42. Und die Vögel singen nicht mehr...

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Eingebaute Songs: Rammstein - Ohne Dich; Pur - Spielt das Horn nochmal

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Es brauchte nur eine halbe Stunde zielloses umherirren, dann stieß ich schon fast mit der gesuchten Person zusammen. Fred stand im Schatten der Scheune und ließ sein Pferd an der Hand grasen. Ich begrüßte zuerst ihn, dann Lebrero. Dieser grüßte aufmerksam zurück. „Hast du wieder eine Geschichte für mich?" Ich schüttelte den Kopf und lächelte dabei. „Heute Abend vielleicht", flüsterte ich.

„Was führt dich zu mir?", nahm der Komponist mir das Thema ab. Mein ganzer Mut verließ mich wieder. „Nicht so wichtig...", wich ich deshalb aus. „Wenn es nicht wichtig wäre, wärst du nicht zu mir gekommen", bohrte er nach. Ich zuckte mit den Schultern. „Was ist damals mit Nathalie passiert?", versuchte ich von mir abzulenken, obwohl ich die Geschichte schon längst kannte. Das wusste wohl auch Fred. „Das weißt du doch. Sie hat sich umgebracht. Keine Ahnung warum. Angeblich litt sie an Depressionen" Verwundert hob ich die Augenbrauen. Unterbewusst hatte ich von Fred eigentlich vermutet, dass er alles wusste, doch entweder versteckte er die Wahrheit vor mir oder er war wirklich nicht im Bilde von der ganzen Magiesache. Bei so vielen Menschen, die es inzwischen schon wussten, hatte ich den Überblick verloren. Um etwas Zeit zu schinden murmelte ich nur ein „Ehrlich?". Allerdings war der Reiter genauso wortkarg. „Ja."

Ich ließ mich im Schneidersitz auf den Boden sinken. Lebrero ließ sich von mir kurz die Nüstern kraulen, dann fraß er weiter. „Hast du jemals überlegt, deinen Beruf zu wechseln?", fragte ich dann Fred. „Schon oft. Und doch setzte ich mich immer wieder auf das Pferd. Dabei bin ich eigentlich viel zu alt für den Kram. Die Zeiten, in denen ich den ganzen Tag vom Pferd fliegen, durch die Gegend springen kann ohne müde zu werden, sind vorbei" Ich nickte langsam. „Stell dir vor, jemand erwartet eine Menge von dir und du weißt, dass diese Aufgabe eigentlich ein Kinderspiel ist, doch trotzdem funktioniert es nicht, weil die anderen nicht so mitspielen, wie du es gerne hättest. Was machst du dann?" Nachdenklich strich der Mann über seinen Bart. „Nicht aufgeben. Es gibt für alles eine Lösung" „Doch wenn diese Lösung nicht erreichbar scheint? Wenn du keine Lösung siehst und langsam das Gefühl hast, an der Aufgabe zu scheitern?" Ich rupfte einige Halme Gras aus und ließ sie wieder durch meine Finger gleiten.

„Es ist wegen Kaltenberg, nicht wahr?", schlussfolgerte er richtig. Beschämt traute ich mich nicht, ihn anzusehen. Also riss ich weiter Grashalme aus dem Boden. „Vielleicht", murmelte ich. „Ich bin absolut kein Psychologe und ein Menschenkenner schon zweimal nicht. Doch Mario meint, du blockierst dich selbst. Rede mit ihm darüber" Energisch schüttelte ich den Kopf. „Mario versteht das nicht. Und außerdem, wie soll ich mich blockieren? Inzwischen fühlte ich mich wieder viel besser!" „Ich verstehe es noch weniger. Aber es kann sein, dass du dich wieder besser führst, doch du siehst immer noch aus, als ob es chronisch bergab geht. Warum sitzt du so oft alleine herum? Warum verschwindest du immer wieder im Wald? Meinst du, es fällt uns nicht auf?" Fred redete sich nicht in Rage, doch seine Stimme wurde kraftvoller. „Beobachtet ihr mich deshalb immer? Ludo, Mario und du? Und sagtest du nicht, ihr sitzt zusammen, weil ihr Kaltenberg besprechen müsst? Was jetzt?" Es waren alles Lügner. Alles. „Wir machen uns Sorgen", gab er zu. Jetzt sah ich auf. „Warum macht ihr das? Bin ich die Hauptperson in eurem Leben, das ihr mich schützen müsst? Lasst mich doch einfach in Ruhe!" Ich wurde wütend. Das Gefühl stieg in mir auf wie ein roter Ball. Suchend sah ich mich nach Lea um. „Hilf mir", flüsterte ich an sie gerichtet. Tatsächlich trabte sie um die Ecke.

„Weil es bei Nathalie genauso angefangen hat", sagte der Komponist plötzlich so leise, dass ich Mühe hatte ihn zu verstehen. Er drehte sich weg. Meine Schwester sprang auf meinen Schoß und ich vergrub mein Gesicht in ihrem Fell. „Kann er dich eigentlich sehen?", wollte ich plötzlich wissen. Etwas zu laut, denn auch der Mann neben mir drehte sich wieder zu mir um. Lea schüttelte den Kopf, während der Andere interessiert näher kam. „Wer kann wen sehen?", fragte er. „Du. Meine Schwester", erklärte ich. „Ist sie denn da?", fragte er angespannt weiter. „Ja", meinte ich und es war mir gerade egal, was er dachte. Für verrückt hielten sie mich eh alle schon. Er streckte seine Hand aus und bewegte sie in Richtung des Tieres auf meinen Beinen. Sie blieb entspannt liegen, als wüsste sie, dass er ihr nichts tun konnte. Und dann geschah etwas Seltsames. Seine Hand glitt einfach durch sie hindurch, als wäre sie nicht da.

Moondancer - PferdeträumerWhere stories live. Discover now