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LILLIAN

Alles tut mir weh. Es fühlt sich an, als fehlt mir etwas in meinem Bauch, was es auch tut. Ich fühle mich leer von innen, vor allem emotional. Ich kann nicht weinen oder lachen, sondern ziehe den ganzen Tag dasselbe Gesicht. Ich bin müde - so müde, dass ich immer wieder einschlafe, auch wenn Santino bei mir ist. Die Schwestern versuchen mich aufzusetzen, aber der stechende Schmerz in meinem inneren lähmt mich fast. Es dauert ganze zwei Tage, bis ich mich an die Bettkante setzen kann. Bis zur Toilette schaffe ich es erst nach drei, und dass auch nur mit Hilfe. Ich fühle mich wie eine alte Oma. Es ist mir unangenehm mich nicht so bewegen zu können, wie ich es gern hätte. Dass nichts so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Oft finde ich mich in Situationen wieder, in denen ich nur vor mich hinstarre und die Zeit vergesse. Seit ich wieder wach bin, fühle ich mich ständig ausgelaugt, finde keine Motivation mehr für nichts. Die Schwestern sagen, dass es die Medikamente sind, aber da bin ich mir nicht sicher.
Tagtäglich tauschen sie unzählige Infusionen aus, die verhindern sollen, dass ich eine Sepsis erleide, und die Schmerzen lindern sollen. Unmengen an Antibiotika, Schmerzmitteln und Beruhigungsmitteln, da mein Herz immer wieder aus der Reihe tanzt. Ich fühle mich schrecklich. Nicht nur weil ich hier liege, sondern auch weil ich nichts mehr zur Suche meiner Eltern beitragen kann. Santino äußert sich nicht dazu, aber vermutlich will er mich nicht damit belasten.
Sechs Tage nach meinem Aufwachen wurde ich entlassen. Santino hat mich heute Morgen abgeholt und wir sind zurück ins Hotel unterwegs. Es war auch das erste Mal, dass ich meinen Eltern Bescheid geben konnte, dass ich noch etwas länger in London bleibe. Ich will ihnen nicht übers Telefon erzählen, was passiert ist, sondern wenn ich wieder zuhause bin und ihnen ins Gesicht sehen kann. Ich weiß, wie viel Sorgen Mom sich machen würde.

Im Parkhaus des McLeod Hotels ist es wie ausgestorben, als ich aus der schwarzen Limousine steige. Santino hat mir geholfen und lässt mich bei sich unterhaken, auf dem Weg zum Fahrstuhl. »Hey Lillian«, begrüßt uns Kyle, der gerade um eine Ecke kommt. »Kyle! Schön dich zu sehen«, lächle ich ihm entgegen. Er zieht mich behutsam in eine Umarmung und tätschelt meinen Rücken. »Bitte, ich bin nicht aus Zucker«, lache ich leise gegen seine Schulter und verdeutliche ihm das, indem ich meine Arme fest um ihn schlinge. Er lacht rau. »Schon verstanden, pass nur auf das Santino nicht eifersüchtig wird«, raunt er mir ins Ohr und lacht über den Blick seines besten Freundes. Mit schüttelndem Kopf schaue ich zwischen den beiden her und hake mich wieder bei dem Italiener unter. »Sehen wir uns später?«, frage ich und der Schotte nickt. »Natürlich, aber ich muss noch ein paar Sachen erledigen. Bis später«, verabschiedet er sich und verschwindet. Ich mag ihn sehr, Kyle ist ein lieber, auch wenn er nicht so ausschaut.

Wir fahren mit dem Aufzug direkt in die Suite, in der wir bleiben. Mein Magen dreht sich, als ich daran denken muss, dass hier alles passiert ist. Wir machen die ersten Schritte aus dem Aufzug, biegen ins Wohnzimmer ab und ich kann nicht anders als innezuhalten, als ich den Teppich vor der Türschwelle zum Schlafzimmer sehe. Nichts deutet darauf hin, dass ich fast mein halbes Blut auf diesem Teppich losgeworden bin. Er glänzt schneeweiß wie immer und ich frage mich ehrlich, ob es noch derselbe ist. Auch das Bett im Schlafzimmer ist frisch gemacht und als Santino mir die Decke zurückschlägt, entdecke ich keine roten Lachen. »James hat uns eine neue Matratze bringen lassen und das Bett wurde heute Morgen nochmal frisch bezogen. Ich bin sichergegangen, dass alles-«
»Danke«, unterbreche ich Santino und schaue zu ihm auf. »Du bist in den letzten Tagen sehr nachsichtig und führsorglich mit mir gewesen, dass weiß ich zu schätzen. Aber auch du musst mich nicht in Watte packen, okay? Ich bin ... ich bin okay. Der Doktor hat gesagt meine Narben verheilen gut und ich darf alles machen, was ich möchte, außer schwer heben und Baden«, erinnere ich ihn. Ich kann in seinen Onyxfarbenen Augen erkennen, wie schuldig er sich noch immer fühlt. Es ist falsch, und dass weiß er. Santino kann nichts dafür, überhaupt nichts. Genauso wenig wie ich. Niemand hätte es verhindern können und dem muss er sich langsam bewusstwerden. Es ist eine natürliche Sache, die passiert. Dass es uns getroffen hat, war Schicksal.
»Ich will nur dass du alles hast, was du brauchst. Ist das falsch?«
»Ist es nicht, aber ich komme klar. Du kannst arbeiten, wenn du willst, es stört mich nicht. Die Schmerzmittel, die ich bekomme, könnten einen Elefanten umhauen«, gähne ich und halte mir meine Hand vor die Lippen. Nun zuckt ein Lächeln über seine Lippen. Er nimmt meine Hände und hilft mir aufs Bett, zieht mir die Schuhe aus und nimmt meine Beine, die er unter die Decke steckt. Anschließend legt er die dicken Laken über mich und schaut zu wie ich mich langsam auf die Seite drehe. »Geh schon«, scheuche ich ihn und er hält noch einen Moment inne, bevor er nickt und geht. »Ich bin nebenan, mia bella.«
»Mhm«, murmle ich müde und meine Augen fallen direkt zu.

Mafia King | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt