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LILLIAN

Mein ganzer Körper wird von zitternden Stößen gelähmt. An meinen Handgelenken hängend überstehe ich die ersten Stunden, in denen ich immer wieder bewusstlos werde. Inzwischen ist mir die Kälte hier unten so in die Knochen gekrochen, dass ich meine Hände kaum noch spüre. Das restliche Blut muss sie bereits vor Stunden verlassen haben. Röchelnd starre ich auf den dreckigen Kellerboden. Meine Haare sind in der kalt-trockenen Luft strähnenweise und zum Teil noch feucht. Ich schaue aus wie drei Wochen die Haare nicht gewaschen, und das könnte mir im Moment nicht egaler sein. Ich habe ein viel größeres Problem. Meine Beine sind weich wie Wackelpudding und ich fürchte, mich nicht mehr lang halten zu können, doch meine Handgelenke und Knöchel sind wund von den Ketten und mein Körper so erschöpft, dass ich am liebsten vier Tage pausenlos schlafen würde, ohne dazwischen aufzuwachen. Ich kann nicht mehr, habe jegliches Zeitgefühl verloren. Inzwischen glaube ich sogar zu halluzinieren. Immer wieder bewegt sich etwas im Schatten des Raumes, von dem ich nicht sicher bin, ob es überhaupt da ist. Ich bin allein. Niemand ist hier, oder? Im Stehen schließe ich meine Augen und träume von einem weichen Bett, und nicht gefesselt von der Decke zu hängen. Das Atmen fällt mir schwer, da meine Arme pausenlos über dem Kopf gefesselt sind. Das Kribbeln in meinen Fingerkuppen weicht langsam, aber sicher der Taubheit. Ich kann nichts dagegen ausrichten. Wie lang ich wohl schon hier bin? Minuten, Stunden, Tage? Ab und zu schaut einer von den Männern des gruseligen Kerls vorbei. Weder Wasser noch Brot haben sie mir gebracht. Vermutlich sollen sie nur nachsehen, ob ich noch atme. Zumindest lassen ihre Finger an meiner Halsschlagader dies vermuten.
In der Ecke über der Tür gibt es eine Kamera, dessen rotes Licht unaufhörlich blinkt. Ich bin mir sicher, dass dieses Mann, der hier das Sagen hat, dahinter sitzt unbedingt mich beobachtet. Wer sonst?

Stöhnend winde ich mich nach ungenauer Zeit und versuche, die Durchblutung in meinen Fingern anzukurbeln. Die kalten Ketten reiben in meine Wunden und scheuern das Fleisch an meinen Handgelenken noch stärker auf. Das gleiche gilt für meine Knöchel. Im Gesicht klebt mir getrocknetes Blut, dass wohl von meiner offenen Stirn stammen muss. Vermute ich lediglich, hier gibt es weder einen Spiegel noch jemanden, der es mir sagen wird. Es ist so finster, ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ob es Nacht ist? Weder Fenster noch Glastüren gibt es in diesem Verließ. Es ist ein Keller, dass konnte ich bereits herausfinden. Bin ich überhaupt noch in New York City?

Als ich das nächste Mal zu mir komme, entriegelt sich die Tür krachend und schlägt geöffnet gegen die dicke Betonwand. Geblendet vom grellen Licht des Flures, kneife ich meine empfindlichen Augen zusammen und kann nicht erkennen, um wen es sich handelt. Erst als die Tür hinter ihr wieder zufällt und die Person mit langsamen Schritten näherkommt, traue ich mich die Augen zu öffnen. Ich blicke direkt in Mayas düstere Iriden. Das blau ist kalt wie die Antarktis und ihre Aura rabenschwarz. Ich wollte nie wieder mit ihr sprechen, sie nie wieder sehen, und nun steht sie hier vor mir und schaut mich an, als würde es ihr leidtun. Das Mitleid in ihren verlogenen Augen kann sie sich gewiss sparen. Auf so eine Freundin wie sie, kann ich pfeifen. Ich sollte sie nicht als Freundin bezeichnen, immerhin war ich es nie für sie. Ich war nur ein Job. Jemanden, den sie für ihren Boss auskundschaften muss. All die Dinge, die ich ihr anvertraut habe, all das, was sie mir erzählt hat... es war alles eine große Lüge. Sie ist ein hinterhältiges Miststück.

»Ich soll dir deine Fesseln abnehmen, damit du schlafen kannst«, erklärt sie ihr kommen und tritt nah vor mich. Ich schenke ihr nur einen todesblick. Sie soll wissen, was ich noch von ihr halte. Lippenbeißend wendet sie ihre Augen ab und versucht sich nichts anmerken zu lassen, aber ich sehe, dass sie verunsichert ist. Sie hebt ihre Hände und löst mein erstes Handgelenk aus den Fesseln. Mein Arm fällt sofort schlaff hinunter und beginnt schrecklich zu schmerzen, als das Blut endlich wieder durch meine Adern strömt und meine fahle Haut rosiger wirken lässt. Als sie den zweiten löst, kann ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Mir wird schwindelig, speiübel und ich habe das Gefühl, ihr jeden Moment auf die Schuhe kübeln zu müssen. »Leg dich hin«, weist sie mich an und löst ein Bein, das andere lässt sie angekettet. Mich verlassen alle Kräfte, als ich mich setze und von ihr weg bis in die hinterste Ecke des Raumes rutsche. Je mehr abstand zwischen uns ist, desto besser.

Maya legt die schweren Eisenketten auf dem dreckigen kalten Kellerboden ab und verweilt einen Moment in Gedanken versunken in dieser knieenden Position. Mit angezogenen Knien betrachte ich sie und schlinge mir die Arme um die Beine. Mir ist eisig kalt. Weder Schuhe noch Socken noch Oberteil trage ich. Draußen schneit es, und hier unten können nicht mehr als fünf Grad sein. Es ist eisig. Wenn sie mich nicht zu Tode quälen werden, werde ich erfrieren. »War alles gelogen?«, krächze ich mit dünner Stimme und schaue sie fragend aus dem Schutz der Dunkelheit an. Nur ein schwacher Lichtkegel fällt unter dem Schlitz der Tür hindurch und erhellt das Fleckchen, auf dem sie kniet. Ihre Mundwinkel zucken kaum merklich in die Höhe. »Es geht hier nicht um dich«, umgeht sie meine Frage wispernd, hebt den Kopf und mustert mich. Ich erkenne die Maya die sich hier befindet kaum wieder. Sie ist nicht die gleiche, die ich kenne. Ist dies hier die echte? Oder alles nur ein Spiel? Ich würde ihr am liebsten die Augen auskratzen, wenn ich nicht so schwach wäre. Ja, ich würde meine Nägel in ihre Augäpfel graben, bis sie Tod umfällt. Schweratmend umgreife ich den Anhänger um meinen Hals und umschließe ihn fest mit einer Faust, bis das Gold sich in meinen Händen langsam erwärmt. Es ist das einzige, dass mich davon abhält, nicht verrückt zu werden. Santino wird kommen, und wenn er es nicht tut, wird es Fergus sein, sobald er merkt, dass ich nicht mehr antworte. Mein Bruder würde nie zulassen, dass ich hierbleiben muss. So lange muss ich nur durchalten.

Was meint sie damit, es geht nicht um mich? Um wen dann? Die Benellis? Bin ich nur wegen Santino hier? Sind... bin ich bei den Vallians? Mir läuft ein antarktischer Schauer über den Rücken. Ich bin direkt im Nest der Schlangen und sie verwenden mich für ihre Zwecke, um den Krieg zu gewinnen, um zu bekommen, was sie wollen. Maya hat recht, hier geht es nicht um mich, hier geht es um die Benellis. Sie wollen sie töten, das Spiel gewinnen. Ich bin ein entbehrlicher Bauer auf dem Schachbrett. Sie wollen mich opfern, weil sie wissen, dass ich Santino nah war. Weil Maya ihnen erzählt hat, dass ich schwanger von ihm war. Sie denken, ich bin seine Schwachstelle, dabei ist es nicht so. Oder?

»Du warst ein Mittel zum Zweck aber... ich war gern deine Freundin«, gesteht Maya und lässt mich schnauben. Ich glaube ihr kein Wort. Die Art, wie sie in der Gasse sprach, nachdem sie mich niedergeschlagen hatte, dies zeugt nicht davon, dass sie ihre jetzigen Worte wirklich ernst nimmt. Sie lügt mir ins Gesicht, auch wenn ich kurz zweifle als ich den bedrückten Ausdruck in ihren Iriden erkenne, der für eine Millisekunde in ihnen aufblitzt. Sie bleibt eine von ihnen, keine Worte der Welt könnten ungeschehen machen, was sie angerichtet hat. Sie war meine erste Freundin seit vielen Jahren und hat mich hintergangen, mein Vertrauen in andere Menschen für immer zerstört. Das werde ich ihr nie verzeihen. Nie. Wieder.

»Ich hasse dich«, zische ich ihr entgegen. Die blonde lächelt ihren Frust weg und erhebt sich nickend. »Tut mir leid, dass es so kommen musste, Lillian.« Mit diesen worten verschwindet sie zurück durch die Tür, durch die sie gekommen ist und lässt mich allein mit meinen Ängsten. Bibbernd ziehe ich meine Knie so eng ich kann und lege mein Gesicht auf ihnen ab. Der Druck in meiner Brust und die Schmerzen meiner Wunden treiben mich tiefer in eine unreale Welt, und zum ersten Mal genehmige ich es mir, zu weinen. Ich presse meine spröden Lippen gegen den goldenen Anhänger der Benellis und bete, dass alles bald ein Ende hat. Ich will nach Hause, aber noch viel wichtiger, ich will zu Santino.

Mafia King | 18+Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ