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LILLIAN

Zurückhaltend gehe ich auf seine Worte ein und schwinge mich nach einem Moment des Zweifelns in den düsteren Innenraum des schwarzen Autos. Es riecht nach Zedern, Minze und feuchtem Nadelwald. Selbst ohne dass Licht anzuschalten weiß ich, wer da neben mir sitzt und den Arm an der Tür abgelehnt hat. »Santino«, begrüße ich ihn räuspernd und versuche so selbstbewusst und gefasst wie möglich zu klingen, doch meine Stimme zittert ein wenig. »Schön dich zu sehen«, spricht er leise, mit rauer Stimme in die Stille hinein, die zwischen uns entstanden ist. Seine Worte klingen erschreckend ehrlich. Die schwarze Trennwand zum Fahrer ist hochgefahren und wir sind ganz ungestört. Kyle setzt den Wagen in Bewegung und biegt kurz darauf auf eine der Avenues ab. »Was verschafft mir die Ehre?«, möchte ich wissen und umklammere meine Tasche auf meinem Schoß nervös. Mein Herz pocht im Galopp und hätte ich nicht so viel gegessen, wäre mir jetzt auch nicht so schlecht.
Die Straßenlaternen erhellen für wenige Sekunden im vorbeifahren sein Gesicht, in dem ich nichts lesen kann. Keine Emotion, keine Gefühle, nichts. Es macht es umso schwerer, die Situation einzuschätzen. Ihn einzuschätzen.
»Wie erging es dir die letzten Wochen?«, lenkt er von meinen Worten ab und beugt sich nach vorn, um eine kleine Flasche Wasser aus der Dunkelheit zu ziehen, die er mir reicht. Still nehme ich sie ihm ab und schiebe meine Tasche in den Fußraum. »Okay... denke ich. Wie ging es dir? Die Vallians, seid ihr immer noch verstritten?«
Er schnaubt. »Verstritten, ist die maßloseste Untertreibung des Jahrhunderts. Aber ja, sind wir wohl. Verfolgst du keine Nachrichten?«
Ehrlich schüttle ich den Kopf und trinke einen Schluck Sprudelwasser. »In den letzten Wochen hatte ich viel zu tun und hatte keine freie Minute, um Nachrichten zu sehen.«
»Und mit deiner Recherche?«
Im Dunkeln betrachte ich ihn von der Seite und fühle mich ertappt, als er sein Gesicht in meine Richtung dreht. Auch wenn er mich nicht sehen kann - zumindest hoffe ich das - erröten meine Wangen. Mein Herz klopft ganz wild und ich fühle mich merkwürdig, wenn er mich solange ansieht. Alles kribbelt und wird warm.

»Kannst du dir nicht denken, wie es verlief? Ich habe nichts herausgefunden, rein gar nichts...«, gestehe ich frustriert und versenke die Glasflasche in der dafür vorgesehenen Halterung an der Tür. Der Italiener mit dem maßgeschneiderten Anzug dreht sich mir mit dem Oberkörper zu und als wir an einer Ampel halten, erkenne ich endlich seine weichen Züge im Lichtkegel der Laterne. Sein Gesicht ist tatsächlich entspannt und er wirkt nicht halb so genervt oder streng, wie ich es mir ausgemahlt hatte. Ja, nichtmal sauer wirkt er auf mich. Um seinen Hals baumelt die Kette die einst um meinen hing und ganz unbewusst lege ich meine Finger über die Stelle meines Herzens, über der der Anhänger lag. »Wieso bist du vor dem Restaurant gewesen? Stalkst du mich?«
Er lächelt den Kopf senkend und schüttelt ihn. »Nein, das habe ich gewiss nicht nötig. Aber das NYPD hat ein Auge auf dich geworfen und vor deinem Apartment steht Sherry Mitchell, die nur darauf wartet, bis Du nachhause kommst«, erklärt er und mein Magen wird ganz schwer, als wäre die köstliche Pasta ein großer Stein gewesen, der mich in die Tiefe zieht. Diese Polizistin ist zurück vor meinem Apartment? Sie sagte, dass sie zurückkehren würde und dann etwas gegen mich in der Hand hätte. Hat sie das nun? Dabei habe ich mir nichts zu schulden kommen lassen, rein gar nichts. Ich verstehe nicht, was sie noch von mir will. Sie mag denken, über mich an die Benellis ranzukommen, aber da irrt sie sich gewaltig.
»Woher weißt du das?«, will ich misstrauisch von Santino wissen. Überwacht auch er mich? Er sagt zwar, er hätte es nicht nötig, aber woher will er es sonst wissen?
»Wir haben überall Augen und Ohren, hast du das vergessen? Außerdem war mein Vater etwas ... besorgt ... nachdem ich ihm von Mrs Mitchells Besuch erzählt hatte. Er hat einen Wachmann auf die andere Straßenseite deines Apartments stellen lassen, der dich observiert hat. Aber ich war es nicht«, erklärt er mir ehrlich und ich schnaube. Heimlich die Augen verdrehend rutsche ich im Sitz herum und verschränke die Arme vor der Brust. Es ist ein Schutzmechanismus, der ihm zeigen soll, wie ich dazu stehe. Einfach jemanden vor meine Wohnung zu stellen, pff. »Also hast du mich doch überwacht«, brumme ich angesäuert und Santino stöhnt genervt. »Es war mein Vater«, korrigiert er mich schnippisch und schnalzt mit der Zunge, dies tut er immer, wenn ihm etwas missfällt. Es ist eine blöde Angewohnheit.
»Trotzdem ist das keine Entschuldigung!«
»Es soll auch keine sein, Lillian«, herrscht er mich an, »ich wollte nur nett sein und dich davor bewahren.«
»Falsch«, zische ich, »du willst sichergehen, dass ich nicht doch den Mund aufmache und etwas gegen euch sage, nur deswegen bist du hier, oder? Nur um sicherzustellen, dass ich nicht rede.«

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now