37. Glücksdroge

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Ich versorgte Vito, ließ mich zu etwas Obstsalat zum Abendessen überreden von Marco, der sich laut eigener Aussage trotz allem Sorgen um mich machte. Jedoch ließ er mich sonst in Ruhe. Er wirkte ganz und gar nicht glücklich und ich wusste, dass es allein meine Schuld war. Doch er war nicht wütend, wir hatten uns ja nie wirklich gestritten. Vielleicht hätte das geholfen. Einen klaren Schnitt zu machen, anstatt sich gegenseitig so nah und doch so fern zu sein. Wer blieb mir jetzt überhaupt noch? An wen konnte ich mich wenden? Mario? Er hatte doch keine Ahnung von so etwas, auch wenn er an diesem Morgen so verständnisvoll gewirkt hatte. Doch er hatte das nur für Vito getan. Er konnte Pferde lesen, aber Menschen waren für ihn ein anderes Universum.

Nevado? Er würde noch weniger verstehen. Und ich wollte seine junge, fröhliche und naive Welt nicht kaputt machen. Zumal er mit seiner optimistischen Laune mich doch regelmäßig zum Schmunzeln brachte.

Darüber zu denken, machte mich unfassbar müde. Ich spießte das letzte Stückchen Apfel auf und schob es mir in den Mund. Es schmeckte nach gar nichts. Wie alles andere, was ich aß. Ich räumte mein Geschirr weg und machte mich bettfertig. Die Uhr meines Handys zeigte 19 Uhr an, einige Nachrichten hatten sich über den Tag angesammelt, doch ich hatte keine Lust irgendeine zu öffnen. Stattdessen schaltete ich es aus, kuschelte mich in meine Decke und schloss die Augen. Erschöpfung machte sich in mir breit, obwohl ich doch vorhin schon einige Zeit bei Lea geschlafen hatte. Lea. Der Gedanke an sie wärmte mein eingefrorenes Herz ein wenig. Ich realisierte, dass ich bei ihr gar keinen Albtraum gehabt hatte. Dabei waren sie doch eigentlich zu meinem nächtlichen Begleiter geworden. Es war immer noch Derselbe. Der mit Freddie Mercury und der Arena. Und mit jedem Mal fühlte sich die Einengung der anderen Menschen realistischer an und jedes Mal wachte ich luftschnappend auf. Doch inzwischen hatte ich mich so daran gewöhnt, dass meine Panik davor beinahe abgeflaut war. Obwohl ich immer noch diese panische Angst vor der grauen Masse hatte, so ertrug ich es inzwischen gequält.

Ich stellte mir vor, dass der zottelige Wolf wieder neben mir liegen würde. So fest, dass ich beinahe das Fell und seine Wärme an meinem Arm spüren konnte. Die Vorstellung entspannte mich und ließ mich bald in einen tiefen Schlaf sinken.

Es war das laute Bellen eines Hundes, welches mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf riss. Dennoch fühlte ich mich ausgeruht, obwohl es erst sechs Uhr war. Ich warf einen Blick aus dem Fenster und entdeckte Lea, sowie den Schäferhund Luraschis, die sich spielerisch über den Hof jagten. Sie strahlten eine solche Freude aus, dass ich lächelte, um dann aufzuspringen und mich in Rekordzeit anzog. Einige Minuten später saß ich draußen auf einer Bank, sah dem Hof beim erwachen zu und warf Hevea, dem Hofhund, immer wieder einen Tennisball, während meine Schwester in ihrer Tiergestalt neben mir lag und sich von mir kraulen ließ.

„Warum bist du eigentlich hierhergekommen?", fragte ich irgendwann, während Hevea gerade wieder dem Ball nachjagte. Der Wolf sah mich aufmerksam an und dann hörte ich plötzlich ihre Stimme in meinem Kopf. Es überraschte mich irgendwie nicht, mit ihr wirkte alles so vertraut und bekannt, dass ich mich direkt wohlfühlte. „Mir war langweilig da draußen und dich macht es doch auch glücklich, mich zu sehen, oder nicht?" Ich schmunzelte. „Stimmt. Irgendwie wusste ich tief im Inneren, dass da immer eine Schwester fehlte und jetzt, da du hier bist, fühle ich mich irgendwie vollständig und besser" „Geht mir genauso. Es ist schön, dich endlich gefunden zu haben", antwortete sie freudig und wedelte schwach mit dem Schwanz. Ein anderer Fellknäul forderte plötzlich meine Aufmerksamkeit. Die Schäferhündin hatte mir wieder den Tennisball vor die Füße gerollt und blickte mich mit ihren schwarzen, treudoofen Augen erwartungsvoll an. Kichernd beugte ich mich nach unten. „Jaja, ich mache ja schon", versprach ich und warf ihn im hohen Bogen Richtung Stallgebäude. Der Hund sprang auf und erwischte den Ball sogar fast im Sprung, jedoch fehlten ihm einige Zentimeter und so jagte er ihm hinterher.

Moondancer - PferdeträumerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt