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SANTINO

Vor der Tür seines Büros ist es still. Ich stehe vor dem massiven Stück aus Holz und starre so intensiv auf die Klinke, dass meine Sicht mit dem Gold verschmilzt. Ein letztes Mal schaue ich zu Ewan, der mir mutig zunickt. Es wird Zeit. Tief durchatmend stoße ich die Flügel auf und trete ein, noch bevor Julian realisieren kann, was soeben geschehen ist. Völlig perplex starrt er und an, bevor er mit lachen anfängt. Es ist kalt und grausig, wie ein Psychopath, der nicht genug bekommen kann. Als wären wir eine Freakshow.
»Santino Benelli«, keift er mit gerümpfter Nase und lehnt sich in seinem Sessel zurück. Der alte Sack mit fast grauen Haaren mustert mich abschätzig. »Ich habe mir schon gedacht, dass ihr früher oder später kommen werdet.«
Die Art wie er mit mir spricht, gefällt mir nicht.

Langsam trete ich in das Arbeitszimmer ein und halte meine Beretta in einer Hand. Sicher ist sicher. Ich traue Julian keinesfalls über den Weg. Jemand, der seine Frau umbringen lassen wollte, nein, dem traue ich erst recht nicht. Es gibt Grenzen, und gewiss sehen dies nicht alle so. Aber meine persönlichen vertrete ich. Julian verstößt gegen alle meine Prinzipien, was mich dazu bringt ihn noch weniger zu respektieren. Zudem hat er meinen Onkel getötet. Ganz gleich was er tat, Blut ist dicker als Wasser.
»Wie konntet ihr meine Männer überlisten?«, fragt Julian und faltet seine Hände auf dem Holztisch. Hinter mir schließt sich die Tür knarzend. Es gibt nur einen Ausgang, und den Belegen Ewan und seine Jungs. Es ist quasi unmöglich für Julian, abzubauen. Es sei denn, er macht einen Abgang durchs Fenster.
»Ich glaube, das behalten wir besser für uns, Julian«, antworte ich und entlocke ihm einen belustigten laut. Er funkelt mich böse an, schnalzt mit der Zunge und streicht sich ausgiebig über seinen kurzen grauen Bart. »All die Toten... hätte ich gewusst, dass du bis in mein Büro kommst, dann-« Er hält inne und spricht nicht weiter. Was ist er? Denkt er, er ist Robin Hood? Julian ist kein unschuldiger Mann. Er verdient es nicht, weiterzuleben. So wie er meinen Tod und den meines Vaters will, wollen wir seinen. Seinen Sohn haben wir bereits aus dem Weg geräumt.
»Du hast etwas, dass ich gern wiederhaben würde«, raune ich ihm zu und halte neben dem Ledersessel inne, der vor dem Schreibtisch steht. Die Hand, mit der ich die Waffe halte, lege ich auf der lehne ab und schaue auf den Anführer der Vallians hinab. Da sitzt er in seinem Stuhl, sieht mich an und denkt, er wäre klüger als ich. Wir beide wissen, dass es nicht so ist. Er denkt, er hätte mich an der Hand, dabei packt meine ihn schon bei den Eiern.
»Das kleine Püppchen? Sie ist entzückend«, grinst er provozierend. Es ist reine Absicht. Er will mich aus dem Konzept bringen, doch diesen Trumpf werde ich ihm nicht lassen. »Du hast einen Fehler gemacht, Julian. Bis gestern ging es noch um die Rache, jetzt ist es was Persönliches geworden. Du hast eine unschuldige mit in den Krieg gezogen. Denkst du, dein Sohn wird dadurch wieder lebendig? Da muss ich dich enttäuschen. Als wir ihn im Hudson versenkten, war er bereits eisig kalt.«

Julians Faust schnellt krachend auf die Tischplatte. »Wag es nicht, von ihm zu sprechen! Einer von euren erbärmlichen Männern, hat ihn ermordet!«, faucht er spuckend und zeigt mit dem Finger auf mich. Einer der Jungs an der Tür entsichert sein Gewehr und Julian lässt den Finger sinken. Es ist eine Stille Warnung gewesen, die er hoffentlich ernst nimmt. Mit gestrafften Schultern hebe ich meine Augenbrauen und spiele an meiner Beretta herum. Egal wie angespannt ich bin, er darf es nicht merken, sonst ist mein Schutzschild gleich null. Täuschung ist eine Kunst.
»Und was willst du nun tun? Deine Villa ist umstellt und vermutlich zielt gerade einer der Typen hinter mir mit seiner Kanone auf dich«, sage ich unbeeindruckt und nicke nach hinten. Julians Augen huschen kurz zu einem bestimmten Punkt, er muss fast unbemerkt schlucken. Ein winziges Lächeln huscht mir über die Lippen. »Selbst wenn du mich tötest, ich habe etwas, dass du haben willst«, fahre ich dort. Diesmal ist es kein Bluff. Tatsächlich gibt es etwas, nach dessen Antwort er schon lang sucht. Ich bin der Einzige, der sie kennt. Wenn er sie hören will, muss er aufgeben. Keine Ausnahmen sind gestattet.
»Was solltest du schon haben?«, schnauzt er und erhebt sich aus seinem Stuhl. Amüsiert sehe ich ihn an und lege meinen Kopf schief. »Die Wahrheit, was den Tod deines Sohnes betrifft. Wolltest du nicht wissen, wer ihn ermordet hat?«, frage ich und Julian wird blass wie eine Leiche. Ihm entgleisen für eine Sekunde jegliche Gesichtszüge, als ich diese Worte ausspreche. Unglauben, Wut, purer Zorn spiegeln sich in seinen herzlosen Augen wider. Er ist ein Monster durch und durch, selbst jetzt, wenn er an seinen Sohn denkt. Keine Empathie, keine Liebe, nur das Böse in seinen Augen. Julian Vallian besitzt keine Seele.

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now