Chapter 31: Ohne Identität

3.3K 125 16
                                    

11. Juni; Donnerstag
Thea

"Hast du Geschwister?", fragte ich, zog meine Beine an mich heran und umklammerte diese.

"Ich habe einen leiblichen Bruder. Dazu hatte ich noch eine Schwester sozusagen, aber sie ist vor drei Jahren gestorben.", antwortet er leise. Dennoch verstand ich es.

Es war ruhig. Wir saßen mal wieder auf dem Balkon. Er auf seinem und ich auf meinem.
Der Wind war leicht kühl, aber dennoch sommerlich. Hier und da hörte man Grillen zirpen oder Vögel singen, da es schon sehr spät war. Ich sollte vor vier Stunden schon schlafen, doch ich konnte nicht. Ich bekam kein Auge zu. Stattdessen saß ich hier auf dem Boden in einer dicken Decke umhüllt.

Es war vier Uhr morgens, was die zwitschernden Vögel erklärte. Es war schon leicht hell geworden.

"Oh... das tut mir leid...", sagte ich leicht niedergeschlagen. „Und du?", fragt er und atmete tief ein.

"Ich hab auch einen großen Bruder. Naja, kann man so sagen. Wir sind zusammen aufgewachsen. Er hat immer bei uns gewohnt, weil er kein zu Hause hatte. Wir haben ihn aufgenommen" - "Also adoptiert?", fragte Liam.

Ich schüttelte meinen Kopf, auch wenn er es nicht sah. "Ne, nicht wirklich. Theoretisch existiert er nicht wirklich. Er wollte nicht adoptiert werden. Aber meine Mutter bestand unbedingt darauf" - „Ein Streuner und illegaler?", merkte Liam an. Ich hörte ne Menge Belustigung aus seiner Bemerkung heraus. Doch ich stimmte ihm zu. Wenn man es so brachtet, hatte er nicht ganz unrecht.

„Und was ist mit deinem Bruder? Was macht er so?", fragte ich interessiert.

„Der lebt sein Leben, schaut ab und zu mal bei mir vorbei", antwortet Liam desinteressiert.
„Und deiner?"

„Hotel management. Er kommt morgen vorbei", antworte ich und grinste. „Ich freu mich schon ihn wieder zu sehen", kicherte ich.

„Also wenn ich das jetzt richtig verstanden habe: Dein Bruder ist ein Manager in einem Hotel, aber ohne Identität?", fragt Liam verwundert. „Frag mich nicht wie er das geschafft hat", meinte ich und lachte.

„Wie erwähnt: er kommt morgen her. Möchtest du zum Essen vorbei kommen?", fragte ich dann und schob mir ein paar Haarsträhnen hinters Ohr.

Ich konnte Liam förmlich grinsen hören, als er sagte: „Lädst du mich auf ein Date ein?"
Ich schnaubte belustigt. „Ein Date mit dir und meinem Bruder, genau.", antworte ich frech und grinste. "Ne, Meine Mutter hat mich gefragt ob ich dich fragen kann", sage ich.

„Wie geht es deinen Wunden?"

„Du hast sie gepflegt. Wie soll es denen schon gehen?", erwidert Liam. Ich schmunzelte.

„Wahrscheinlich perfekt", grinste ich. Von seiner Seite aus hörte ich nur ein leises Lachen.
Nun herrschte stille.

In den letzten paar Tagen sind wir schon ziemliche gute Freunde geworden. Er half mir oft beim lernen und holte mich sogar von der Schule ab.

Ich erinnerte mich noch an dem Tag meiner mündlichen Prüfung, wo er den ganzen Tag vor der Schule auf mich wartete, bis ich endlich fertig war. Was heißt ganzer Tag? Es waren zwei Stunden. Aber wenn man nur in seinem Auto rumhockt, sind es bestimmt gefühlte zwei Tage!

Ich wollte nicht das er auf mich wartet und er hatte mir versprochen das er geht. Ich sagte ihm das ich den Bus nehmen werde.

Doch die kleine Gruppe Mädels und Jungs um ihn herum war kaum zu übersehen.

Zum Glück war das mein letzter Tag in der Schule, denn die Blicke der Mädels als ich in den Wagen einstieg, waren gefährlich. Fast hätten sie mich erdolcht.

Das Thema "Tiam" war sogar sehr heiß in der Klassengruppe auf WhatsApp.
Zuerst ignorierte ich die Unmengen an Nachrichten. Aber irgendwann entstanden Gerüchte von wegen das ich nur seinem Geld hinterher bin und das ich bestimmt schnelle Nummern mit ihm abziehe und somit mein Geld verdiene.

Ich war verdammt wütend an dem Tag. Nicht nur wegen den Nachrichten und Gerüchten, sondern auch wegen der mündlichen Prüfung, weil ich so ein schlechtes Gefühl dabei hatte.

Da ging ich zu Liam und hab ihm erstmal den Chat gezeigt. Liam hatte mich ausgelacht, weswegen ich noch wütender wurde.

Dann nahm er mein Handy und schrieb eine Nachricht, die aufklärte das er mein Nachbar ist und das er nur im Parkplatz gewartet hat, weil er mit dem Direktor noch über sein Auto diskutieren musste.

Ich vergaß das er ein perfekter Lügner ist.

Aber seine erklärung ging nach Hinten los, weil dieser Idiot tatsächlich dazu geschrieben hat, das er die Nachricht selbst verfasst hat.

Eine ganze Woche lang hab ich nicht mehr mit ihm geredet, geschweige denn die Fenster von meinen Gardinen befreit, weil ich ihn jeden morgen nach dem aufwachen sehe. Und das machte mich wahnsinnig.

„Bist du immer noch nicht müde?", fragte Liam und holte mich aus meinen Gedanken heraus.
„Ein bisschen, aber es reicht nicht zum schlafen", antworte ich und grinste. Dann hörte ich nur etwas rascheln. Ehe ich mich versah, stand Liam direkt vor mir.

Wie immer trug er nur eine Jogginghose und wie immer sah er perfekt aus.

„Erzähl mir mehr über deinen Bruder. Vielleicht kriege ich ihn dazu dich zu überreden mit mir auszugehen", meint er, nimmt vor mir Platz und grinste verschmitzt.

„Niemals. Dafür hat er einen zu starken Beschützerinstinkt", sagte ich und kicherte leise. „Ah, ha. Eine eifersüchtige Memme also?", meint Liam und grinst. Ich lachte.

„In der achten Klasse bin ich mal zu Jay, einem ehemaligen Freund gegangen. Als Enzo das erfahren hat, ist er sehr ausgeflippt. In binnen Minuten stand ich wieder in meinem Zimmer, weil er tatsächlich mir hinterher gefahren ist und mich nach Hause geschleppt hat", erzählte ich lächelnd, in Erinnerung schwelgend.

Aber bei Liam wäre es bestimmt anders. Enzo wird sich bestimmt freuen Liam kennenzulernen. Liam ist, abgesehen von dem Mafia kram, eigentlich ein toller Typ. Er hat Manieren, baggert nicht unnötig irgendwelche Frauen an (zumindest hab ich das nie bemerkt oder gesehen) und er hat sogar eine anständige Arbeit.

„Und du hast nix dagegen unternommen?", fragt Liam belustigt.

„Doch, doch. Dafür bin ich dann zu ihm und seiner fast Freundin gegangen, die sich gerade geküsst haben und hab Drama gemacht, von wegen was ihm einfällt mit einer anderen rum zu machen. Sie dachte ich sei seine Freundin und hat sich nie wieder bei Enzo gemeldet", erklärte ich und lachte. Auch Liam schmunzelte einwenig, ließ mich jedoch nicht aus den Augen.

„Immerhin hat er dich nur nach Hause gefahren. Ich hab den Typen, der meine Schwester auf ein Date eingeladen hat zusammengeschlagen", meinte Liam gelassen und fuhr sich durch die Haare.

„Deine Schwester war bestimmt richtig wütend auf dich", sagte ich ernst. „Haha, ne. Am nächsten Tag kam heraus das der das nicht ernst meinte. Er wollte an mich rankommen. Schon damals war ich sehr bekannt unter den Jugendlichen. Der Typ wollte einen auf cool tun und rum posaunen, er hätte mit meiner Schwester etwas am laufen. Tja, ist nach hinten los" Liam zuckte mit den Schultern und grinst breit.

Ungefähr eine Stunde lang erzählten wir uns gegenseitig Kindheitsgeschichten die wir fast schon vergessen hatten.

Heute Nacht kommt noch ein Teil 🥴

Promises ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt