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LILLIAN

Niedergeschlagen sitze ich wieder in der Limousine und schaue aus den Fenstern ins verregnete London hinaus. Die Regentropfen auf der Scheibe spiegeln meine Laune wider, die nicht mal der süße Schokoladenriegel in meinem Schoß vertreiben könnte. Der Ausflug ins Archiv des St. Smith Hospitals war eine Farce. Ein echter Reinfall noch dazu. Wir haben quasi nichts - genau so viel wie zuvor. Wer legt uns solche Steine in den Weg? Sind es meine Eltern selbst, die mich nicht kennenlernen wollen? Oder ist es jemand anderes, der nicht will, dass ich sie kennenlerne?
Beides ist kein schöner Gedanke. Was wenn sie mich wirklich mich treffen wollen? Wenn meine Mom mich aufgab, weil ich nicht gewünscht gewesen bin? Weil ich ihnen eine Bürde war? Blinzelnd presse ich meine Lippen aufeinander und lehne meine Stirn gegen das kühle Glas. Wie könnte man das nur seinem eigenen Kind antun?
Ich könnte es zumindest nicht übers Herz bringen, mein Baby aufzugeben, egal unter welchen Umständen es wäre.
»Zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf, mia bella«, bittet Santino mich mit warmer Stimme und streicht durch meine Haare. Er ist beherrscht, obwohl es ihn genauso aufregt wie mich auch. Seine Hand wandert wie vorhin schon auf mein linkes Knie und übt sanften Druck darauf aus. Unter seinem Griff entspanne ich mich ein kleines bisschen. Unwohl schiebe ich den Schokoriegel beiseite und überschlage meine Beine. Mir ist speiübel und ich bekomme keinen Bissen mehr hinunter. Mein Magen dreht sich fast um seine eigene Achse, wenn das so weitergeht. Ich will einfach ins Hotel und mich im Bett verkriechen. Meine Motivation ist für den heutigen Tag und vermutlich auch für den morgigen an ihrem Tiefpunkt angelangt. Ich will niemanden sehen oder sprechen, sondern einfach in einer Schippe Selbstmitleid versinken, da ich mir das sonst nicht erlaube. Ich will nicht glauben, dass unsere Reise nach London umsonst gewesen ist. Dass ich hier bin und nichts dabei rausgekommen ist. Dass ich ohne neue Informationen wieder nachhause zurückkehren muss. Dies war meine einzige Chance sie zu finden. Auch wenn Santino mir mehrfach versprochen hat sie zu finden, ich kann es nach all dem nur schwer glauben. Wenn wir es bis jetzt nicht konnten, wieso sollten wir es in Zukunft schaffen?
Santinos Finger massieren mein Bein und bringen mein Herz dazu, nicht mehr so wild zu stolpern. Seine Präsenz verschafft mir innere Ruhe, so viel, dass mir ganz schwindelig wird. Die ganze Fahrt über sprechen wir kein Wort mehr miteinander. Er muss merken, dass ich einfach meine Ruhe haben will. Leise telefoniert er mir jemanden, doch ich verfolge das Gespräch nicht und weiß so nicht, mit wem. Ist es Kyle? Oder doch der Besitzer des McLeod Hotels? Ich fürchte, dass ich ihm nach gestern nicht mehr unter die Augen treten kann, ohne daran denken zu müssen, wie er und Sawyer diese Frau gleichzeitig genommen haben. Wie Sawyers Klinge über ihre Haut fuhrt und Schnitte hinterließ, die sie zum Stöhnen brachten. Der Schmerz hat sie angeturnt, aber für mich bleibt es Schmerz. Ich könnte das nie und bin wahrlich froh, dass Santino nicht auf so einen scheiß steht. Aber jeder wie er will.

Das Hotel ist fast wie ausgestorben auf dem Weg nach oben. Der Fahrstuhl fährt direkt in unsere Suite und ich bin heidenfroh, als wir allein sind. Geschafft werfe ich meinen Mantel über die Lehne des Sofas und zwirble mir meine Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Den ich wegen des fehlenden Haargummis allerdings wieder aufgehen lassen muss. Verflixt, wo ist das nur?
Durchwühlend grabe ich mich durch den Schrank und muss feststellen, dass es dort nicht ist. Auch im Nachtisch oder in meiner Kosmetiktasche nicht.
»Wo bist du kleines Mistding nur?!«, fluche ich frustriert und raufe mir meine lange Mähne. »Entspann dich«, fordert Santino mich auf und schließt die Türen des Schlafzimmers hinter sich. Er schleicht wie ein Raubtier auf seine Beute auf mich zu und streckt seine Hände nach mir aus.
»Komm her mia bella.«

Schluckend trete ich vor ihn. Der Italiener lässt seine Hände über meine Seiten wandern und schiebt mich rückwärts in Richtung des Bettes. Seine Lippen treffen sanft auf die meine und ich stoße ein Seufzen aus. Meine Schultern sacken sofort ab, als seine Zunge sich zwischen meine Zähne schiebt und um Einlass bittet, den ich ihm gewähre. »Ich weiß, was du jetzt brauchst Lillian«, raunt er mir vielsagend zu und macht sich am Knopf meiner Jeans zu schaffen. Sie rutscht auf den Boden und er legt mich rückwärts aufs Bett. Mit großen Augen verfolge ich, wie er vor dem Bett in die Knie geht und seine Lippen sich immer weiter zu meiner Mitte hin küssen. »Santino was tust d-«
»Sch, genieß es einfach«, bittet er und wirft mir einen bittenden Blick zu. Mit klopfendem Herzen beschließe ich, ihn machen zu lassen. Vielleicht bringt mich das tatsächlich etwas auf andere Gedanken. Der Italiener küsst meine feine Haut an der Innenseite meines linken Oberschenkels und schiebt meine Wäsche quälend langsam zur Seite. Seine rauen Fingerkuppen streifen meine pochende Mitte und ein wohliges Seufzen entwischt mir. Hitze schießt in meine Lenden und ich schiebe mich ihm ein bisschen entgegen. Er hat verdammt nochmal recht, es ist das, was ich brauche. Ihn zwischen meinen Beinen. Der dunkelhaarige greift meine Knöchel und zieht meine Beine über seine Schultern. Aufgeregt sinke ich tiefer in das frisch gemachte Bett und betrachte die kahlweiße Zimmerdecke gespannt. Santinos warme Zunge prallt sanft gegen meinen empfindlichsten Punkt und meine Augen klappen wie von selbst zu. Mit geöffneten Lippen lange ich in seine Haare und zerzause sie mit meinen Fingern. Die dumpfen Zungenschläge sind langsam, viel zu langsam für meinen Geschmack. Ich will endlich abschalten. Einmal an nichts anderes denken als Santinos Gesicht zwischen meinen Schenkeln. Stöhnend bäume ich mich ihm entgegen und drücke meinen Rücken zum Hohlkreuz durch. »Hör nicht auf«, keuche ich erregt und packe seine Hand, die meine Hüften hält. Meine andere kratzt über seinen Nacken, die Kopfhaut entlang. Hektisch atmend hebt und senkt mein Brustkorb sich in Rekordzeit, so stetig, dass mir fast schwindelig wird. Santino erhöht sein Tempo, nimmt seine Finger hinzu. Als zwei den einen Punkt in mir berühren, explodiere ich wie ein buntes Feuerwerk und schnappe nach Luft. Meine Augen rollen zurück, ich komme so hart, dass Sterne vor meinen Augen tanzen. Keuchend raufe ich mir meine Haare und blinzle. Santinos Mund hinterlässt eine eisige Kälte zwischen meinen Beinen, als er sich erhebt und mich vor dem Bett stehend betrachtet.
»Ich lasse dir ein Bad ein«, wispert er und streicht mein Knie entlang. Überwältig von dem, was geschehen ist, schaue ich ihm nach aber wage es nicht, mich zu bewegen. Ich rolle mich auf der Seite zusammen wie ein Baby, ziehe die Knie an mich und betrachte ihn aus der Ferne. Der Italiener lässt in aller Ruhe warmes Wasser in die große Wanne laufen und schmeißt eine der Badebomben hinein. Ich schaue ihm zu, als wäre es das faszinierendste der Welt. In dem Moment wird mir erst einmal klar, wie absurd das Ganze ist, weil er eben er ist - Santino Benelli.
Ein Benelli lässt mir gerade ein Bad ein.

»Willst du auch etwas dafür? Eine Gegenleistung?«, frage ich ihn und er schüttelt mit dem Rücken zu mir stehend den Kopf. Die Ärmel seines Hemdes sind bis über die Ellenbogen zurückgeschlagen und er steckt seine Hand ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen. »Nein, ich wollte dich nur auf andere Gedanken bringen«, sagt er und kommt langsam auf mich zu. Er reicht mir eine Hand und hilft mir auf. Vor ihm zum Stehen kommend lege ich den Kopf in den Nacken, um ihn vollständig zu sehen. »Danke für die Aufmunterung, das habe ich gebraucht«, gebe ich zu und ziehe ihn am Nacken zu mir hinunter, um einen zarten Kuss auf seiner Wange zu platzieren. Er hat es tatsächlich geschafft, dass ich das Geschehene einen Moment lang vergesse und nicht wahnsinnig werde. Dafür bin ich ihm mehr als nur dankbar. »Ich revanchiere mich bei Gelegenheit«, versichere ich ihm. Santino winkt ab und nickt hinter sich aufs Badezimmer. »Lass nur. Nimm ein Bad, in der Zeit schaue ich mal, was ich über den notierten Arzt und die anderen von dem Dokument herausfinde«, meint er. Wenigstens einer, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat. Ich lasse von ihm ab und gehe an ihm vorbei ins Badezimmer. Er kann es nicht lassen, mir einen Klaps auf den Hintern zu geben und meiner Kehle tatsächlich ein Lachen zu entlocken. Ich schließe die Türen hinter mir und entkleide mich, um anschließend in das wohltuende Badewasser zu steigen, dass nach Frühling duftet.

Eine Weile genieße ich die Stille und die Wärme des Wassers, bis ich fast einschlafe. Dabei kreisen mir immer wieder dieselben Gedanken durch den Kopf. Was, wenn Santino nichts mehr findet und jegliche Spur in einer Sackgasse endet? Irgendwann muss ich mich damit abfinden müssen, meine Eltern nie zu finden. Vielleicht will es das Schicksal so, auch wenn ich mir das nicht eingestehen will. Es muss einen Weg geben, es muss einfach. Ich spüre in meinem Herzen, dass ich der Wahrheit nicht weit entfernt bin. Ich brauche nur die richtigen Ansätze, um herauszufinden woher ich stamme. Es ist mein einziger, und tiefster Wunsch zu erfahren woher ich stamme. Die Wunde, die sie hinterlassen haben, kann nur durch meine wahren Eltern gefüllt werden. Nicht die Jones, nicht ich allein. Nur sie.
Der ganze Stress schlägt mir so auf den Magen, dass ich das Abendessen ausfallen lasse und mich mit rasendem Herzen zu Bett lege, nachdem ich mich abgetrocknet und mir die Haare geföhnt habe. Ich trage einen kurzen beigen Pyjama, da es in den Zimmern des Hotels angenehm warm ist. Müde kuschle ich mich in die Laken und schließe die Augen. Trotz dem ganzen Wirrwarr in meinem Kopf finde ich recht schnell den Weg ins Traumland, in dem ich nicht an meine Eltern denken muss.

Der Mond steht noch hoch am Himmel, als ich das nächste Mal aufwache. Ich drehe mich um, entdecke dass Santinos Seite noch leer ist, aber unter dem Schlitz der Tür scheint das Licht des Wohnzimmers hinein. Müde fährt meine Hand über die kalten Laken, auf der er normalerweise liegt. Er muss noch arbeiten. Erschöpft wende ich mich und fühle dabei etwas Feuchtes auf dem Bettlaken. Blinzelnd schiebe ich meine Finger zwischen meine Beine und taste etwas Nasses. Ich setze mich auf, schalte die Nachtlampe ein und schlage die Decke zurück. Da fährt ein stechender Schmerz durch meine Lenden. Zischend halte ich mir meinen Unterbauch und schrecke zurück, als ich es sehe - eine große Blutlache hat sich auf dem weißen Laken gebildet. Mein rasendes Herz, gepaart mit dem Schmerz in meinem Bauch und dem Schwindel, der mich überkommt, zwingt mich beim Aufstehen fast in die Knie. »Ah!«, wimmere ich vor Schmerzen und Taste mich an den Möbeln entlang zur Tür. Mit blutigen Händen drücke ich die Klinke hinab und trete ins Licht des Wohnzimmers. Der Italiener sitzt mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa und tippt etwas in seinem Computer.
»Santino«, keuche ich schwach und bin am Ende meiner Kräfte angelangt. Er dreht sich um, blickt voller Entsetzen auf meine blutigen Beine, als diese nachgeben und ich zu Boden falle.
»Lillian!«
Sein Schrei erschüttert mich bis ins Mark und brennt sich wie Feuer in mein Gedächtnis. Er schmeißt sich neben mir auf den Boden, packt mein Gesicht, dass mit einem Film kaltem Schweiß überzogen ist. Seine Augen sind weit aufgerissen und die blanke Panik spiegelt sich in ihnen wider. »Hey!«, brüllt er kopflos in Richtung der Zimmertür. Ich habe noch nie so viel Entsetzen und Schreck in seinen Augen gesehen, wie jetzt. »Lillian!« Von Angst ergriffen klopft er mir auf die Wange und schüttelt mich. Ich verziehe mein Gesicht vor Schmerzen, der in meine Mitte schießt. Er lähmt meinen Körper und bringt mich dazu, den dunkelhaarigen doppelt zu sehen. Fahrig starre ich ihn an, bekomme am Rande mit wie die Tür sich öffnet und viele Schuhe über das Parkett poltern. Santino brüllt sie an, aber das Fiepen in meinen Ohren ist lauter als alles. Sterne tanzen vor meinen Augen und ich schnappe ein letztes Mal nach Luft, bevor ich von der Ohnmacht eingeholt werde und reglos am Boden liegenbleibe.

Mafia King | 18+Donde viven las historias. Descúbrelo ahora