55. Die Show

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Fred ließ sich den ganzen Tag kaum blicken. Und wenn, war er beschäftigt mit Lebrero. Einmal schaffte ich es, ihn abzufangen und fragte, ob er sich nicht um Vito kümmern wollte, doch da hatte er den Kopf geschüttelt und gemeint, neben seinem Pferd war ein zweites von der Zeit her sehr schwierig. Ich glaubte ihm, es bedrückte mich aber zu wissen, dass der Falbe immer noch kaum Reaktion zeigte. In seiner Trotzhaltung machte er uns alle wahnsinnig und ich musste mich inzwischen mehr als überreden, ihn wenigstens kurz in die Halle zu lassen, damit er nicht den gesamten Tag in seiner Box stand. Ich hatte Nevado bereits gewaschen, als ich den Hengst dieses Mal wieder laufen ließ. Mein Schimmel war soweit fertig für seinen Auftritt, mein Kostüm hang griffbereit in der Nähe seiner Box, sowie ich sämtliche Vorbereitungen schon getroffen hatte. Wir würden nachher gemeinsam über den Markt gehen, um die Pferde, die hier bei der Halle standen und nicht im Stallzelt direkt bei der Arena, zu sammeln. In der Gruppe würden wir nur einmal kurz die Aufmerksamkeit auf uns ziehen, deswegen sollte es geschlossen von statten gehen, um so wenig wie möglich das Fest zu behindern.

Während die anderen noch einmal das Sattelzeug polierten oder die Pferde ein letztes Mal putzten, versuchte ich also meinen Vierbeiner zum Laufen zu überreden. Er tat, als würde ich nicht existieren. Allerdings machte er dabei keinen böswilligen Eindruck sondern eher den Eindruck von Angst und der Unsicherheit, wie er reagieren sollte. Nachdem er mich abgeworfen hatte schaute er mich, wenn überhaupt, nur noch wie ein geprügelter Hund an. Also vermied er es meistens, mich anzusehen. Er ging mir aus dem Weg, so gut wie er eben konnte.

Ich seufzte gut hörbar. „Lauf doch wenigstens ein paar Runden Schritt, sonst rostest du mir komplett ein", versuchte ich ihn zu überreden, erreichte aber keine Reaktion. Ich griff schließlich wieder zu härteren Mittel und nahm mir die verhasste, viel zu lange Longierpeitsche, die ich früher nie gebraucht hatte, um ihn wenigstens zu ein paar Runden Trab zu bewegen. Zwar machte er seinen Unmut laut kund, indem er mehrmals nach dem Hilfsmittel ausschlug, lief dann aber, anstatt sich nur demonstrativ in die Ecke zu stellen. Und das auch nur, als ich wirklich in Reichweite gekommen war, um ihn anzutreiben. Da war er losgedüst, um in der anderen Ecke der Halle eine Vollbremsung einzulegen und dort trieb er das gleiche Spiel. Erst, wenn ich wirklich nahe genug war, um ihm mit der Peitsche zu drohen, lief er. Eine Weile tat er das, dann gab ich auf und holte mir Hilfe. Und siehe da, der Herr konnte tatsächlich mehr oder weniger anständig laufen.

Mich verletzte er mit dem Verhalten nicht mehr. Ich hatte mich daran gewöhnt. Durch das Mensch-Sein der letzten Wochen waren diese intensive Gefühle für ein Pferd so weit in die hinterste Ecke meines Bewusstseins gerutscht, dass ich das Pferd nur noch als solches ansah. Dadurch hatte sich allerdings auch der Nachteil ergeben, dass ich die anderen Tiere kaum noch verstand. Zum Glück hatte ich mit Nevado die Nummer mehr als oft genug geübt, sodass er das Meiste sowieso schon auswendig konnte und eine verbale Kommunikation nicht mehr unbedingt von Nöten war. Lediglich kleine Handzeichen, in der Arena mit der gut sichtbaren, langen Gerte, reichten aus, um ihn wieder in die richtige Richtung zu lenken, sobald er falsch war. Jedenfalls, ich genoss es auch so. Auf mir lag nicht mehr die Belastung, es bei jedem Pferd zu hundert Prozent richtig zu machen, Fehler waren menschlich und das wurde akzeptiert. Natürlich keine groben Fehler, ich gab stets mein Bestes im Umgang mit den Tieren, doch es war auch so viel ruhiger geworden, dadurch, dass ich nicht ständig vollgequatscht wurde, wenn ihnen etwas auf dem Herzen lag. Sie ließen mich in Ruhe. Und ich vermisste es nicht. Ganz im Gegenteil, es war schön, ein normaler Mensch zu sein. Vollkommen ohne Verpflichtungen.

Allerdings tickte meine innere Uhr. In vier Tagen war wieder Vollmond und ich wusste nicht, was das ändern würde und was es mit sich bringen würde.

Einige Stunden vor dem Beginn machten wir uns schließlich auf, die Plätze zu wechseln. Ludo lief mit seinem treuen Apfelschimmel Urano voraus und hinter ihm folgte der Rest der heutigen Teilnehmer. Ich bildete das Schlusslicht, in der einen Hand mein Kostüm, in der anderen Hand Nevado, der in der Sicherheit der Gruppe ganz gelassen war. Mit dabei hatte ich noch seine Trense, nur mit Halsring war mir das beim Finale, wenn alle klatschten und die Arena voll mit den verschiedensten Pferden war, zu gefährlich. Die Trense gab sowohl mir als auch ihm Sicherheit. Am Halfter folgte er mir, seinen extra gemachten, grünen Halsring trug er ebenfalls. Viele aus Marios Cavalcade waren wirklich begabt darin, sämtliche Ausrüstung für die Pferde zu fertigen und so bekam ich einen zum Thema passenden Halsring, der mehr dafür da war, dass das Publikum nicht misstrauisch und irgendwelche Stimmen laut wurden. Zu schnell geschah es, dass jemand im Publikum saß, der neidisch war und irgendetwas schrieb, was uns in ein schlechtes Licht rücken würde. Manchmal sah es für manche Zuschauer so aus, als würden wir die Pferde quälen, schließlich läuft laut denen kein Pferd freiwillig unter dem Sattel und kein Pferd zeigt in der Natur solche Verhaltensweisen wie sie bei uns gezeigt wurden. Logischerweise war dem so, denn schließlich rannten wir auch nicht mit der Keule herum und erlegten mit bloßen Händen Wildschweinen, nur weil unsere Urahnen in freier Wildbahn das so getan hatten.

Moondancer - PferdeträumerWhere stories live. Discover now