6. Training

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Etwa 10 Minuten später standen wir alle in der Arena. Ludo erklärte den groben Ablauf, doch wir sollten unsere Choreos selbst zusammenstellen, er gab es uns nicht vor. Das Ziel war, nicht zu gekünstelt auszusehen, sondern den Kampf so realistisch wie möglich aussehen zu lassen. Da ich die Rolle von Isadora übernehmen sollte, sah ich zuerst eine Weile bei Charles, Marion und Ludo zu, die versuchten, einen guten Ablauf hinzukriegen. Es sah lustig aus, wie sie die Schwerter wie in Zeitlupe schwangen. Doch ich wusste, jeder Handgriff musste sitzen bevor man sich in der Schnelligkeit verbessern konnte. Obwohl man sich nicht einmal wenn man ungeschickt war an den Schwertern schneiden konnte, so konnte man doch mit genügend Schwung trotzdem Knochen brechen. Und Verletzte brauchten wir hier keine. Ich fühlte mich ein bisschen nutzlos und ließ die drei allein weiterkämpfen. Stattdessen machte ich mich auf die Suche nach einem anderen freien Kampfpartner. Die Technik konnte man auch ohne festen Ablauf verbessern.

Julien war frei. Er gab Anweisungen an zwei der Neuen weiter, die ich nicht kannte. Seine blonden Locken hatte er zu einem kurzen Pferdeschwanz gebändigt, der jedes Mal wild hin und her hüpfte, wenn er genervt den Kopf schüttelte. „Darf ich mich dazu gesellen?", fragte ich höflich und stellte mich neben ihn. Er sah mich kurz an, dann wandte er sich wieder seinen Schülern zu. „Du kannst eigentlich sogar da mitmachen. Wir feilen gerade an einer abwechslungsreichen Choreographie. Wenn man sein Schwert nur ständig von links nach rechts schwingt sieht es langweilig aus." Verständnisvoll nickte ich und stellte mich den Kämpfenden gegenüber. „Also, Hanna übernimmt jetzt meine Rolle des Bösen.", erklärte er und führte seine Anweisungen fort. „Rechts, links, rechts, oben.... Nein, der Schwung kommt da aus der Schulter nicht aus dem Handgelenk, rechts, noch einmal rechts...."

Zufrieden beschränkte ich meine Übung darauf, die sanften Hiebe zu blocken. Es dauerte nicht lange und trotz meiner leichten Tätigkeit begannen meine Arme zu schwer zu werden. Die Aluminiumklinge war nicht gerade leicht, obwohl das schon eine leichtere Variante war. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie die Ritter im Mittelalter das gemacht hatten. Deren Todeswerkzeuge waren schließlich aus Eisen.

Als wir nach zwei Stunden intensivem Training aufhörten, war ich trotz des einigermaßen kühlen Wetters verschwitzt und konnte meine Arme kaum noch spüren. Ich fragte mich, was ich falsch gemacht hatte, als ich Marion sah, die nicht einmal angestrengt aussah, obwohl auch ihr die Schweißperlen auf der Stirn standen. „Heute Nachmittag schauen wir mal, ob wir im Tjosten weiterkommen.", erklärte sie, als wir auf dem Weg zur Kantine waren. „Ernsthaft?", fragte ich stöhnend. „Meine Arme fühlen sich jetzt schon an, als würden sie abfallen...", jammerte ich. „Du bist nur noch nichts gewöhnt. Aber wenn du willst können wir die leichten Stangen vom Apfelspiel nehmen und erst einmal das Zielen üben. Dann machen wir morgen mit den großen Lanzen weiter.", schlug sie nachsichtig vor. „Ich glaube nicht, dass ich morgen meine Arme heben kann...", meinte ich und rieb mir die schmerzenden Muskeln. Marion grinste. „Du solltest vielleicht mal überlegen, etwas für deine Armmuskeln zu tun. Dann würde dir alles viel einfacher fallen." Sie krempelte ihren Pullover hoch und präsentierte stolz ihren deutlich sichtbaren Bizeps. „Siehst du? So hat das auszusehen." „Angeber.", grummelte ich beleidigt. „Du machst doch auch den ganzen Tag nichts anderes..." „Naja, nicht immer. Ich mache mindestens einmal die Woche intensives Krafttraining. Armmuskeln kannst du in unserem Beruf nicht genug haben. Alternativ kannst du auch gerne den ganzen Tag Ställe ausmisten, das läuft auf das gleiche hinaus. Oder du trainierst ab sofort täglich mit dem Schwert eine Stunde lang.", zählte sie auf. Ich verdrehte die Augen. „Um Gottes Willen, du bist wahnsinnig."

Sie lachte auf. „Das dachte ich am Anfang auch von mir, als ich hörte, wie hart die Stuntausbildung ist. Aber das gehört dazu." Ich hielt ihr die Tür auf, als wir die Kantine betraten. Der Duft von dem Üblichen, Nudeln mit Hähnchen, schlug uns entgegen. Marion schnupperte. „Riecht appetitlich, wie immer eben..." Ich schmunzelte über ihren Sarkasmus und ließ die Tür wieder hinter uns zufallen.

Wir redeten nicht viel beim Essen, ließen das Thema Stuntreiten einfach unter den Tisch fallen. Doch mir schwante, dass Marion es irgendwann wieder ausgraben würde. Spätestens morgen, wenn ich mit den heftigsten Armmuskelkater meines gesamten Lebens aufkreuzen würde.

...

Moondancer - PferdeträumerWhere stories live. Discover now