werde nicht schlau aus der Brünetten und das frustriert mich ungemein.

Ich muss mir überraschen feststellen, das sie bereits an einem der hinteren Tische im Restaurant sitzt, als ich kurz nach neun eintrete und mich von Kelly hinführen lasse. In der abgelegenen Ecke gleich am Flur stört uns niemand. Sie hat das Gesicht in die Hände gestützt und blickt gedankenverloren in die dampfende Tasse Kaffee hinab, die vor ihr auf dem Tisch steht.
»Guten Morgen«, mache ich auf mich aufmerksam und lege meine Autoschlüssel auf der Platte ab. Lillians Kopf schreckt auf und sie streicht sich ertappt die Haare glatt. »Morgen«, nuschelt sie mit Schlaf belegter Stimme. Mit gehobenen Brauen falle ich gegenüber von ihr auf das Leder der Eckbank und mustere sie. Sie wirkt tatsächlich noch müde. Ob sie nicht schlafen konnte?
»Kein Auge zu bekommen?«, erkundige ich mich und bestelle mir nebenbei ebenfalls einen Kaffee bei Kelly, die uns nickend allein lässt. »Doch«, nuschelt Lillian erschöpft.
»Aber?«, hake ich nach.
»Ich bin immer wieder aufgewacht, weil ich dachte, das die Krawalle vielleicht auch hier hin kommen. Der erste Stock ist nicht so gut wie der siebte«, erklärt sie mir und das klingt tatsächlich plausibel. Die Kaffeetasse entgegennehmend stoße ich jegliche Luft aus meinen Lungen. Das hat sie also die ganze Nacht lang geplagt? »Die Vallians kommen nicht hier her, das trauen sie sich nicht. Meine Familie sorgt dafür, dass die Menschen in Litte Italy sicher vor den Kämpfen sind«, erkläre ich ihr. Erleichterung überkommt sie nicht. Stattdessen schaut sie erschöpft auf und ich entdecke die feinen Augenringe, die sich unter ihren Augen abzeichnen. Sie schaut wirklich nicht gut aus.
»Du solltest noch einen Kaffee bestellen«, schlage ich skeptisch vor und bringe sie tatsächlich etwas zum schmunzeln. »Sag doch einfach, wie scheiße ich aussehe.«
»Wenn du das willst, dann-«
»Das war nur so gesagt, Santino, ich will es nicht wirklich hören. Ich habe Augen im Kopf.«
Die Weise wie sie meinen Namen ausspricht, lässt mich die Stirn runzeln. Er klingt anders aus ihrem Mund. Undeutbar Anders...
»Also«, lenke ich ab und hasche nach der Ledergebundenen Karte des Restaurants. Ich kenne sie in und auswendig, lasse es mir trotzdem nicht nehmen einen Blick auf die vielen Speisen zu werfen. Mit der linken Hand winke ich Kelly herbei.
»Darf ich ihnen schon etwas bringen?«, erkundigt sie sich höflich und schaut zwischen uns her. Meine Augen legen sich auf Lillian, die gedankenverloren in ihrem Kaffee rührt. »Mhm, ja. Bring uns noch einen Kaffee, einen Teller Cannoli und ein bisschen von allem«, bestelle ich. Zum Glück weiß sie sofort, was ich meine. Kelly nickt, notiert sich unsere Wünsche auf ihrem Notizblock und verschwindet geräuschlos in Richtung Küche. Etwas später, nachdem sie Lillian noch einen Kaffee vor die Nase gesetzt hat, Falte ich meine Hände auf der braunen Tischplatte und mustere die Büroangestellte ungeniert. Sie schenkt mir ohnehin keine Beachtung.

»Ich habe einige Nachforschungen bezüglich deiner Bitte angestellt. Ein bisschen meine Kontakte spielen lassen«, verkünde ich und erhasche so tatsächlich ihre Aufmerksamkeit zurück. »Ach ja?«, murmelt sie und richtet sich auf, strafft die Schultern und leert die erste Tasse des heißen Getränks. »Ja«, bestätige ich nickend, »Informationen habe ich allerdings noch keine. Sicher, dass du nicht noch eine Fährte für mich hast? Etwas, dass mich deinem Ziel näherbringen könnte?«, frage ich und werde zum Ende hin immer leider, da die Bedienung zurückkehrt. Kelly stellt einige Teller zwischen uns ab mit Wurst, Käse, Trauben, Gemüse und Obst. Warme Waffeln und Rühreier, Marmelade und Gebäckstücke. Ich schnappe mir eine Traube ehe sie wieder verschwunden ist.
Lillian schaut ihr nach.
»Mhm, es gibt nichts, dass ich von ihnen besitze.«
»Und die Kette?«
Sie schnappt sich ebenfalls eine Traube und lehnt sich zurück. »Ich spekuliere, dass sie von meiner biologischen Mutter ist, genaueres weiß ich jedoch nicht. Meine Mutter sagte, dass ich sie bei mir trug, als sie mich adoptierten. Sie lag jahrelang in einer Schatulle, weil ich nicht weiß, was es bedeuten soll. Das Muster und Datum auf der Rückseite...«, sagt sie und trinkt einen Schluck, »es könnte für alles stehen.«
Nickend schiebe ich mir einen Happen Rührei in den Mund und lege die Gabel beiseite. Mit ihren Worten hat sie nicht unrecht. Die Daten könnten für jede x-beliebige Sache stehen.

»Denkst du, dass die Wahrheit überhaupt ans Licht kommt? Vielleicht ist das nur ein sinnloser Versuch-«
Schnaubend durchschneide ich ihren Redeschwall und schnalze missbilligend mit der Zunge. »Wenn du nicht selbst daran glaubst, tut es niemand«, mache ich ihr ernst klar und lange über die Tischplatte, um mir eine Scheibe Käse von dem Teller vor ihr zu stibitzen. Egal ob ich oder andere daran glauben, es geht um sie. Um ihr Leben. Um ihren Willen, ihre biologischen Eltern zu finden. Wenn nichtmal Lillian daran glauben mag, wer dann?
»Ich werde diesen Auftrag zu Ende bringen«, verspreche ich ihr eindringlich, als ich ihren skeptischen Gesichtsausdruck bemerke. Das Kinn in die Hand gestüzt, nickt sie zaghaft und bedient sich endlich am Frühstück. »Danke«, murmelt sie mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen, und es scheint das erste ehrliche zu sein, dass ich in meinem Leben sehe. Schmunzelnd lehne ich mich zurück, kaue auf einem Stück Brötchen und beobachte sie heimlich beim Essen. Sie schlingt ihre Mahlzeit herein wie ein ausgehungertes Raubtier.
Je länger ich sie anschaue, desto mehr spüre ich dieses prickeln in meinem inneren. Ich muss unweigerlich an gestern denken - wie sie auf meinen Beinen saß, auf meinem Schoß. Wie ihr Arsch gegen meine Hose rieb und sie immer enger wurde. Allein bei dem Gedanken daran, richtet sich mein kleiner Freund auf. Ich kann es nicht verhindern. Lillian ist eine neue Erfahrung für mich. In einigen Momenten ist sie sanftmütig, in der anderen gibt sie mir Widerworte. Im Moment mag sie ein Kätzchen mit gestutzten Krallen sein, aber wenn diese nachwachsen, wird sie die auch einsetzen. Schmutzige, falsche Gedanken fluten mein Gehirn. Egal wie sehr ich sie verbannen will, schaffen tue ich es nicht. Es ist falsch so zu denken, weil sie mich um einen Gefallen gebeten hat, doch nichtmal sie kann die Anziehung leugnen, die gestern zwischen uns herrschte, als wir uns so nah waren.
Wie sie sich wohl im Bett macht?

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now