On Without Me

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On Without Me (Titel by Incubus) 

Rianne konnte es nicht mehr länger aufschieben. Sie musste endlich auf die Nachrichten und Anrufe von Andreas Familie reagieren und zum Samstagsbrunch hinfahren, der normalerweise nahtlos in einen Samstagslunch und ein Samstagsdinner überzugehen pflegte.

Es war eigentlich eine wöchentliche Tradition, aus der sie schon seit Längerem rauszukommen versuchte, auch wenn es ihr schwergefallen war sich einzugestehen, dass sie so empfand.
Das kleine Haus in Berwyn war an diesen Familiensamstagen schon etwas Besonderes. Es war laut, es war unordentlich, alle Familienmitglieder trafen sich und brachten ihre Kinder, ihre Partner und Geschichten mit. Es gab immer massenhaft zu essen, angeregte Gespräche im italienisch / englischen Mischmasch und im Hintergrund plärrte den ganzen Tag der Fernseher.
Als jüngster Sohn hatte Andrea schon immer im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden, sowohl von seinen Schwestern als auch von seiner Mama Paola, einer stolzen Matriarchin, die bereit war alles für ihre Kinder zu tun.

Sie war stets mehr eine Mutter für Rianne gewesen, als ihre eigene, und machte den besten 'Caffe', den sie je in Chicago getrunken hatte, vielleicht sogar den besten ihres Lebens. Ein weiterer Grund warum Rianne sich unendlich mies fühlte, dass sie die vergangenen Wochen versucht hatte den Kontakt so gut es ging zu vermeiden.
Aber wie konnte sie ihnen erzählen, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gab, für den sie anfing Gefühle zu entwickeln, auch wenn sie das gerne verhindern wollte? Einen anderen Mann mit dem sie völlig unvorsichtig ins Bett gehüpft war, obwohl sie ihn grade mal fünf Minuten kannte.

Wurde nicht von ihr erwartet, für den Rest ihres Lebens ein einsames Witwendasein zu führen und die Erinnerung an Andrea zu ehren, so lange sie lebte? Dass sie seine Ehre verteidigte und den Gerüchten und Dingen, die sie herausgefunden hatte, keinen Glauben schenkte? Wie konnte es überhaupt je eine andere Liebe für sie geben als die, die etwas ganz Besonderes für sie gewesen war? Die einzig wahre Liebe, die sie bis dahin gekannt hatte.
Das Gefühl zwischen zwei Welten zu stehen und sich entscheiden zu müssen, war stärker als je zuvor.
Das Haus in der Nachbarschaft außerhalb von Chicagos Zentrum, war eine Schachtel voller Erinnerungen. Da war das Zimmer, in dem Andrea ihr gestanden hatte, dass er sie liebte, der Garten, wo sie so getan hatten als würden sie lernen und in Wahrheit herumgeknutscht hatten. Dort hatten sie auch ihre Verlobungsparty gefeiert. Eine Küche voller Gesprächsfetzen, ein Wohnzimmer gezeichnet von einem Leben, das nicht mehr länger das ihre war. Hier war es schwierig der Vergangenheit zu entkommen.

Sie war nicht nur in Andrea, sondern in seine gesamte Familie verliebt gewesen. Eine bildschöne, perfekte Welt für jemanden wie sie, der sich immer Geschwister und eine größere Familie gewünscht hatte. Die di Vareses hatten nie viel Geld gehabt und oft von der Hand in den Mund gelebt und anderen Familienmitgliedern ausgeholfen. Egal was war, sie waren immer füreinander da gewesen. Für eine weitere Person am Esstisch gab es immer Platz. Irgendwie bekamen sie das hin. In Riannes eigener Familie hatte es viel strikte Routine und viel zu viel Stille gegeben. Es war nie erlaubt gewesen unangekündigt einen Schulfreund oder -freundin mitzubringen, wenn sie es in der oft nur kurzen Zeit, die sie an einem Ort verbrachten, denn überhaupt schaffte Freunde zu finden. Ihr Vater hatte eine hochrangige Position gehabt und die Nachbarschaften, in denen Rianne gelebt hatte, waren immer eingezäunt, überwacht und getrennt von allem gewesen. Ihre Großmutter war die einzige unkonventionelle Person gewesen, die ihr das Gefühl gegeben hatte nicht einsam und fehl am Platz zu sein.
Um die Dinge etwas aufzulockern, hatte Rianne Nate gefragt, ob er heute mitkommen wolle, da sie seit seiner Rückkehr aus New York, auch kaum Zeit miteinander verbracht hatten.

***

Nate störte es nicht sie zu begleiten. Normalerweise gab es bei diesen Familiensamstagen eine Menge leckeres Zeug zu essen und man konnte als Mann so viel Sport schauen wie man wollte, hatte keine Verpflichtungen und musste auch nicht reden, wenn man keine Lust hatte. Er war quasi in diesem quirligen Haushalt mit aufgewachsen und seit Andreas Tod hatte er hier mehr denn je einen speziellen Platz als angenommener Sohn.
Natürlich durfte er seiner Mutter davon nichts erzählen, die immer ein wenig eifersüchtig gewesen war, wenn er zu viel Zeit im Haus der di Vareses verbrachte.

Our Scars (German Version)Where stories live. Discover now