Our Scars (German Version)

The World I Know

3

The World I Know (Titel by Collective Soul)

"50-21 George, wir sind nur drei Blocks entfernt. Wir fahren zur Unterstützung in die 22nd Street," ohne langes Zögern beantwortete Jay den eben eingegangenen Funkspruch.

Es war heute Nachmittag recht ruhig gewesen, also war etwas Action durchaus willkommen. Hailey runzelte ihre Augenbrauen in seine Richtung und gab Gas. Als sie an dem etwas heruntergekommenen Haus ankamen, bemerkten sie einen mint-grün, weißen VW Bus, der an der Straße geparkt war. Ein Streifenwagen war ebenfalls vor Ort und die Kollegen unterhielten sich gerade mit einer Zivilperson:

Langer Blümchenrock, grüne Lederjacke, schwarzer Hut und ein kleiner Lederrucksack. Jay rollte mit den Augen und stieg aus dem Auto aus, während er Hailey zugrummelte:
"Kann diese Frau sich nicht einmal wie ein normaler Mensch anziehen? Das hier ist doch keine verfluchte Modenschau."
Hailey kommentierte das nicht, lachte nur innerlich und wunderte sich wieder einmal, was genau an Rianne Torres Delgado ihren Partner immer so auf 180 brachte. Die Frau machte ihrer Meinung nach eine gute Figur in dem Outfit.

***

Rianne hatte einen Routinecheck machen wollen bei einer Familie, die sich um mehrere Pflegekinder kümmerte. Als sie aber beim Haus angekommen war, hatte sie niemanden angetroffen, obwohl sie mit der Mutter gestern noch den Termin abgesprochen hatte. Sie war normalerweise eine Klientin auf die Rianne sich verlassen konnte, also war das schon mal das erste Warnzeichen gewesen. Das zweite, dass beide Familienkutschen in der Einfahrt geparkt waren.
"Ich weiß nicht, vielleicht spinne ich ja auch, aber ich hab ein komisches Gefühl. Ich bin mir sicher, dass irgend etwas nicht stimmt. Aber ich wollte nicht die Heldin spielen und alleine reingehen, also hab ich den Notruf gewählt."

Während sie sprach, beäugte sie Jay vorsichtig um herauszufinden, wo sie nach ihrer letzten Begegnung standen. Die Begegnung, bei der sie ihm in betrunkenem Zustand ihren Finger in die Brust gebohrt und ihm mitgeteilt hatte, dass er ein hübsches Gesicht habe. Natürlich hatte Nate dafür gesorgt, dass sie am nächsten Morgen und auch die folgenden Tage stets an ihren glorreichen Auftritt erinnert wurde. Ihr war normalerweise nicht so schnell etwas peinlich, aber sie war sich nicht bewusst gewesen, dass sie Jay auch nur annähernd attraktiv finden könnte.
Eine Woche war vergangen, ohne jedwede Begegnung, also war ihr das hier jetzt ein wenig unangenehm.
Aber Jay guckte nur stur geradeaus und durch sie hindurch, und gab sich höchstprofessionell. Für sie war das völlig okay so.
Vielleicht hatte er es auch schon längst wieder vergessen und sie nahm sich viel zu wichtig, indem sie annahm es könne ihn noch beschäftigen.

"Okay, von wie vielen vermissten oder gefährdeten Personen reden wir hier?" fragte Hailey.

"6! Mr. und Mrs. Finley und vier Kinder. Drei Jungs und ein Mädchen. Die Jungs sind 11, 14 and 8 Jahre, das Mädchen ist 10," führte Rianne aus.

"Gut, Upton und ich gehen durch den Vordereingang, ihr nehmt euch die Hausrückseite vor. Wir gehen undercover rein, keine Funkgeräte. Alle warten auf mein Kommando," sprach Jay die Streife an, welche ihm schnell folgte.

Rianne blieb zurück und wartete, denn das brauchte ihr niemand extra zu sagen. Sie wusste, dass es nicht ihr Fachgebiet war und sie lebte lang genug in Chicago, um zu wissen, dass in diesen Situationen nichts ungefährlich war. Also wurde sie am Streifenwagen zurückgelassen. Falls etwas passieren sollte, wäre sie in der Nähe eines Funkgerätes und konnte zur Not Verstärkung rufen.
Sie versuchte den Gedanken loszuwerden, dass obwohl sie immer noch kein Fan von Jay Halstead war, es schon recht beeindruckend war wie selbstsicher er das Kommando und die Führung übernommen hatte. Ohne Zweifel war er hier in seinem Element.
Adrenalin schoss durch ihre Adern als plötzlich mehrere Schüsse zu hören waren. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Rianne sah sich um, um zu sehen was los war, aber niemand kam aus dem Haus gerannt. Erst ungefähr eine Minute später.
Zu ihrer Überraschung sah sie Mr. Finley, der von Upton und Halstead verfolgt wurde. Jay rannte hinter ihm her als ob sein Leben davon abhinge den Mann vor ihm einzuholen. Seine langen Beine holten in Windeseile auf, so dass er kurz hinter einem Nachbargarten den anderen Mann zu Boden warf, sich auf ihn drauf schmiss und ihm Handschellen anlegte.