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SANTINO

Lillian ist eingeschlafen noch bevor sie sich neben mich legen konnte. Sie muss so erschöpft gewesen sein, dass es keine fünf Minuten gedauert hat. Nachdem ich ihr friedliches Gesicht gesehen hatte, habe ich es nicht gewagt, sie zu wecken. In eine Decke gewickelt habe ich sie durch einen privaten Flur im Kingsley zu den Aufzügen getragen, die sonst nur James und Sawyer nutzen. Er ist direkt bis in die Suite gefahren und ich habe sie dort in das große Bett gelegt und sie zugedeckt. Ich war sehr überrascht, als man mir sagte, dass sie unten im Kingsley ist. John, der Rezeptionist hatte an der Bar angerufen und mir wurde der Hörer gereicht, so erfuhr ich es. Ich habe sie erwischt, wie sie James und Sawyer mit ihrem neuesten Spielzeug, zugesehen hat. Heimlich, verboten, und es hat ihr gefallen. Ihre Neugierde war so groß, dass sie es mit eigenen Augen erleben musste. Ich spürte ihr pochendes Herz, als ich hinter ihr stand und sie hielt, fühlte wie sehr sie mich in dem Zimmer des Kingsleys wollte. Wie sie ihre Finger in meine Haare grub und mich ritt als gäbe es keinen Morgen. Wie sie mir in die Augen sah. Es war besonders, selbst für jemanden wie mich. Übers Herz gebracht mich danach zu verpissen, habe ich nicht. Ich lag neben ihr im Bett in der Suite und habe sie angestarrt wie ein dummer Junge, der in die Augen einer wunderschönen Frau schaut. Die Worte meines Vaters sind mir in den Kopf gekommen, der mir sagte, was er von Liebe und Heirat hielt. Das Frauen nur ein warmes Loch zur Befriedigung seiner Gelüste sind. Mir hätte es in dem Moment nicht egaler sein können, was er denkt. Lillian war anders. Ich verspürte das merkwürdige Gefühl in mir, sie glücklich machen zu müssen, obwohl es blödsinnig war.

Nun sitze ich am Frühstückstisch im Esszimmer der Suite und trinke meinen schwarzen Kaffee in aller Ruhe. Bald brechen wir zum St. Smith Hospital auf, um die Akte von Lillian zu sichten. Im Moment noch, befindet sie sich im Bad, dass nehme ich zumindest an, da die Dusche plätschert. Wir haben heute noch kein Wort miteinander gesprochen, da ich aufgestanden bin, als sie noch schlief. Vielleicht hat uns das ein peinliches Gespräch erspart. Das sie gestern im Kingsley aufgetaucht ist, hat mich kalt erwischt. Sie hat sich Sorgen gemacht, sonst wäre sie wohl kaum auf die Suche nach mir gegangen. Ich wollte vor Mitternacht zurück sein, aber James, Sawyers und mein Gespräch ging länger als erwartet, wer kann uns das auch übel nehmen? Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen und hatten viel zum aufholen. Ich mag die beiden sehr. Dass sie sich gelegentlich ihre Frauen teilen, interessiert mich überhaupt nicht. Sie tun eben das was ihnen beliebt, und ich das was mir beliebt. Die beiden haben viele Kontakte in London und sind mein Plan B, falls nachher im Krankenhaus nichts rauskommen sollte. James hat quasi alle Kontakte seines Vaters geerbt und dieser war mir der ganzen verdammten Insel verknüpft. Ihre Verbindungen reichen auch auf das europäische Festland und nach Asien. Seit einigen Machtverschiebungen innerhalb der Londoner Unterwelt, sitzt James unangefochten an der Spitze des ganzen. Zusammen mit Sawyer, der sowas wie sein Mann fürs grobe ist. Sawyer würde ohne zu zögern für ihn morden, was James gelegen kommt, da er sich ungern die Finger schmutzig macht. Die beiden sind wie Brüder, auch wenn sie nicht dasselbe Blut teilen. Und sie würden mir ohne fragen zu stellen, helfen, egal um was oder wen es gehen würde.
»Guten Morgen«, begrüßt Lillian mich mit frisch geföhnten Haaren, die sie sich galant über die Schultern wirft. Sie trägt eine schlichte Bluse, dessen enden sie in ihre schwarze Jeans gesteckt hat. Ich deute ihr platzzunehmen. »Morgen, gut geschlafen?« hake ich nach und Lillians Wangen erröten vor Scham. Es ärgert mich, dass sie so reagiert. Sie sollte zu den Dingen stehen, anstatt sich zu schämen. Die Brünette kann nicht leugnen, wie sie das gestern fand, selbst wenn sie es will. »Mhm, und du?« Sie steckt sich ein Stück Toast in den Mund und gießt sich einen frischen Orangensaft aus der Karaffe ins Glas ein. »Habe ich. Bereit für unsere eigentliche Aufgabe?«
»Natürlich. Ich hoffe, wir finden auch etwas...« Zum Ende hin wird sie immer leiser. Ich spüre, wie sehr das Thema sie bedrückt. Auch wenn die Eltern hat, hat sie irgendwie keine. Zumindest nicht die, die mit ihr verwandt sind. Egal wie gut diese Menschen die sie adoptierten auch zu ihr gewesen sein mögen, nichts kann das Loch stopfen dass diese Adoption bei ihr hinterlassen hat. Ich sehe es, wenn ich ihr in die Augen schaue. Der tiefe Schmerz, die Wunde die auf ihrer Seele wiegt wie ein Block Zement. Sie ist gezeichnet fürs Leben, genau wie ich nach dem Tod meiner Mom. Es ist nicht dasselbe, und trotzdem irgendwie schon.
»Iss in Ruhe, und dann fahren wir«, beschließe ich und leere meine Tasse Kaffee. Auch ich bin gespannt darauf, was wir herausfinden werden.

Mafia King | 18+Where stories live. Discover now