54

10K 335 9
                                    

SANTINO

Mir trommelt das Herz in den Ohren, als ich mich mit den Händen an der Wand abstütze. Schnaufend lasse ich den Kopf hängen und kneife meine Augen zusammen. Verdammt, ich kann nicht mehr.
»Seit wann bist du so aus der Puste?«, zieht Marco mich auf und schwingt sich von der Bank hinunter. Kyle stützt seine Arme auf die Stange darüber und mustert mich. »Ja, seit wann?«
»Ach fickt euch doch«, brumme ich und wische mir den Schweiß von der Stirn. »Das reicht für heute«, beschließe ich und schnappe Marco die Flasche Wasser aus den Händen, um mir die kühle Flüssigkeit die Kehle hinunterzukippen. Mein Mund ist staubtrocken und lechzt nach dem Wasser, dass ich im Handumdrehen leere. »Danke fürs fragen«, beschwert sich dieser und ich schnaube höhnisch. »Nächstes Mal vielleicht.«
»Bist du eigentlich wegen Lillian so schlecht drauf?«, fragt Kyle und zieht die Gewichte von der Stange, um sie in die Ecke zu stellen. Genervt schnappe ich mir mein Handtuch und sammle die Boxhandschuhe auf, die ich zuvor achtlos durch die Kante gepfeffert hatte. »Willst du dir eine fangen?«, gegenfrage ich und schmeiße ihn mit einem Handschuh ab. Kyle stößt einen belustigten Laut aus seiner Kehle, als der Handschuh ihn an der Flanke trifft. »Ich bin sicher, dass war ein ja«, wendet Marco ein und ich schmeiße ihn mit dem anderen ab. »Haltet eure Klappen ihr Pussys, hab gestern nur zu viel getrunken«, murre ich und reibe mir mit dem Handtuch über den Nacken. In den Spiegeln schaue ich aus wie ein nasser Pudel. Ich sollte dringend eine Dusche nehmen, bevor ich anfange zu stinken. »Der Alkohol hat sonst auch nicht so eine Wirkung auf dich Santo, aber gut, wir akzeptieren das mal als Antwort«, hebt Kyle beschwichtigend seine Hände. Mit krauser Stirn öffne ich die Tür und sehe nochmal zurück zu den beiden Männern. »Seid ihr jetzt ein Team?«, ziehe ich sie auf und verlasse kopfschüttelnd den Kellerraum, »eins das sich gegen mich verschworen hat«, schimpfe ich und bin mir sicher, dass sie es nicht mehr gehört haben. Dafür ist die Musik, die aus den Boxen dröhnt zu laut.

Ich nehme einige Treppenstufen auf einmal und gelange ins Erdgeschoss unseres Hauses, höre meinen Vater aus seinem Arbeitszimmer sprechen. Nein, eher poltern. Vermutlich klärt er einige Dinge bezüglich der Fehde. In den letzten Tagen ist es gruselig ruhig geworden. Die Angriffe der Vallians haben abgenommen und es sind weitaus nicht mehr so viele Gruppen von ihnen wie zu Beginn auf den Straßen. Irgendwas sagt mir, dass sie etwas planen. Sie schmieden eine Komplott und ich wüsste zu gern, was die Arschkriecher sich einfallen lassen. Eines ist sicher, langsam fängt die heiße Phase an. Julians Geduld ist auf die Probe gestellt wurden, da sie wochenlang nicht weiterkamen, aber jetzt, jetzt scheint die Reisleine endgültig gerissen zu sein. Er will es beenden, er will den Mörder seines Sohnes, dafür nimmt er alles in Kauf. Er ist ein skrupelloser Mann, der keine Werte oder Moral besitzt. Er würde seine eigenen Leute opfern, wenn er seinen Bastard dafür zurück zum Leben erwecken könnte. Ja, er würde nicht mal vor seiner Frau zurückschrecken.

In meiner Wohnung hüpfe ich sofort unter die eiskalte Dusche und nehme mir eine Minute, um das Wasser wie Millionen Nadeln auf meine Haut plätschern zu spüren. Das brauche ich, genau wie ich den Drink gestern brauchte. Kyle und Marco wollen mich damit aufziehen, weil sie denken, meine Gedanken lesen zu können. Sie denken es geht um die Schottin. Gott, ich glaube selbst nicht, dass ich sie so nennen kann. Aber sie ist es, sie gehört zu den Duncans und somit ist sie eine unserer Verbündeten. Nicht einmal mein Vater hat danach noch ein schlechtes Wort über sie verloren. Er schätzt die Duncans sehr. Bereits seit Wochen versuche ich, sie aus meinem Kopf zu verbannen, aber alles erinnert mich an sie. Ihren Geruch, ihre Augen, die Weise wie ihre weichen warmen Lippen meinen Schwanz umschlossen haben. Ich will sie vergessen, aber mein Kopf dreht sich nur um Sie. Ich kann weder schlafen, noch klar denken, oder mich auf die Sache konzentrieren. Der Schlussstrich zwischen uns musste sein, nicht nur um das, was ich tun muss endlich zu erledigen, sondern auch um sie nicht in Gefahr zu bringen. Mrs Mitchell, die Schlampe vom NYPD soll sie nicht weiter belästigen. Und wenn es das braucht, um die Aufmerksamkeit von ihr zu nehmen, dann nehme ich das in Kauf, selbst wenn es mein Gehirn fickt.

Mürrisch öffne ich die gläserne Tür zur Dachterrasse nach der ausgiebigen Dusche. Die kalte Luft schlägt mir entgegen und trifft auf meinen nackten Oberkörper, da ich mir nur eine Hose angezogen habe. Hier oben ist es still und ich stütze mich an der kalten Steinballustrade ab, die die Dachterasse abfängt. In meinen Fingern ein Zigarillo. Ich lasse ihn für einen Moment glühen, bevor ich kräftig an ihm ziehe und die Augen schließe, während der Rauch meine Lungen flutet. Mein Herzschlag flacht endlich ab, und meine verkrampften Schultern ebenfalls. Ich starre in den grauen Himmel, aus dem feine Schneeflocken auf mich hinab rieseln und graue Wolken in der Ferne die hohen Wolkenkratzer verdecken. Ich weis nicht, was ich tun kann, um sie zu vergessen. Es hilft alles nichts. Es ist alles vergeblich.

»Hier bist du«, ertönt Kyles Stimme nach ein paar Minuten. Nicht antwortend ziehe ich erneut am Zigarillo und Puste den Rauch in die eisige Dezemberluft. Er kommt neben mir zum stehen und mustert mich von der Seite. »War nicht so gemeint«, entschuldigt er sich ehrlich und dreht sich mit dem Rücken zur Stadt. Er verschränkt die Arme, betrachtet das Penthouse und auch mich, ohne dass ich reagiere. »Kommst du heute Abend mit in die Pizzeria? Dein Vater hat ein Treffen organisiert«, hakt er nach und ich schnaube in Gedanken. Ein Treffen kann man das nicht wirklich nennen. Er hat die Gunst der Stunde genutzt und sich ein paar Nutten bestellt, da die Vallians zur Zeit nicht aktiv sind. Ich kann gut auf seine "Treffen" verzichten.
»Nein danke«, knurre ich und schnipse den Stummel des Zigarillos über die Kante in die Luft.
»Ach komm, du musst ja nicht-«
»Werde ich auch nicht. Ich will mich einfach auf den Kampf vorbereiten. Das ... die Ruhe gefällt mir nicht«, gebe ich zu, »Julian plant was, und ich will herausfinden was genau, bevor du oder ich tot sind«, fahre ich ihn knatzig an. Marco oder ihn zu verlieren, will ich nicht. Deshalb muss ich etwas unternehmen, um herauszufinden was er plant. Vielleicht erkundige ich mich bei Bex. Der Barkeeper ist immer bestens informiert. Ob er was weis?

»Schon klar Santo, das nehme ich dir nicht einmal übel, aber verkriech dich nicht so. Das... du kannst mit mir reden«, seufzt Kyle und ich stöhne genervt auf, stoße mich von der Balustrade ab und laufe zurück ins warme Penthouse. »Wir haben uns gestern Abend die Kante gegeben, was willst du noch? Muss ich jeden Tag mit dir um die Häuser ziehen, so wie Marco?«, blaffe ich und ziehe mir einen Pullover aus meinem Kleiderschrank. Kyle hält in meiner Zimmertür inne und verschränkt seine Arme beleidigt. »Das mit Marco ist was anderes«, will er mir weis machen. Kopfschüttelnd Zwänge ich mich an ihm vorbei, schlüpfe im Flur in meine Schuhe und werfe mir die Lederjacke über, die ich damals trug als ich der Brünetten das erste Mal über den weg lief. »Nenn es wie du willst, Kyle. Du bist auch nicht ehrlich zu mir, vergiss das nicht«, rate ich ihm. Mein bester Freund geht nicht gleich auf meine Worte ein, da ich recht habe. »Du doch auch nie. Das mit dieser Lillian, da war mehr. Sie war schwanger von dir Santino, und du willst mir noch weis machen, da lief nie was?«, hält er mir grollend vor und ich lache sarkastisch auf. »Und du? Mit Marco lief auch nie mehr, als nur Freundschaft?«, frage ich und sehe ihm in die Augen. Sie sind so dunkel und verschlossen, wie selten. Kyle und ich, wir sprechen sonst über alles, weil wir wie Brüder sind, aber nun fühlt es sich an, als würden wir immer weiter voneinander weg driften.
»Scheint als wären wir beide Lügner«, raunt er und ich öffne meine Haustür. Ein letztes Mal schaue ich ihn an, dann knalle ich sie hinter mir zu und eile die Treppen hinab. Ich stapfe durch den Schnee bis zur Pizzeria und verschwinde in der hintersten Ecke. Kelly bedient mich, bringt mir einen großen Teller Pasta und frischen Parmesan. Immerhin weis sie, dass sie mir nicht auf den Nerv gehen soll.

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now