Thrown Down

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Thrown Down (Titel by Fleetwood Mac) 

"Wusste dein Vater davon?"

Das war die erste Frage, die Rianne entgegenschlug als sie in die Lobby des 'Peninsula' Hotels auf der Magnificent Mile kam, wo ihre Mutter bereits auf sie wartete. Noch ehe sie sich richtig begrüßt hatten, sorgte das für das erste Seufzen und Augenrollen auf ihrer Seite. Nur eins von vielen, die noch folgen sollten. Wie konnte sie auch nur annehmen, dass das hier mal anders ablaufen würde?Rianne fragte sich, wie zwischen ihren Eltern immer noch so ein Konkurrenzkampf darum herrschen konnte, mit wem sie mehr Kontakt hielt, mit wem sie mehr Zeit verbrachte und wer mehr über sie wusste. Es schien als ob sie ein kleines Mädchen in einem Sorgerechtsstreit wäre, und nicht etwa eine erwachsene Frau, deren Eltern sich erst getrennt hatten als sie bereits genau das gewesen war: erwachsen. Da Rianne in letzter Zeit tatsächlich mehr Kontakt mit ihrem Vater gehabt hatte, wusste er natürlich bereits davon. Zumindest, dass sie übergangsweise bei Jay eingezogen war und dass es ein 'Problem' mit Nate gegeben hatte. Generell neigte sie dazu ihrem Vater mehr zu erzählen. Er nahm die Dinge einfach als simple Informationen auf und nervte sie nicht weiter damit, vertraute darauf, dass sie durchaus ihre eigenen Entscheidungen treffen konnte. Oder er hatte es einfach schon lange aufgegeben sie noch irgendwie beeinflussen zu wollen. Ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter, die diesbezüglich wohl nie aufgeben würde. Rianne war richtig froh, dass Jay zu einem Einsatz gerufen worden war. Somit konnte sie sich langsam mit diesem Treffen anfreunden und er musste diese katastrophale Dynamik zwischen ihr und ihrer Mutter nicht von Anfang an miterleben. Nach nicht mal fünf Minuten sehnte Rianne sich bereits nach einem Betäubungsmittel. Ihre Mutter hatte die Fähigkeit sie in sehr kurzer Zeit all ihrer Kraft und Energie zu berauben. Sie gab ihr das Gefühl entweder ständig ihren Standpunkt verteidigen, sich vor den kontinuierlichen Seitenhieben dieser Frau in Acht nehmen, oder sich immer wieder beweisen zu müssen. Sie hatte noch nie wirkliche Anerkennung von ihrer Mutter entgegengebracht bekommen, also hatte sie irgendwann aufgegeben nach dieser Anerkennung zu lechzen. Oftmals tat sie sogar absichtlich das genaue Gegenteil von dem, was ihre Mutter wollte, nur um ihr eins auszuwischen. Das war natürlich so ganz und gar nicht erwachsen. Perfekt gestylt wie immer, ohne dass ein einziges Haar dieser sorgfältig gezupften Augenbrauen aus der Reihe getanzt wäre, stand diese elegante Frau vor Rianne für alles, gegen das sie sich in ihrer Jugend und als junge Erwachsene aufgelehnt hatte.

"Ich hab mich erst letzte Woche dazu entschieden nicht wieder einzuziehen," versuchte sie den Schlag abzuwehren und begrüßte ihre Mutter mit der üblichen Wangenkuss-Zeremonie. Später erwartete sie ganz sicher noch eine Lektion darüber, wie dumm und finanziell unüberlegt was doch sei.

Elise op den Winkel, die nach der Scheidung vor sechs Jahren wieder ihren Mädchennamen angenommen hatte, war eine Frau, die sich von niemandem unterbuttern ließ, am wenigsten von ihrer Tochter. Zumindest bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie sich daran erinnerte überhaupt eine zu haben. Das Konzept des 'sich Raushaltens' war ihr nicht bekannt, wann immer sich eine Möglichkeit ergab sich einzumischen. Nicht dass Rianne auf sie gehört hätte, aber trotzdem. Sie hatten nie eine enge Mutter-Tochter-Beziehung gehabt und die Beziehung, die sie hatten, war schon einige Male auf die Probe gestellt worden.

Ihre Eltern waren zusammengekommen als ihre Mutter noch sehr jung gewesen war, gerade einmal 20 Jahre alt, während ihr Vater, Alvarez Bautista Torres Delgado, schon Mitte 30 gewesen war. Rianne war bereits kurz darauf geboren worden, ihre Mutter wurde vier Monate nach ihrer Geburt 22. Es gab Teile ihrer romantischen Geschichte miteinander, die ihre Eltern immer für sich behalten hatten und Rianne hatte sich gefragt, ob es da noch mehr gab, als die oberflächliche Story von einer stürmischen Romanze zwischen einem viel älteren Diplomaten aus Argentinien und einer niederländischen Studentin. Statt sich damit zufrieden zu geben von dem guten Gehalt ihres Mannes ein schönes Hausfrauenleben zu führen, sich an all den verschiedenen Ländern zu erfreuen, die sie Dank Alvaros Job zu sehen bekam, hatte Elise darauf bestanden, dass das nichts für sie war und irgendwie durchgesetzt das zu bekommen, was sie wollte. Ein Charakterzug für den Rianne ihre Mutter hätte bewundern können, wenn sie nicht diejenige gewesen wäre, die unter ihren Entscheidungen am Meisten gelitten hatte. Elise war ihrem Traum gefolgt Anwältin zu werden, hatte ihr Studium nach der Geburt ihres ersten und einzigen Kindes fortgesetzt, über die Jahre ihre eigenen Karriere aufgebaut und war dabei ziemlich erfolgreich gewesen. Deshalb war Rianne auch von ihrer Großmutter väterlicherseits aufgezogen worden, statt von ihrer Mutter. Rianne hatte immer das Gefühl gehabt ihrer Mutter dabei im Weg zu stehen sich uneingeschränkt frei fühlen zu können.

Our Scars (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt