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LILLIAN

Mein Kopf fühlt sich an, als wäre ich von einem Truck überrollt und zehn Kilometer durch die Luft auf den harten Asphalt geschleudert wurden. Er brummt wie ein Dieselmotor und die Sterne vor meinen Augen leuchten heller als die am Abendhimmel. Ich fühle meine Arme nicht mehr. Mein Körper ist taub, der Kopf hängt und mich beschleicht dass Gefühl, dass ich nicht liege. Um mich ist es beißend kalt, kälter als zuvor, und ich fühle den schützenden Stoff meines Mantels nicht mehr um mir. Stattdessen streift ein kalter Zug meine nackte Haut und ich schrecke auf, als eisiges Wasser mein Gesicht trifft. Nach Luft schnappend reiße ich meine Augen auf und huste kräftig. Meine Füße finden kaum kalt auf dem Boden, bei jeder meiner Bewegungen rascheln Ketten.  Klitschnass huste ich mir die Seele aus dem Leib, wobei meine Stirn noch mehr zu dröhnen anfängt. Als mein Anfall etwas abgeklungen ist, blinzle ich gegen den Schmerz an und lasse meine Augen den Boden entlang wandern. Er ist grau und dreckig, ganz im Gegensatz zu den polierten schwarzen Männerschuhen, die vor mir stehen. Mit verschwommener Sicht gleiten meine Blicke seine gebügelten Hosenbeine hinauf, über das schwarze Jackett in sein gealtertes Gesicht und den weißen Bart. Seine Brauen sind grimmig zusammengezogen und tiefe Falten schmücken seine Haut. Die Aura die ihn umgibt ist finster. Finster und kalt.
»Sie ist wach.« Er schnalzt missbilligend mit der Zunge und mustert mich abfällig von Kopf bis Fuß. Stöhnend lasse ich meinen Kopf hängen. Wo bin ich hier nur? Meine nassen Haare fallen mir ins Gesicht und verdecken mir die Sicht auf den älteren Mann. Ein penetranter Parfümgeruch liegt in der Luft. Ich kann nicht sagen, nach was es riecht, aber es stinkt.
»W-wo bin ich?«, höre ich mich mit krächzender Stimme fragen. Es ist als hätte ich Watte in den Ohren.
»In deiner persönlichen Hölle, Lillian Jones, oder besser Duncan

Erneut überkommt mich ein vor Schmerz gefülltes Stöhnen. Müde rüttle ich an den Fesseln, mir wird erst jetzt bewusst, dass man mir die Hände zusammengebunden und mich an ihnen aufgehangen hat. Meine Füße berühren gerade so den Boden, doch wenn mir die Knie weich werden, werde ich hängen wie ein nasser Sack. Die Weise, wie er meinen Namen ausspricht, gefällt mir gar nicht. Desorientiert rüttle ich an meinen Fesseln und entlocke dem älteren ein gehässiges Lachen. »Das ist zwecklos«, lässt er mich wissen und faltet seine Hände selbstgefällig.
»Was wollen sie von mir?«, will ich mit dünner Stimme wissen. Die schwarzen Punkte in meinem Sichtfeld werden stärker und ich fürchte, bald erneut das Bewusstsein zu verlieren.
»Von Dir will Ich überhaupt nichts, Jones.« Die Härte seiner Stimme und der Blick dazu, erschüttern mich bis in Mark und Knochen.
»Wieso bin ich dann hier?«, flüstere ich mit geschlossenen Augen. »Sicher wird ein gewisser jemand bald auf der Suche nach dir sein, Püppchen.«
Er ist unbemerkt nähergetreten und packt mein Kinn mit seinen großen Pranken, mustert mich abschätzig. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaue ich zu ihm auf und winde mich unter seinen Griffen. Sie sind schmerzhaft und fordern unglaublich viel Kraft. Ein Hauch seines stinkenden Parfüms schwingt mit und mir wird speiübel, als ich es rieche. Es bedeutet Unheil. Er bedeutet das.
»Niemand wird nach mir suchen«, stelle ich klar und reiße an den Eisenketten, die meine Arme festhalten. Der Blick des Unbekannten verfinstert sich. Fies schmunzelnd langt er an meinen Hals und reist an der Kette. »Ach ja?«, brummt er und hält mir den Anhänger unter die Nase. Mein Atem stockt. Er meint Santino.

»Der wird nie kommen!«, zische ich ihn an und winde mich unter seinen dreckigen Griffeln. Alles an ihm ekelt mich an. Plötzlich ein brennender Schmerz auf meiner Wange, der sich anfühlt als würde sich Säure in meine Haut brennen. »Ob er das wird, blöde Göre!«, blafft der alte mich mit gehobener Hand an - er hat mir eine Backpfeife gegeben. Schmerzlich öffne ich meinen Mund, um das kribbelnde Taubheitsgefühl aus meinem Kiefer loszuwerden. Die düsteren Flecken vor meinem inneren Auge wachsen stetig zu monströsen schwarzen Löchern heran, die mich drohen in sich zu verschlingen. Sterne tanzen mir um den Kopf und meine Knie werden weich. Bitte lass mich nicht fallen, bete ich in meinem Kopf und schließe meine Augen. »Wieso sollte er hier auftauchen?«, traue ich mich wispernd zu fragen. Die Pranke von meinem Kinn verschwindet endlich und ich kann das erste mal wieder gut Luft holen, ohne dass Gefühl zu haben, gleich zu ersticken. »Wieso trägst du seine Kette?«, umgeht er meine Frage und legt seinen Kopf schief. Blinzelnd schaue ich auf und treffe seine grauen seelenlosen Augen. Weder Liebe noch Schmerz ist in ihnen, nur die blanke Kälte.
»Du bist seine kleine Hure, doch anscheinend lutschst du ihm den Schwanz so gut, dass er noch weis wer du bist. Es war nicht leicht dich zu finden«, gibt der Mann, dessen Namen ich nicht kenne, zu. Ein dezentes Lächeln huscht ihm über die Lippen, was ihn psychopathische Züge verleiht. »Santino hat ganze Arbeit geleistet, dich verstecken zu wollen. Vor mir, nehme ich an. Dabei verstehe ich nicht, wieso. Ich bin doch nett, oder?«, da er die Worte mit solch einer Überzeugung ausspricht, glaube ich beinahe, dass er sie selbst ohne zu zögern glaubt. Grinsend legt er seinen Kopf schief und mustert mich. Die Art wie er es tut, jagt mir kalte Schauer über den Rücken. »Für meine treue Maya war es nicht schwer herauszufinden, was euch beide verbindet, außer der Sex«, fährt der Unbekannte fort und streckt seine Hand nach hinten aus. Einige Männer stehen hinter ihm und einer von ihnen reicht ihrem ein Messer. In meinem Kopf rattert es und rattert es. Maya.
Sie...sie war mit mir im Central Park, Eislaufen. Ich habe ihr anvertraut was in London geschehen ist und sie? Sie arbeitet für diesen Mistkerl? Für diesen ekelhaften Hund? Ich beiße mir hart auf die Lippe um nicht anfangen zu weinen. Meine Schwäche darf ich ihnen nicht offenbaren. Aber Maya, die ist für mich gestorben. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben und ich hoffe für sie, dass wir uns nie wieder über den Weg laufen werden.

Ich bäume mich schweratmend nach hinten von ihm weg, als er mir damit gefährlich nah kommt. Lachend lässt er die Klinge über mein Shirt wandern. »Es wäre natürlich schöner gewesen, hätte der Bastard in dir noch gelebt, dann hätte ich ihn dir aus dem Bauch schlitzen können, um ihn den Benellis auf die Fußmatte zu legen!«, zischt er bissig und holt aus. Ich mache mich auf den Schmerz gefasst, den die Klinge des Messers auslösen wird, sobald sie mit meiner Haut in Berührung kommt, doch nur das ratschen von Stoff ist zu hören. Ein wimmern entflieht mir als die kalte Klinge meine empfindliche Seite streift. Mein Shirt fällt in Fetzen zu Boden und nun stehe ich hier, trage nur meinen BH am Oberkörper und eine Jeans an den Beinen. Schuhe trage ich schon lang nicht mehr und meine nackten Füße berühren nur mühselig den Boden. »Geh weg von mir!«, kreische ich panisch und eine warme Flüssigkeit rinnt meine Brust hinab. Er hat mich geschnitten, so tief das ich blute und schreien muss. Es brennt höllisch, wie Salz in meiner Wunde, wie Feuer an meiner Haut. Ich winde mich, versuche ihn zu treten, zu beißen, mich mit Händen und Füßen gegen dieses Schwein zu wehren.
»Er wird nicht-«, schleudere ich ihm schrill entgegen und verziehe stöhnend mein Gesicht als seine flache Hand erneut meine Wange schallend trifft. Diesmal sacken meine Beine endgültig weg und ich hänge an meinen Armen an der Betondecke. Bewusstlos. Ihnen hoffnungslos ausgeliefert.
»Puttana. Schneid ihr ein Stück Haar ab und sorg dafür, dass die Benellis es erhalten. Sonst muss ich ihr noch ihre zarten Finger abschneiden. Pronto.«

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now