Diferentemente Iguales

170 7 0
                                    

54

Diferentemente Iguales (Titel by Bebe) 

"Es tut mir leid, aber ich kann einfach nicht aufhören zu schreiben," sagte Rianne, rutschte von seinem Schoß wieder auf ihren eigenen Sitz und holte ihren Stift und das Notizbuch heraus.

"Kann ich mal sehen?" fragte Jay eine Weile später, wie immer ziemlich neugierig darauf worüber sie so nachdachte und worüber sie schrieb.

"Es ist nur Gekritzel, unzusammenhängende Wörter, die vielleicht neue Songtexte sein könnten, ich weiß noch nicht so richtig..."

Sie reichte ihm das kleine Buch, das bereits voller Wein- und Kaffeeflecken war. Es sah generell schon etwas mitgenommen aus, weil sie es die letzten zwei Wochen über in jede Tasche gepackt hatte, um es für alle Fälle dabei zu haben, falls sie etwas aufschreiben musste.

Irgendwie war Rianne von einem kreativen Geist beseelt gewesen. Es faszinierte Jay wie sie es fertigbrachte mit den bloßen Worten, die sie gebrauchte und mit denen sie spielte, in seinem Kopf Bilder und Gefühle zu erzeugen. Indem sie alles was sie fühlte und worüber sie nachdachte in Silben steckte, die sehr ausdrucksstark, originell und malerisch waren. Dass sie ihn diese verborgenen Schätze ihres Geistes sehen ließ, ehrte ihn stets.

Neben einigen abstrakten Blumenkritzeleien standen Verse, von denen er beim bloßen Lesen einen Kloß im Hals bekam:


"I'm still healing, not yet connected again with all those loose parts of me. I need to know that I can trust myself. Even though sometimes I still feel stuck and keep on reliving my pain."

"...and their kisses felt like heaven. With the sweetness and innocence of teenage-love, yet like some grown-up jigsaw puzzle finally solved..."

"They say only fools have hope. But I'd like to be one of those. Cause those that have hope can escape all the dark shadows. I like to wear my heart on my sleeve, never afraid of tomorrow. Even though only fools have hope, I wanna be full of light and try."


"Das ist einfach verdammt schön!" Er gab ihr das kleine rote Buch zurück und fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar, verliebt in die sanfte Röte, die daraufhin ihre sonnengeküssten Wangen überzog.

"Vielleicht inspirierst du mich ja," Rianne zwinkerte ihm zu und küsste ihn auf die Innenseite seines Unterarms, bevor sie wieder etwas niederschrieb. Der Edelstein an ihrem rechten Ringfinger funkelte dabei in der frühen Morgensonne, die draußen langsam durch die Wolken brach. Jay schluckte schwer, wie immer wenn er von ihrer Liebe zu ihm überwältigt wurde. Er zweifelte daran, dass er stets eine Inspiration für sie gewesen war, wenn man bedachte wie abgelenkt und nervös er vor allem zu Beginn dieser Reise gewesen war. Jay dachte an das erste Zusammentreffen mit ihrer Familie und wie diese ersten Eindrücke ihn schon ziemlich beeindruckt hatten...

***

Jay war mit einem Schrecken aufgewacht und hatte einen Moment gebraucht um sich daran zu erinnern wo er war. Der Platz neben ihm war leer und kalt. Sein Handy sagte ihm, dass es nach neun Uhr war, der 24. Dezember, Weihnachtsmorgen. Er fragte sich kurz wann er das letzte Mal so explizit darauf geachtet hatte. Es war immer noch komisch auf sein Handy zu gucken und keine News darauf zu sehen, die mit der Arbeit zu tun hatten. Keine verpassten Anrufe, niemand, der wollte, dass er aufs Revier kam oder ihn auf Stand bringen wollte, nichts was sein Gehirn davon abgelenkt hätte in möglicherweise gefährliche Gebiete vorzudringen, keine Rätsel, die er lösen musste, nur diese Familiensache hier. Lediglich ein paar Weihnachtsgrüße und 'gute Reise' Nachrichten blinkten ihm entgegen. Jay fühlte sich etwas ausgeschlossen und gleichzeitig schuldig, als er Hailey einen Einzeiler schickte und fragte wie der Fall ausgegangen war und wie es Vanessa inzwischen ging. Er schwor sich, dass es das letzte Mal war, dass er Kontakt zu Chicago aufnahm, außer es würde sich um strikte Privatangelegenheiten handeln. Er und Rianne waren gestern Abend früh ins Bett gegangen, als die Müdigkeit ihrer Reise sie zu übermannen gedroht hatte. Sie waren beide ziemlich ausgelaugt von den schweren Gefühlen gewesen, die sie begleitet hatten und vom Klimawechsel hatte Jay zudem ein wenig Kopfschmerzen gehabt. Da Rianne darauf beharrt hatte, dass es völlig okay wäre, wenn sie nicht auf ihren Vater warten würden, hatten sie ihn und seine Frau gestern nicht mehr zurückkommen hören. Trotz seiner großen Erschöpfung war es für Jay schwierig gewesen zur Ruhe zu kommen. Er hatte sich eine Zeitlang herumgewälzt, erst war ihm zu heiß gewesen, dann wegen der Klimaanlage zu kalt. Seine Kopfschmerzen und Schulterkrämpfe hatten ihn wachgehalten, das komische Gefühl im Haus eines Mannes, den er noch nie gesehen hatte, im Bett zu liegen, hatte auch seinen Beitrag geleistet. Rianne war weggeschlummert, sobald ihr Kopf das Kissen berührt hatte. Manchmal schlief sie so tief und fest, dass Jay sich dabei ertappte mitten in der Nacht ihren Puls zu ertasten, weil es ihn so sehr verwunderte. Irgendwann in den frühen Morgenstunden musste er jedoch auch in einen tiefen Schlaf gefallen sein. Nach einer schnellen Dusche, machte er sich auf die Suche nach Rianne und wahrscheinlich auch ihrem Vater, um endlich diese Hürde zu überwinden. Die drei Hunde, die er gestern kennengelernt hatte, lagen vor seiner und Riannes Schlafzimmertüre und folgten ihm wie Bodyguards durch das Haus. Merkwürdigerweise hatten die drei Hunde gestern sofort aufgehört zu bellen als Jay das Haus betreten hatte und waren ihm seither kaum von der Seite gewichen. Es machte ihm nichts aus, aber es erstaunte ihn. Als er Rianne danach gefragt hatte, hatte sie ihn nur wissend angelächelt:

Our Scars (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt