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LILLIAN

Ein schwarzer Strom hat mich in die Tiefe gerissen.
Ich kann nicht mehr, meine Kräfte sind restlos aufgebraucht. Mein Körper gelähmt, als hätte mich ein LKW überfahren und mir die Wirbelsäule zertrümmert. Alles in mir schmerzt, aber besonders mein Bauch. Das Stück zwischen meinen Hüftknochen fühlt sich an, als hätte man mir dort die Eingeweide zweimal umgedreht. Das Stechen ist so unerträglich gewesen, dass ich in der Suite ohnmächtig geworden bin. Die Schwärze, die mich umgibt, ist angsteinflößend. Ich bin nicht mehr Herr über meine Sinne, liege regungslos herum und schaffe es nicht, auf mich aufmerksam zu machen. Der Schmerz ist zu stark.
In meinem Kopf ist Nebel. Mehr Nebel als an einem kalten Novembermorgen auf den Wiesen der Kleinstadt in der ich aufwuchs. Es fühlt sich an, als würde mir der Kopf gleich platzen. Wie viel Zeit wohl verstrichen sein muss, seit ich in der Suite ohnmächtig wurde? Santinos schreie schallen mir noch immer durch die Ohren wie verzweifelte Rufe. Er klang so hilflos und entsetzt, es bricht mir das Herz, wenn ich darüber nachdenke.

Meine Eltern, die Jones - sie sollten wissen, was geschehen ist. Hat ihnen jemand Bescheid gegeben? Ich sehe sie nicht vor mir, nur die finstere Wand die sich wie ein undurchdringliches Hindernis um mein ich spinnt. In mir bleibt nur leere. Verschluckende, angsteinflößende leere. Mein Körper steht unter Schock. Alles, was ich weiß, ist das da so viel Blut gewesen ist. Überall nur verdammtes Blut. Kann ein Mensch so viel verlieren? Es ist mir die Beine runtergelaufen und hat eine Lache unter mir gebildet. Bin ich Tod? Bin ich Tod und merke es nicht mehr? Ist das diese Schwärze vor mir? Ist das der Tod? Wird es für immer so sein?
Nein.
Ich kann riechen - ich kann sein Parfüm riechen. Santinos Duft ummantelt mich, auch wenn es mir so schwer fällt zu atmen. Vielleicht ist es nur eine Halluzination. Es ist eine schöne. Zu schön, um wahr zu sein. Piepen verdrängt die Stimmen in meinem Kopf langsam. Es ist schrill und langsam, viel zu langsam für meinen Geschmack. Ist das mein Herzschlag, den ich da höre? Nein... oder doch?
»Sie müssen jetzt gehen Sir«, ertönt eine weibliche ruhige Stimme aus der Ferne. Jemand atmet tief aus. Ich fühle etwas Warmes auf meiner Stirn, höre einen Stuhl über den Boden kratzen und Schritte, die sich wegbewegen. Die Tür fällt ins Schloss und es wird ruhig. Wer war das?
»Ihre Werte sind nicht besser geworden«, spricht die weibliche Stimme nun viel näher. Jemand berührt mich am Arm, es knistert von der anderen Seite. »Die Ampulle Schmerzmittel sollten ihr Herz ein wenig zur Ruhe kommen lassen. Wir sehen morgen, was mit ihr ist«, sagt eine andere und tritt an mich heran. Etwas Kühles fließt in meinen Körper und entspannt meine Glieder. Mein Herz pocht gleichmäßig und die schwarzen Wände kommen näher. Die kalte Flüssigkeit flutet meine Venen und das Fiepen in meinen Ohren wird lauter, bis es ganz still wird und ich nichts mehr spüre.

~

Das nächste, dass ich mitbekomme, ist das etwas auf meinem Gesicht liegt. Die Geräte piepen noch immer und es ist recht kühl um mich. Mein Atem ist so laut wie der von Darth Vader, was an dem Ding vor meinem Mund liegen könnte. Was ist das nur?
Der Schmerz in meinem linken Unterbauch ist abgeklungen aber noch da. Es fühlt sich leer in mir an, als würde etwas nicht mehr an seinem Platz sein, oder fehlen.
Mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, öffne ich meine Lider ein winziges bisschen. Licht flutet meine Iriden und löst einen stechenden Schmerz in meiner Stirn aus. Die Töne der Geräte ziehen an und ich schnappe nach Luft. Röchelnd reiße ich die Lippen auf und versuche mir das Ding vom Gesicht zu ziehen. Orientierungslos drehe ich meine Augen und versuche die kahle Zimmerdecke auszumachen. Es ist weder das Hotel noch mein Apartment. Die Neonröhren brennen mir in den Augen und die Kälte ist unerträglich. Plötzlich fliegt die Tür auf und zwei Köpfe tauchen über mir auf. Eine blonde und eine rothaarige in den gleichen Overalls stehen zu meinen Seiten. Die eine nimmt ihre Hand und drückt sie auf das Ding über meinem Mund und meiner Nase. »Sie ist wach«, sagt sie überrascht zu der anderen, bevor sie sich an mich wendet. »Schön atmen Miss Jones, alles ist in Ordnung«, versichert sie mir. Endlich füllt frische Luft meine Lungen und meine verkrampften Schultern sinken in die Kissen unter mir. Ein fremder Laut verlässt meine Lippen, doch sie schüttelt nur ihren Kopf. »Nicht... nur atmen.«
Schweigend tue ich was sie sagt, während die andere an etwas fummelt. Immer wieder klappen meine Augen zu, mit denen ich versuche, den Raum zu erfassen. Der Nebel in meinem Kopf lichtet sich quälend langsam und lässt mich ein paar klare Gedanken fassen. Es ist ein Krankenhaus, in dem ich mich befinde, muss ich feststellen. Geschafft arme ich aus und lege meinen Blick auf die beiden, die ich als Schwestern identifiziere. »Gib ihr Beruhigungsmittel, ihr Blutdruck ist zu hoch. Wir müssen den Arzt holen, bevor ihre inneren Nähte aufreißen«, weist die rothaarige ihre Kollegin an und genau diese Worte lassen mich aufhorchen. Sie wollen mich wieder zum Schlafen bringen! Nein ... nein ich muss wachbleiben! Ich darf nicht schlafen! Ich darf nicht, ich darf ... nicht. Ehe ich mich versehen kann, taucht sich die Welt in Dunkelheit.

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now