25. Forever Young

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Weit kam ich nicht, denn ich hörte kurz darauf ein wildes Plätschern von hinten. Überrascht drehte ich mich um und entdeckte Nevado, der mir gefolgt war. „Warte, ich komme doch mit!", rief er und schwamm in meine Richtung. Ich lachte. „Hast du deine Angst auf einmal überwunden, oder was?" „Nein, nicht wirklich. Aber solange du das für sicher hältst, dann wird es sicher sein. Entweder wir gehen beide unter oder keiner von uns!", antwortete er zuversichtlich und ich wartete geduldig bis er an meine Seite geschwommen war. Seine Bewegungen sahen noch nicht besonders fließend aus, aber immerhin schwamm er ganz gut. Er war so süß, wie er mir hinterher gesprungen war und mir vertraute. „Einer muss ja auf dich aufpassen", fügte der junge Wallach noch hinzu und ich lächelte. „Wenn du meinst...", sagte ich noch etwas überrascht, aber fröhlich, über seine spontane Aktion.

Nebeneinander führten wir also unseren Weg durch das Wasser fort. Es dauerte einige Minuten bis wir die Insel erreichten, doch dort empfing uns bereits der Haflinger mit einem freudigen Wiehern. „Hallo!", rief Nevado zur Begrüßung, außer Atem durch die Kraftanstrengung, die er vollbracht hatte. Schwimmen war für Pferde anstrengend, doch wurde selbst bei Turnierpferden als gelenkschonendes Training eingesetzt. Es war gut für die Kondition, aber auch für Herz, Kreislauf, Muskeln und Lunge. Ich hatte das mal mitbekommen, als ich bei der zweijährlichen Eurocheval in Offenburg eine Weile einem Verkäufer für Pferdeschwimmbecken zugehört hatte. Ja, das gab es wirklich.

Der andere positive Effekt war die natürliche Wäsche von Nevados Fell. Erstaunlich, wie weiß er aussah, wenn er frisch gebadet hatte. Fast strahlend sogar. Ich kletterte etwas nach ihm auf die Insel und bekam erst einmal erneut eine Dusche, als sich mein Pferd das Wasser aus dem Fell schüttelte. Grinsend ging ich in Deckung und stieß ein empörtes „Hey!" aus. Belustigt schnaubte er sich die einige Wassertropfen aus den Nüstern und sah dann nach dem Haflinger, der neugierig zu uns herüber schaute. „Hallo", grüßte er freundlich und kam näher. Ich ließ ihn an meiner Hand schnuppern und strich ihm dann vorsichtig über den Hals. „Hallo, Schöner. Wo ist denn dein Reiter?", fragte ich leise, darauf bedacht ihn nicht mit meiner Stimme zu erschrecken. Wie erwartet reagierte er zunächst verwirrt. „Ich verstehe dich?", fragte er. „Ja, das ist nichts Ungewöhnliches. Es ist alles in Ordnung. Ich habe keine bösen Absichten", antwortete ich geduldig und sah mich auf der Insel um. Es war eine Art großer Felsen. Auf dem Stein hatte sich irgendwann Erde abgelagert und nun wuchs hier eine kleine Baumgruppe. Als ich den Reiter auf Anhieb nicht entdecken konnte, entschied ich, mich eine Weile an das Ufer in die Sonne zu setzen und die ruhige Atmosphäre zu genießen. Die beiden Pferde waren dazu übergegangen, das spärliche Gras zu fressen und so lauschte ich ihrem gleichmäßigen Malmen, dem Zwitschern der Vögel und das leise Plätschern des Wassers an dem Ufer. Irgendwann legte ich mich nach hinten, auf den Rücken, beobachtete eine Weile die Wolken und blendete alle Gedanken aus. Befreite meinen Kopf. Die Sonne schien warm auf mein Gesicht und trocknete meinen nassen Körper.

Für einen Moment war ich vollkommen glücklich, zufrieden mit mir und der Welt um mich herum. Ich dachte nicht an die Probleme, die ich hatte. Ich hatte sie hinter mir gelassen, als ich in den See geschwommen hatte. Das Wasser hatte mich rein gewaschen und die Sorgen an seinem Ufer gelassen. Die Insel war ein fast unberührtes Fleckchen Natur, still und einsam. Vereinzelt unterbrochen durch die Geräusche, die die Pferde verursachten. Wo gab es überhaupt noch Ruhe? In einer Welt voller Hektik, Medien und ständigem Konsum. Ich hatte nichts davon hier. Kein Handy, Empfang sowieso nicht, und niemand, der mir sagte, was ich als nächstes tun musste. Keine Werbung, keine Verpflichtung, es gab nur mich. Keine Uhr tickte und verkündete so das unaufhörliche Fortschreiten der Zeit. Als würde die Zeit auf dieser Insel nicht existent sein. Ein Stück auf der Erde, das nicht durch die Zivilisation zerstört wurde.

Ich hatte ihn nicht kommen gehört, so sehr war ich auf die Geräusche der Natur fokussiert, die mich erfüllten. Als Moondancer hatte ich sowieso einen ganz anderen Bezug auf die natürliche Umgebung, als Menschen. Ich nahm sie mit viel feineren Sinnen wahr, die in der Stadt und der Zivilisation meistens überfordert wurden. Zu viel Farben, zu viele Geräusche, zu viele Reize. Doch hier gab es nur die sanfte Natur, die meiner Seele schmeichelte.

Moondancer - PferdeträumerWhere stories live. Discover now