5. Die Rückkehr des schwarzen Ritters

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Die nächsten zwei Wochen waren nicht besonders spannend. Wir arbeiteten überwiegend an der Dekoration für die Show. Beziehungsweise die Anderen arbeiteten, ich war meistens in der Schule oder, wenn ich da war, sah lediglich zu. Ich hatte Angst, die schönen Arbeiten der Anderen kaputt zu machen. Immer noch war ich nicht gut genug, um Leder zu Sätteln zu verarbeiten. Oder um die Umhänge für die Pferde zu gestalten. Zudem hatte ich sowieso nicht viel Zeit, ich lernte für die mündliche Prüfung, die wir demnächst haben würden. Ich machte diese natürlich im Fach Französisch, die Lehrer sahen das zwar nicht gerne und ich nahm auch an, dass das eigentlich verboten war, aber angesichts der Umstände drückten sie mich durch. Denn sonst würde mein Nummerus Klaurus nicht gut genug sein, um später noch irgendetwas zu studieren. Obwohl ich mich eigentlich den Pferden verschreiben wollte, so war es doch gut, etwas im Rücken zu haben.

Nicht, dass ich wirklich daran glaubte, dass ich das schaffen würde, doch ich versuchte es wenigstens. Erbärmlich und kläglich versuchte ich es. Doch sobald die schriftliche Prüfung in Mathe vorbei war, ging es wieder etwas besser. Ich wollte die Mathe Note nicht. Eigentlich war ich nie jemand gewesen, der schlecht in Mathe war, aber das Abi war der Horror gewesen. Wir mussten viele der Formeln auswendig können, durften nur zur Hälfte einen Taschenrechner verwenden und ich hatte den ganzen Stoff der letzten Jahre nur noch spärlich im Hinterkopf. Lücken, die mir zum Verhängnis geworden waren.

Heute war der erste Tag Training für die gesamte Mannschaft. Inzwischen waren alle anwesend und ich musste feststellen, dass kaum noch jemand aus dem vergangenen Jahr da war. Ludo, Arnaud, Karel, Julien, Marion und ich waren die einzigen, die geblieben waren. Neu war Steve, ein etwas kleiner, stämmiger Mann, der meistens ganz witzig war. Er erinnerte etwas an Stephane, der natürlich auch geblieben war, zusammen mit Denis. Außerdem waren Todor, Sylvain, Mickael, Gregory und Loic dazu gestoßen. Todor war nicht aus Frankreich, er kam irgendwo aus der Ecke, aus der auch Karel kam. Ich schätzte, es war Ungarn oder Tschechien. Ich hatte ihn nicht gefragt. Sylvain war sowieso nur übergangsweise da, er würde uns bald wieder verlassen. Obwohl er denselben Namen trug wie mein gefürchteter Lieblingsmagier, war er doch ganz anders. Ein etwas älterer Herr, mit viel Erfahrung. Er würde uns am Anfang unterstützen, bis sich alles eingependelt hatte und der Cast endgültig feststehen würde. Es waren noch längst nicht alle Personen da, die da sein sollten. Ich wusste, dass Marion und ich demnächst noch Verstärkung bekamen, da Marion mich wieder allein lassen wollte. Ende April würde sie uns wieder für eine Filmproduktion und Kaltenberg verlassen. Für Kaltenberg musste ich erst später aufbrechen, da mein Part schon feststand und ich keine durchgängige Rolle hatte, brauchte ich nicht zwingend in die Gesamtproben, hatte Mario gemeint. Ich war kein spezieller Teil der Handlung, würde nur kurz wie ein Zwischenakt auftauchen und danach wieder verschwinden. Er meinte, ich sein in Rust besser aufgehoben und wollte mich so lange wie möglich dort lassen. Mickael kam ebenfalls nicht aus Frankreich. Er sprach mit Akzent Französisch, welcher genau es war, konnte ich aber nicht zuordnen. Greg wiederum erinnerte etwas an Karel. Mit Mitte 30 gehörte er fast schon zu den Älteren und hatte einen recht ruhigen Charakter. Loic hatte Wurzeln in den Niederlanden, war aber in Frankreich aufgewachsen. Er war etwas frecher als Greg, machte gerne der ein oder andere Spaß mit und schien ziemlich aufgeweckt. Ihm schien die Arbeit eine Menge Spaß zu machen.

Ebenso wie Charles. Dieser hatte sich als lustiger Geselle entpuppt. Er war nicht besonders alt, so alt wie Marion etwa und liebte es, andere Leute aufzuziehen. Wenn irgendwo Gelächter klang, war meistens er in der Richtung. Seine gute Laune war sein Markenzeichen. Charles war toll. Ich mochte ihn sehr gerne. Sein einziger Fehler war sein Schlafrhythmus. Häufig kam er übermüdet in den Stall, da er bis tief in die Nacht noch gezockt hatte. Als bekennender Fan von Assassin's Creed verbrachte er unendlich viele Stunden mit dem Spiel.

Alle zusammen saßen wir also nun im Aufenthaltsraum und sahen wie Schüler zu Ludo, dem Lehrer, auf. Unser Chef stand mit einem schwarzen Filzstift neben einem Whiteboard und erklärte die Szenen für dieses Jahr. Um seine Erzählung zu unterstreichen schrieb er zu jeder Szene einige Stichpunkte auf die Tafel oder malte sogar eine kleine Skizze.

„Die Show heißt dieses Jahr ‚die Rückkehr des schwarzen Ritters'.", fing er an zu erklären. „Die Handlung ist mal wieder ziemlich kurz und einfach. Der König ist gestorben und man sucht einen Nachfolger für ihn. Deswegen wird ein Turnier abgehalten, welches jedoch von dem schwarzen Ritter, der ebenfalls König werden will, unterbrochen wird. Sie müssen ein erneutes Turnier abhalten, um den endgültigen Sieger zu bestimmen, da der schwarze Ritter sie alle im ersten Durchgang besiegt hat. Auch dieses gewinnt der schwarze Ritter, aber nur knapp, und will sich die Krone holen. Er wird jedoch aufgehalten, es gibt einen Kampf zu Fuß, indem am Ende der schwarze Ritter besiegt wird. Soweit die Kurzfassung des Inhalts."

„Steht denn schon eine Rollenverteilung fest oder machen wir das spontan?", warf Todor ein. „Den schwarzen Ritter mache natürlich ich, wie immer. Arnaud will auch zu den Schwarzen. Charles scheint mir am besten geeignet für die Rolle der Hauptperson, der Gute, der später die Krone bekommt. Und die Ladys...", er deutete kurz auf Marion und mich, „...spielen die Lady Isadora, die zusammen mit König Roland von Rust, also Charles, gegen den schwarzen Ritter Siegfried gewinnt und somit zur Königin wird. Ansonsten brauchen wir pro Show mindestens drei, vier weitere Ritter auf der guten Seite und noch einen auf der schwarzen Seite. In dem großen, letzten Tjostkampf haben wir fünf gegen drei Reiter. Drei Gute zusammen mit Isadora und Roland und eben zwei schwarze Hilfen für Siegfried und er selbst.", erklärte Ludo ausführlich. „Aber, um zurück auf deine Frage zu kommen, das entscheiden wir spontan, wer welche Rolle haben will. Abgesehen von den Hauptrollen, ich denke, die bleiben so fest bestehen." Todor nickte zufrieden. Ludo war ein guter Lehrer.

„Aber ich möchte nun ins Detail gehen. In der ersten Szene kommen Denis und Stéphane hinein, Denis erzählt die Umstände und kündigt dann die vier Ritter an. Zuerst Roland von Rust, dann Morgan, dann Winfried und zum Schluss Isadora. Danach werden zwei Richter aus dem Publikum ausgewählt. Anschließend findet auch schon die erste Turnierrunde statt. Tjosten. Zuerst Winfried gegen Morgan und dann Isadora gegen Roland. Dann die beiden Gewinner. Allerdings kommt es dazu nicht mehr, den der schwarze Ritter komm herein. Er wirft Roland vom Pferd und verkündet, dass er König werden will. Also tjostet er zuerst gegen Winfried und dann gegen Isadora. Er gewinnt beide Kämpfe, Isadora fällt vom Pferd. Denis erklärt, dass es noch eine zweite Runde geben muss und Siegfried zieht ab. Danach beginnt das Training der vier Ritter Winfried, Morgan, Roland und Isadora. Zuerst kommt das Training mit der Attrappe, ihr wisst ja, das indem ihr gegen die Puppe tjostet. Dann machen sie das Apfelspiel, in welchem ihr den Apfel von einem Holzpflock aufspießen muss und zum Schluss die Voltige. Wenn das fertig ist, taucht Siegfried mitsamt Gefolge auf. Zur Präsentation bauen wir an der Stelle das Carousel ein, die drei schwarzen Ritter reiten oben ihre Runde, die fünf Guten bleiben unten. Erst dann beginnt das große Turnier. Isadora und Roland reiten am Anfang wieder raus, sie kommen erst wieder hervor, wenn die anderen drei schon besiegt sind. Natürlich retten die zwei dann die Krone und besiegen Siegfried. Der will allerdings nicht aufgeben und sich die Krone holen. Er wird aufgehalten und es gibt einen Kampf am Boden. Immer zwei Gute gegen einen Schwarzen. Doch der Kampf wird unterbrochen, denn er soll auf dem Tisch entschieden werden. Dem Plateau, auf dem am Ende nur Isadora und Roland gegen Siegfried kämpfen. Sie gewinnen und die Show wird dann beendet."

Es entstand eine kurze Stille, jeder ließ Ludos Worte kurz auf sich wirken und stellte sich die Show vor seinem inneren Auge vor. Ich tat es genauso und lächelte zufrieden. Sie schien gut zu werden.

„Haben wir eigentlich einen bestimmten Trainingsplan?", wollte Micka wissen. Unser Chef nickte. „Ich denke schon. Wir fangen jetzt erst einmal mit den schwierigen Kampfchoreos an und üben die Elemente erst einzeln. Erst zum Schluss bringen wir es in die chronologische Reihenfolge. Ich hoffe, von euch hat keiner eine allzu große Schwäche im Tjosten, es wäre Zeitverschwendung, wenn wir das jetzt noch üben müssten. Oder hat das jemand?", fragend sah er uns an. Ich sank etwas auf meinem Stuhl zusammen. Ich traute mich nicht, ihm zu sagen, dass ich bis auf das eine Mal bei Mario noch nie das gemacht hatte. Doch Marion berührte ich mich beruhigend am Arm. „Ich bringe dir die grundlegenden Sachen noch bei, keine Sorge.", flüsterte sie und ich atmete erleichtert aus. „Danke.", murmelte ich zurück.

„Also wenn es soweit keine Fragen mehr gibt, würde ich heute gerne schon mit dem Gruppenkampf vor der Tischszene anfangen. Wir sind ja ziemlich vollständig, das passt wunderbar.", verkündete Ludo unseren Arbeitsauftrag und klatschte dann in die Hände, als keiner widersprach. „Dann mal an die Arbeit!"


Moondancer - PferdeträumerTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang