2. Kontrollverlust

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Es folgte ein Zimtschimmel, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Hidalgo aufwies, Ludos Pferd vom vergangenen Jahr. „Das ist mein Sentido.", erklärte Charles und nahm ihn am Boden entgegen. Die zwei passten auf den ersten Blick gut zusammen. Sentido machte einen aufgeweckten, munteren Eindruck auf mich.

Danach holte Ludo Aguilito. Den vertrauten Fuchs zu sehen, freute mich. Er war ein Anfängerpferd. Jeder konnte ihn ohne Probleme reiten und er hatte absolut keine Angst vor großem Publikum, was ihn zu einem der besten Pferde im Stall machte. Mein Boss band ihn an einem der Ringe an, die aus der Betonwand des Stalles ragten. Als drittes Tier kam ein weiteres wohl vertrautes Gesicht aus dem Hänger getrippelt. Die lange weiße Mähne zu einem strengen Zopf gebunden, wirkte Nevado fast seriös, doch wer ihn näher kannte, wusste, wie verspielt das Jungtier war.

„Mario meinte, wenn ich ihn dir gleich bringe, hast du mehr Zeit zum trainieren. Umso mehr sich beide an die Arena gewöhnen, desto besser." Er drückte mir den Strick des Schimmels in die rechte Hand. An der Linken hatte ich bereits meinen Falben. Aufgeregt tänzelte der junge Hengst neben mir herum, doch nach einigen strengen Blicken von mir und Vito besann er sich eines Besseren und blieb ruhig. Zumindest für den Moment, bis alle Pferde ausgeladen waren. Zwei fehlten noch.

Ich konnte die Köpfe zweier Apfelschimmel ausmachen. Beide sahen sich recht ähnlich, wobei der Eine etwas älter aussah. „Sorgho.", stellte Ludo knapp das nächste Tier vor und band es neben Aguilito an einen weiteren Ring. Ein hübscher, hellgrauer Apfelschimmel war er und er schien ähnlich ruhig wie der Fuchs zu sein. Die neue Umgebung juckte ihn wenig und er schien fast sogar schläfrig von der langen Fahrt. Nicht so wie Nevado, der immer mal wieder zwischendurch zu tänzeln begann. Er wollte nach dem vielen Stehen auf engem Raum sich endlich wieder bewegen. Vito war nicht besser, auch er hüpfte um mich herum wie ein Floh.

Das nächste Tier kannte ich. Allegro. Irgendwo war er mir noch ein Begriff. Ludo hatte ihn in der Wintersaison über ausgebildet und er war sein ganzer Stolz. Der recht junge Apfelschimmel sollte als Ersatz für Urano in der Show gehen. Urano war wohl einer der treusten Begleiter des Arenachefs gewesen. Doch leider war der stolze Hengst vor einiger Zeit an einer Kolik gestorben und so musste jetzt Allegro zwangsläufig sofort einspringen. Ich vermutete, dass Ludo ihn in der nächsten Zeit noch einmal intensiv trainieren würde, bevor die Saison in vier Wochen begann. Ende Januar waren die Beiden zu Mario gefahren. Ludo hatte sich mit Mario wegen der Show sowieso zusammensetzen müssen und hatte bei der Gelegenheit unserem Meister auch gleich den Junghengst vorgestellt, weshalb er nicht gleich hier in der Arena geblieben war.

Wir einigten uns schnell auf die Verteilung der Boxen und entschieden alle sechs Vierbeiner vorerst hinten unterzubringen. Die Boxen vorne, die später auch für die Zuschauer sichtbar waren, würde wir erst dann richten, wenn auch die nächsten Pferde kamen. Das sollte im Laufe der nächsten Wochen der Fall sein.

Kaum dass alle Pferde sicher in ihrem neuen Zuhause standen, nahm ich ein weiteres Geräusch wahr. Zwei Autos fuhren auf den Hof. Rasch verließ ich Vitos Box, die ich bis eben noch mit Stroh gefüllt hatte und sah nach den Neuankömmlingen. Ich hatte eine Vorahnung, doch ich wollte mir sicher sein. Ein blauer Renault, eine blonde Fahrerin. Richtig, es war Marion.

Sobald ich sie erkannte, stürmte ich auf sie zu und fiel ihr in die Arme. Sie lachte über meinem Übermut, aber freute sich mindestens genauso mich wiederzusehen. „Man, wie habe ich dich nur vermisst...", lachte ich und drückte sie fest. Belustigt befreite sie sich aus meinen Armen und hielt mich eine Armeslänge von sich. „Merkt man. Aber dir erging es in der Zwischenzeit anscheinend besser als nach den eineinhalb Monaten im vergangenen Jahr." „Wieso? Sieht man es mir an? Aber ja, es war besser als letztes Jahr. Vielleicht bin ich auch daraus gewachsen. Oder Marco hatte mir eine Gehirnwäsche unterzogen..." Übermütig drehte ich mich einmal mit ausgebreiteten Armen um mich selbst, um mich zu präsentieren.

Moondancer - PferdeträumerWhere stories live. Discover now