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SANTINO

Ich weiß nicht, wie mein Vater mich doch zu diesem Zigarillo überreden konnte. Er ist nicht übel, und einstig ein Zeitvertreib während des Gespräches, das wir führen. Natürlich sind Julian und seine Bande Thema Nummer eins und langsam habe ich es satt, mich über diese Schwachmaten zu unterhalten.
»Einer meiner Spitzel hat mir gesteckt, dass Julian wohl einen gezielten Angriff auf uns plant«, offenbart Cedar mir endlich nach zwei Drinks und drei Zigarillos. Das ist es, was ihn den ganzen Tag so beunruhigt hat? Zunge schnalzend Asche ich auf dem kleinen Schiefertablett ab und führe mir den glühenden Zigarillo zurück an meine Lippen. »Und hat dein Spitzel auch verraten, wie genau der aussehen soll?«
Mein Vater lehnt sich bedrückt in seinem Sessel zurück und atmet durch. Das schenkt ihm etwas Zeit zum Nachdenken, bevor er antwortet. »Er wusste nichts Genaueres, aber wir sollten trotzdem vorsichtig sein. Was ist mit der kleinen Amerikanerin, die letztens hier war? Kannst du von der sicher sagen, dass sie kein Spitzel für Julian ist? Vielleicht ist sie hier, um uns auszukundschaften«, mutmaßt mein Vater und ich schnaube auf. »Das ist vollkommen lächerlich. Wenn ich dich daran erinnern darf, ist es meine Schuld gewesen, dass wir uns überhaupt über den Weg gelaufen sind.«
»Und wenn sie singt?«
»Das wird sie nicht«, knirsche ich verbissen, »sie weiß, was für sie auf dem Spiel steht, und wird nichts dummes wagen!«
Skeptisch hebt mein Vater seine Brauen und meine linke Hand ziehe sich zu einer Faust zusammen. Ich weiß nicht recht, wieso der Gedanke mich so sauer macht, dass er Lillian für einen Spitzel hält. Aber es macht mich rasend vor Wut.
»Was tut sie eigentlich noch hier? Ich habe sie im Aufzug gesehen, als ihr in deine Wohnung gefahren seid«, spricht er misstrauisch und zieht kräftig an der schlechten Angewohnheit in seinen Fingern. »Ich erledige einen Auftrag für ihr, als kleine Revanche, dass sie mir das Leben gerettet hat«, erkläre ich und mein Vater rümpft seine Nase. »Ein Benelli begleicht stets seine Schulden, hm?«, zitiert er unseren uralten Spruch, der auf dem Siegelring an meinem Finger prangt. Ein jeder Benelli trägt so einen und es ist eine Ehre für mich, dies auch zu tun. »Ich habe alle Verantwortung auf mich gezogen, dass weißt du Vater. Falls du was sagen willst, dann tue es. Ich hafte sowieso für sie«, erinnere ich ihn an unser Gespräch vor einigen Wochen. Denkt er, das habe ich vergessen? Sicher nicht.
»Du solltest sie dir eh aus dem Kopf schlagen, sie ist keine Italienerin«, erinnert mich mein Vater abermals. Gott ist das nervig. »Jaja«, murre ich genervt und schenke mir Schnaps nach, »die Blutlinie muss rein bleiben«, äffe ich ihn nach und kassiere dafür einen missgünstigen Blick. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Um unsere Stellung zu halten, hat meine Familie sich einige Regeln über die Jahre angeeignet, die sie noch heute wie einen Kodex vertritt. Die wirklich wichtigste - okay zweitwichtigste - Regel lautet; heirate nur italienisches Blut. Dass hat nicht nur zur Folge, dass wir uns so lang an der Spitze der italienischen Mafia halten konnten, sondern auch nie den Bezug zu unseren Wurzeln verloren. Mein Vater heiratete meine Mutter, weil ihre Eltern es so wollten. Es war arrangiert und nichts davon hatte mit Liebe zu tun. Dieses Bündnis trieb sie in den Tod. Sie sah keinen anderen Ausweg mehr, als zu sterben, und wollte mich ebenfalls von diesem Leid erlösen. Cedar konnte es verhindern und mich retten, doch noch heute wünsche ich mir, dass er Sie gerettet hätte. Meine Mutter ist der Grund, wieso ich nie etwas für diese Tradition abgewinnen kann. Cedar hat schon so oft versucht, mich zu verheirateten und es nach acht erfolglosen Jahren aufgegeben, seitdem belangt er mich nicht mehr damit, und ich hoffe sehr, dass es auch dabeibleibt.

»Was denkst du was die Vallians planen? Sie wollen mich, oder?«, lenke ich zurück auf das eigentliche Thema. Mein Vater mahlt auf seinem Unterkiefer und blickt mürrisch auf den Pokertisch zwischen uns, an dem wir nachher noch eine Runde spielen wollen. Im Séparée der Pizzeria lässt sich gut über Geschäfte reden, da wir ungestört sind und immer Drinks haben. Zumal mein Magen mit jeder Stunde hungriger klingt.
»Sie wollen uns beide, fragt sich nur, wegen wem sie zuerst kommen. Immerhin steht die Suche nach dem Mörder seines Sohnes an erster Stelle bei ihm.«
Mein Vater hat recht, aber Julian Vallian wird nicht aufgeben, bis er ihn gefunden hat. »Er wird ihn nie bekommen«, verspreche ich und mein Vater nickt anerkennend. »Ganz mein Sohn.«

Man könnte meinen, dass mir bei seinen Worten warm ums Herz werden würde, doch dies ist nicht der Fall. Es klopft wie gehabt und regt sich nicht sonderlich ungewöhnlicher. Cedar und ich habe eine verkorkste Beziehung. Er hat zwar versucht meine Kindheit so gut wie möglich zu gestalten, aber es hilft alles nichts, wenn man sieht, wie sich die eigene Mutter das Leben nimmt. Die Jahre darauf ertrank Cedar sein Schuldgefühl in Alkohol. Kummer konnte man das nicht bezeichnen. Die beiden waren noch als sie lebte, nichts mehr als Bekannte füreinander. Mein Vater hatte schon früh Spaß mit anderen Weibern und meine Mutter blieb bei mir, um sich zu kümmern. Nach ihrem Tod waren es Nannies, die mich getröstet haben. Nicht mein Vater, sondern fremde. Es mag einer der Gründe sein, wieso ich so bin wie ich bin. Kalt, herzlos, an nicht mehr als einem warmen Bett für eine Nacht interessiert. Es wurde mir nicht anders vorgelebt. Trotzdem schaffe ich es nicht, Cedar zu hassen, egal wie oft ich mir das einbläuen will. Er ist immerhin noch mein Vater und wir teilen uns das gleiche Blut. Am Ende war er wie meine Mutter ein Opfer dieser Ehe, sie beide haben dies nur unterschiedlich verdaut, und ich glaube, tief in seinem Herzen trauerte er ebenfalls ein bisschen um sie, allein meinetwegen.

»Wir sollten trotzdem die Wachposten verstärken und besser auf das Viertel achtgeben. Nur für den Fall natürlich«, unterbreite ich und mein Vater nickt tatsächlich zustimmend. »Vielleicht ist das besser. Kyle soll das Weiterleiten und alle in Stellung bringen. Setzt vier getarnt als Gäste an die Fenster der Pizzeria, nur für den Fall«, weist mein Vater an und deutet mit der Hand auf die Tür hinter mich. Neben ihr im Schatten lehnt Kyle und hat jedes Wort mitgeschnitten. Es braucht nicht viele Worte und er versteht, dass mein Vater möchte das er nun geht. Er schlüpft aus dem Raum in den Flur des Restaurants und als die Tür hinter ihm sanft ins Schloss gleitet, lehnt mein Vater sich erschöpft im Sessel zurücklehnt. Er greift unter den Tisch und keine Minute später schneit Kelly durch die Tür. Wie immer übermäßig freundlich, wie immer in ihrem Kellnerin Kostüm. »Was darf ich ihnen bringen?«, erkundigt sie sich und mein Vater beginnt mit grinsen. Gott, das kann nichts Gutes heißen. »Besorg uns zur Feier des Tages ein paar Mädels und hol die Jungs nach hinten«, befiehlt er und mir wird ganz übel bei dem Gedanken. Nutten, er will sich jetzt Nutten holen?

~

Stunden später ist mein Magen noch immer nicht mit Essen, sondern nur mit flüssigem gefüllt. Ich lehne breitbeinig auf dem Sofa in der hinteren Ecke des Séparées, während vorne Poker gespielt wird. Eine kleine Mexikanerin tanzt vor mir herum und schwingt ihren Arsch im Takt der Musik, doch mich könnte ihre Anwesenheit nicht weniger kümmern. Gelangweilt nippe ich an meiner Bierflasche, werfe ihr ab und zu ein paar Blicke zu und sitze nur zuschauend da und beobachte das Geschehen um mich. Heute bin ich nicht in der richtigen Laune. Das von heute Mittag in meinem Arbeitszimmer kann sowieso keiner von diesen billigen Huren toppen. Ich entdecke Kyo im Schatten der Lichter auf dem Schoß von Giovanni sitzen. Er hat seine Hand in ihre knappe Hose geschoben und sie massiert seinen Schwanz in aller Seelenruhe. Gelangweilt wende ich auch dort meinen Blick ab, denn bei den anderen sieht es nicht anders aus. Zehn Nutten, einige auf den Oberschenkeln der Männer, die anderen knien auf dem Boden. Eine blondierte Hure sitzt auf dem Schoß meines Vaters und kichert dämlich. Gott, der würde ich am liebsten die Flasche in den Hals rammen. Sie hält ihm seine Brüste ja förmlich ins Gesicht und ihr Blick ist so arrogant und selbstgefällig, dass mir ein angewiderter Schauer über den Rücken läuft. Und er betatscht sie, als wäre sie die schönste Frau der Welt, dabei ist sie nur ein Stück Dreck so wie der Rest von ihnen. Meine Mutter war eine Schönheit, dass war sie wirklich. Ich habe nie verstanden, wieso mein Vater sie nicht liebte. Sie war die herzensgutste Frau, die ich kannte.

»Mach weiter Baby«, fordert Augustin die kleine rothaarige vor sich auf, die auf dem Boden kniet und seinen Schwanz im Mund hat. Ich weiß nicht, wieso ich überhaupt noch hier hinten zwischen denen sitze. Es ist wie üblich die reinste Orgie.
Angewidert von dem vielen billigen und viel zu süßen Parfüm erhebe ich mich und wimmle die Mexikanerin ab, die die ganze Zeit um mich herumtanzt. Sie findet schnell einen neuen und beachtet mich nicht weiter.
Bier trinkend laufe ich durch den Raum nach vorn zur Pokerrunde und greife mir auf dem Weg ein Glas Sambuca ab, dass ich noch vor meiner Ankunft geleert habe.
Auf dem Tisch stapeln sich die Chips und bis jetzt schaut es so aus, als würde mein Vater gewinnen. Normalerweise tut er das, er ist verdammt gut im Pokern. »Und? Ziehst du sie alle ab?«, frage ich in die Runde und die Männer lachen, auch mein Vater grinst. »Natürlich wa-«
Die Tür fliegt mit einem krachen auf und das Geschehen im Raum kommt sofort zum Erliegen. Wir alle drehen unsere Köpfe herum und ich staune nicht schlecht, als ich sehe, wer da durch die Tür kommt. Es ist der dicke Fillipo mit weißem Hemd, Goldkettchen und Schmalzlocke, und in seinem Griff hält er Lillian, in dessen Gesicht sich der blanke Horror breit gemacht hat, als hätte sie gerade ein Gespenst gesehen. Etwas sagt mir, dass es nicht an Fillipo lieg, weshalb sie so schaut.

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now