𝓐chtunddreißig

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𝓙ungkook

Wütend ließ ich meine geschützten Fäuste gegen den weinroten Boxsack prallen und hielt ihn somit auf Abstand. Ab und zu landete mein Fuß auf ihm und schleuderte den Sack noch ein Stück weiter weg. Ich hatte die Zähne zusammengebissen, rang immer noch mit mir, hier und jetzt alles einfach rauszulassen oder meine Gefühle in Schach zu halten.

Gefühle waren für mich schon immer ein schwieriges Thema gewesen, weshalb ich mir nicht viel Mühe machte, sie jemandem zu zeigen. Meistens ging ich recht gleichgültig durchs Leben und nur Menschen wie Jimin konnten mich einigermaßen lesen. Dennoch wollte ich nie, dass jemand wusste, was in mir vorging.

Bei Taehyung zeigte ich deutlich häufiger Gefühle, auch wenn ein Großteil davon nur gespielt war. Schließlich musste ich überzeugend sein. Trotzdem hatte ich in letzter Zeit die Vermutung aufgestellt, er könne in meine Seele blicken. Seine Handlungen passten sich den Emotionen an, die in mir tobten und ein wenig besorgte es mich. Wenn das so weiterging, könnte er hinter meine Fassade blicken.

"Was regst du dich überhaupt so auf?"

Ein letztes Mal schlug ich auf den Boxsack, bevor ich mich zu Jimin umdrehte, der mich an eine Wand gelehnt beobachtete. Seine Arme waren verschränkt und er musterte mich, verwirrt und verständnislos.

"Entschuldige, wenn er mich nervt", fauchte ich, doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen legte er seine Stirn in Falten und sein Blick wurde intensiver. Ich hielt den Blickkontakt, musste ihn allerdings kurz darauf abbrechen, da sich in mir weitere Gefühle anbahnten.

"Lass es mich dir erklären: Er ist der verdammte Mörder meines Cousins und ich hasse ihn abgrundtief."

Ein Tritt gegen den Boxsack.

"Wenn ich nur eine Kleinigkeit 'falsch' mache, werde ich sofort bestraft und muss einige Tage mit den Folgen leben."

Ein Schlag gegen den Boxsack.

"Wenn ich etwas mit ihm unternehmen möchte, wie ein ganz normales Pärchen, macht er nur dumme Anspielungen und fickt mich letztendlich wieder."

Ein weiterer Schlag.

"Ich hab fast keine Freiheiten mehr und dann kommt er noch mit seinen ach-so-tollen Gefühlen, weswegen ich Schuldgefühle bekomme."

Ein weiterer Tritt.

"Warte... was?", unterbrach mich Jimin. Ich drehte mich wieder vollständig zu ihm und legte den Kopf leicht schief, unwissend, worauf er hinauswollte. Dieser stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu, zeigte mir klar seine Verwunderung und ließ mich dadurch meine Stirn runzeln.

"Schuldgefühle?" Meine Augen weiteten sich und ich schlug mir die Hand vor den Mund. Mir war selbst nicht bewusst gewesen, was ich gesagt hatte und erst, da er jetzt nachfragte, wurde mir die Bedeutung meiner Worte klar.

Stumm biss ich mir auf dir Lippen, bevor ich mich wieder umdrehte und weiter auf den Sack einprügelte. Ein gravierender Fehler nach dem anderen lief mir unter und das war definitiv nicht gut. Aber ich hätte noch mehr sagen können. Ich hätte Jimin erzählen können, wie sehr mich Taehyung rührte, mit seinen Taten, mit seinen Worten. Ich hegte nicht nur Groll auf ihn, auch einen gewissen Grad an Zuneigung.

Als ich meine eigenen Gedanken richtig registrierte, stoppte ich meine Bewegungen und starrte in die Leere. Ich dachte an meinen eigenen Vorsatz, niemals Gefallen an meinem Feind zu finden. Und trotzdem war ich auf dem besten Wege, genau das zu tun.

Mit schnellen Schritten ging ich zur nahen Wand und lehnte mich an diese, ehe meine Füße nachgaben und ich an ihr hinunter rutschte. Stille Tränen hatten sich angebahnt und flossen nun über meine Wangen, während ich mich komplett von meinen Gefühlen überfallen ließ.

Wie bei einem Nervenzusammenbruch ließ ich die ganzen Emotionen heraus, die sich in mir angestaut hatten und versuchte gar nicht erst, sie zu stoppen.

Sogar als sich Jimin mit unglaublich besorgtem Gesicht vor mich hinkniete und über meinen Rücken strich, ebenfalls von der Situation überfordert, blendete ich ihn aus. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung von meinen Gefühlen gehabt und nun diese Einsicht zu bekommen und jegliche positiven sowie negativen Gefühle gegenüber Taehyung auf einmal zu spüren, war einfach zu viel.
"Hey, Jungkookie... es ist alles gut. Ich bin ja da. Du wirst das schon schaffen. Vergiss nicht, du bist niemals allein."

Letztlich startete Jimin einen verzweifelten Tröst-Versuch und gab sich erkennbare Mühe, aber Taehyungs Worte, wie sehr er mich doch brauchte und ohne mich nicht leben konnte, ließen seine Stimme kaum zu mir durchdringen.

Du bist so ein Idiot, Jungkook.

𝐆𝐨𝐨𝐝 𝐨𝐫 𝐋𝐨𝐯𝐞?│ᴛᴀᴇɢɢᴜᴋ ✓Where stories live. Discover now