57. Vitos Geheimnis

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Am späten Nachmittag saß ich neben Marion in der Sonne und erzählte ihr von dem morgendlichen Besuch auf dem Friedhof. Es war fast zu privat, ihr davon zu berichten, denn es war, als würde ich damit das Mysteriöse an diesem Friedhof zerstören obwohl er sicherlich öffentlich war, nur kaum ein Mensch den Ort kannte. „Und dann hast du ihn gefragt, ob er Vollmond mit dir durchstehen will?", fragte sie, als ich geendet hatte. Ich nickte. „Das erschien mir in diesem Moment irgendwie richtig. Ich glaube, er will mir an diesem Tag wieder etwas zeigen, was elementar wichtig ist. Also, ich weiß, wie sehr du dich darauf gefreut hast, aber ich denke, es ist besser, wenn du nicht dabei bist am Mittwoch. Tut mir leid", entschuldigte ich mich. Sie seufzte. „Ich kann nichts dagegen machen, oder? Dann soll es so sein. Ich werde bestimmt wieder meine Gelegenheit erhalten" Ich lächelte: „Danke"

„Aber jetzt noch einmal von vorne. Du denkst, er will dir damit sagen, dass du auf die Vergangenheit keinen Einfluss mehr haben kannst und deshalb damit abschließen sollst?" Nickend bestätigte ich ihre Aussage. „Aber worauf bezieht er sich damit?", fragte ich weiter. Nachdenklich legte Marion die Stirn in Falten. „Das einzige, was mir spontan einfällt ist, dass du Vito irgendwie verzeihen musst, um wieder zu ihm durchzudringen". „Das habe ich doch längst getan, ich würde ihm immer verzeihen, aber er reagiert einfach nicht", warf ich diese Theorie wieder über Bord. „Fakt ist, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass er den Schlüssel kennt. Vielleicht kriegst du am Mittwoch mehr aus ihm heraus?", überlegte sie laut weiter. „Das glaube ich auch. Fragt sich nur, woher. Das hat er mir immer noch nicht verraten. Was weißt du denn über ihn?", wollte ich von ihr wissen und sie legte angestrengt die Stirn in Falten. „Also, er war schon immer so zurückgezogen, er ist ungefähr 50 Jahre alt, er komponiert gerne, ich kenne ihn auch erst seit ich in der Cavalcade bin, und... mehr weiß ich gerade nicht", begann sie aufzuzählen. „50 Jahre. Das heißt, er war bei meiner Geburt ungefähr 30 Jahre alt...", überlegte ich laut und plötzlich sah ich Marion mit großen Augen an, „Das heißt, er war in dem Alter bestimmt schon bei Mario und kennt Nathalie persönlich. Und die zwei sind die Einzigen, die wissen zu scheinen, was los ist. Mario und Fred, zwei Männer, die Nathalie gut kannten. Vielleicht hat es etwas damit zu tun!" Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Nathalie war der Schlüssel. Ich hatte sie nicht gesehen, als ich bei Mario gewesen war. Vielleicht hatten die Beiden sie vor mir verborgen, weil sie ebenfalls alles wusste!

Marion sprang auf. „Natürlich! Mensch, Nathalie hat sich umgebracht! Was hast du dieses Jahr jetzt schon einige Male überlegt?" „Die Geschichte wiederholt sich", sprach ich die Worte aus, die ich schon mehr als einmal in diesem Zusammenhang gehört hatte. „Wie viel weißt du über Nathalie?", fragte ich meine beste Freundin. „Nicht viel, Mario hat alles über sie verschwinden lassen, weil er sich immer noch schuldig fühlt. Sie kam nie damit klar, ein Moondancer zu sein hast du gesagt" Ich stöhnte auf. „Vielleicht hatte Nathalie das gleiche Problem, aber sie haben es nicht geschafft, sie am Leben zu behalten. Deswegen probieren sie bei mir jetzt aus, ob es besser ist, mich im Unwissen zu lassen. Na, toll. Erfolgreich waren sie nicht, ich weiß immer noch nicht, warum ich mich noch nicht umgebracht habe", seufzte ich. „Jetzt hör schon auf so zu denken, du lebst und das ist auch gut so. Du bist nicht Nathalie. Du schaffst das. Wir sind dem Ziel nahe, glaube ich. Noch länger können sie es nicht geheim halten und wenn doch kriege ich sie schon dazu, den Mund aufzumachen", knurrte die Blonde.

„Ich bin also ein Experiment von Mario und Fred. Und alle scheinen eingeweiht zu sein, außer du und ich", schlussfolgerte ich. Bedächtig nickte die Andere. „Nur verstehe ich noch nicht so ganz den Sinn hinter diesem Experiment. Nehmen wir mal an, sie haben Vito dazu gebracht so zu handeln wie er gehandelt hat und dir bewusst Schmerzen zugefügt... Wofür?" Ich zuckte mit den Schultern. „Mario kann sicher nicht mit Pferden reden und bei Fred weiß ich das immer noch nicht so ganz, aber ich glaube nicht. Sie verstehen die Pferde zwar auf ihre Art und Weise, aber das war es auch. Wie sollten sie Vito dazu bringen so durchzudrehen, wie er es getan hat?" „Stimmt. Also gehen wir mal davon aus, dass es von dem Pferd ausgeht und kein äußerer Einfluss vorhanden war-", merkte sie an, doch ich schüttelte heftig den Kopf. „Da muss ein äußerer Einfluss vorhanden sein. Das Ganze war ja über Nacht gewesen. Am Tag davor war alles gut gewesen und am nächsten Tag hat er mich ignoriert, war aber noch ansprechbar. Also er hat mich verstanden, mich aber bewusst ausgeschlossen. Warum sollte er das tun? Vor allem, weil er am Tag davor mir noch seine Freundschaft und Liebe gezeigt hat!" Marion zuckte mit den Schultern. „Also, um es zusammenzufassen, jemand muss mit Vito geredet haben in dieser Nacht, aber wer? Wer kann mit Pferden reden außer dir?", nachdenklich ließ sie sich wieder neben mir auf den Boden sinken.

Moondancer - PferdeträumerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt