3. Junge Hengste...

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Meine gute Laune vom Morgen war meiner ruhigen, nachdenklichen Miene gewichen. Erst, als ich Vito fertig versorgt hatte, wurde mir klar, was soeben geschehen war. Im Geiste ging ich noch einmal das Szenario durch, durchdachte die Ursachen, doch alle führten auf dasselbe hinaus.

Ich hatte versagt.

Am besten wäre, wenn ich Vito jetzt für ein Jahr auf die Seniorenweide stellen würde, ihn alles vergessen lassen würde und ihn danach mit Mario zusammen richtig ausbilden würde. So konnte ich es richtig lernen. Ich verstand bis heute nicht, warum mein Meister mir ein Jungtier gegeben hatte zum einreiten. Er hatte mich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht richtig gekannt! Aber vermutlich war es ein Test gewesen. Wenn es so gewesen war, wie er behauptet hatte... Dann hatte er von Anfang an gewusst, dass ich ein Moondancer war und wollte mich testen. Ob ich aufgeben würde oder ob ich die unmögliche Aufgabe durchziehen würde. Ich hatte es geschafft, was nur ein weiterer Beweis für seine Theorie gewesen war. Als mir das klar wurde, hätte ich am liebsten ein Loch in den Boden gegraben und mich darin eingebuddelt. Und dann wäre ich für immer darin geblieben. Im Erdboden versunken. Es war so peinlich. Die ganze Zeit hatte ich versucht, allen etwas vorzuspielen.

Über meinen Gedanken seufzend schloss ich die Boxentür hinter mir. Vito hob nicht mehr seinen Kopf, um mich zu verabschieden, doch ich murmelte noch ein leises „Tschüss, mein Großer." So wie früher immer. Er zuckte nur kurz mit dem Ohr in meine Richtung. Da war kein „Bis Morgen, meine Kleine" oder das immer etwas traurige Nachblicken. Ich nahm mir vor, am nächsten Tag wirklich wieder das intensive Training aufzunehmen und dieses Mal nicht den gleichen Fehler zu machen wie letztes Jahr. Ich wollte, nein, ich musste, ihm die allgemeingebräuchlichen Hilfen beibringen. Ihm zeigen, wie er unter einem normalen Menschen sich zu verhalten hatte. Er durfte nicht so auf mich geprägt sein, sonst wäre er nutzlos für uns. Was sollten wir machen, wenn ich mal nicht reiten konnte, aber nicht genug Pferde da waren?

Das einzige, was mich immer noch störte, war, dass unser Band mit dem Ausritt zerstört zu sein schien. Seitdem er unter mir durchgegangen war, hatte er kein Wort mehr gesagt, geschweige denn, dass ich ihn erreicht hatte. Da war weder Verständnis in seinen Augen gewesen, noch ein liebevoller Blick. Nur die kalten, klaren Augen eines Pferdes. Bevor ich jedoch den Heimweg antrat, sah ich noch kurz bei Nevado vorbei. Der Schimmel kam sofort angelaufen, als er meine Schritte hörte.

„Hanna!", rief er erfreut aus. Ich musste grinsen. Umso nerviger er sein konnte, desto liebenswerter war er zugleich. Wenigstens einer, der noch mit mir redete. „Nevado.", erwiderte ich seinen Gruß und streckte meine Hand in seine Richtung aus. Sofort kam er mir mit seiner Nase entgegen und berührte damit meine Finger. Lächelnd fuhr ich über das weiche Fell in seinem Gesicht.

„Machen wir heute noch etwas?", kam es wie aus der Pistole geschossen kurz darauf aus seinem Mund. „Nein, es ist schon zu spät. Aber ich bin morgen wieder da, versprochen!" Sofort schlich sich ein leicht enttäuschter Ausdruck auf seine Miene. „Schade... hätte ja sein können.", murmelte er und schlug für einen Moment die Augen nieder. „Ach, wir beginnen doch morgen schon mit dem Training! Du kannst froh sein, wenn du einen freien Tag mehr hast!" Schmunzelnd stupste ich gegen seinen Hals, was ihn wieder aufblicken ließ. „Das glaube ich nicht. Ich mag dich doch so gern!" Er bekräftigte seine niedliche Aussage mit einer plötzlichen Schmuseattacke gegen meine Brust. Überrascht stolperte ich einige Schritte nach hinten und lachte. „Du bist unmöglich", kommentierte ich belustigt und hob dann meine Hand zum Abschied. „Ich gehe lieber, bevor du mir noch zu aufdringlich wirst." Grinsend drehte ich mich um und setzte zum gehen an. „Och, Hanna. Warum gehst du jetzt schon?", beschwerte er sich noch. Ich riskierte noch einen Blick und entschied, dass jetzt wirklich Zeit zum Rückzug war. Er erinnerte in so vielen Hinsichten an einen Welpen, dass ich in seiner Gegenwart nicht lange ernst bleiben konnte. Und auslachen wollte ich ihn auch nicht.

Moondancer - PferdeträumerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt