Non-Breakable Space

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Non-Breakable Space (Titel by Small Fires) 

Pärchen- und Individualziel: Nur noch bis zum 22. Dezember durchhalten! Sich durch die nächsten zwei Wochen zu quälen bis sie endlich ein wenig Urlaub zusammen machen konnten, war jedoch einfach gesagt als getan. Bis dahin gab es noch eine Menge zu tun. Weihnachten und alle damit verbundenen Festivitäten sollten eigentlich eine harmonische und freudige Zeit sein. Aber der Vorweihnachtsstress machte nicht nur denjenigen zu schaffen, die für Freunde und Familie Geschenke shoppten, Vorbereitungen trafen oder Trips arrangierten um Familienangehörige zu treffen oder diese selber über die Feiertage bei sich zu beherbergen: Für Menschen, die im sozialen Sektor arbeiteten, stellte diese Zeit immer eine der anstrengendsten und härtesten im Jahr dar. Bei Rianne betraf dies hauptsächlich Kinder und Jugendliche, die zu dieser Zeit von Zuhause abhauten, rausgeschmissen wurden, oder erst gar kein Zuhause hatten. Kleine und große Menschen mit einer Menge Problemen also, die aufgrund dessen gar nicht in Feststimmung waren. Andere Dinge in ihrem Leben waren gerade einfach wichtiger und liefen so schief, dass es aktuell nichts gab, über das sie sich hätten freuen können. Für diejenigen, die gar keine richtige Familie hatten, brachte diese Zeit viele Themen wieder hoch und war eine unschöne Erinnerung daran, dass alle anderen etwas feierten, das für sie unerreichbar schien.Rianne hatte alle Hände voll zu tun Kriseninterventionen zu begleiten, Besuche zu machen und in einigen Fällen das Schlimmste (Missbrauch, Misshandlungen, Unterernährung, häusliche Gewalt etc.) zu verhindern, wenn es denn möglich war. Bevorstehende Feiertage brachten in Familien und häuslichen Gemeinschaften oft das Schlechteste ans Tageslicht, besonders wenn das Geld knapp war und das Ziel à la 'Frohe Festtage', außer Reichweite. Es hätte eigentlich ein Endspurt sein sollen, aber die zwei Wochen bis Weihnachten zogen sich. Rianne fühlte sich des Öfteren wie eine Jongleurin, die ihr privates und berufliches Leben unter einen Hut zu bringen versuchte. Sie untersagte sich die meiste Zeit frustriert darüber zu sein, dass sie viel zu viel zu tun hatte, als dass sie alles Neue mit Jay so hätte genießen können, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie bekam es ja noch nicht einmal hin, wie gewohnt all ihre Weihnachtsdekorationen aufzuhängen, geschweige denn herumzubasteln. Das lag natürlich auch daran, dass das meiste Zeug immer noch in Kisten verpackt in dem angemietetem Lagerraum stand. Jay war nicht weniger vom Vorweihnachtschaos einer Stadt wie Chicago gebeutelt. Verbrechen hörten ja wegen der Feiertage nicht auf wundersame Weise auf. Eher im Gegenteil! Immer wenn sie sich für ein paar gestohlene Momente zwischen seinen unmöglichen, und manchmal niemals enden wollenden Dienstzeiten, die oftmals nicht zu ihren passten, trafen oder sie ein Treffen arrangiert hatten, das ausnahmsweise stattfand, arbeiteten sie an ihren Plänen für ihre zukünftige Wohnsituation. Es gab eine Menge zu bedenken und zu besprechen. Tatsächlich war es eine willkommene Abwechslung zu den verschiedenen Katastrophen, die ihnen jeden Tag begegneten.In welchem Stadtteil wollten sie leben? Wollten sie etwas mieten oder kaufen? Wer konnte und wollte wieviel Geld investieren? Wer wollte sich selber absichern und wie, und wer hatte mehr Angst vor den Unsicherheiten, die dieses neue Experiment mit sich brachte? Worauf konnten sie sich einigen was Stil, Innendesign und dergleichen anbetraf? Ein wichtiger Meilenstein in ihrer Beziehung: Kompromisse finden und einander auf einem vormals unbekannten Gebiet kennenlernen. Mehr als einmal bestanden ihre Abende / Nächte daraus, gemeinsam mit gezücktem iPad auf dem Sofa oder Bett zu liegen. Rianne schaute dann stets über Jays Schulter, während er seine tausend Listen und Favoriten sortierte und ihre Suchanfragen veränderte. Irgendwie waren sie immer noch in der 'wir gucken nur' Phase, ohne ernsthaft etwas in Betracht zu ziehen, aber hatten viel Spaß dabei. Sie liebte es einfach wie eifrig er bei der Sache war und wie wenig er an seiner aktuellen Wohnung zu hängen schien, und dass er sie niemals zu etwas zu überreden versuchte, was sie ganz offensichtlich nicht wollte. Wenn Bruchstücke seines kindischen Enthusiasmus' und albernem Humors sich zeigten, musste Rianne sich immer kneifen, um sich ins Gedächtnis zu rufen, dass das hier gerade wirklich passierte. Außerdem auch um sich selber davon abzuhalten, Jay zu sehr anzuhimmeln, da sie immer wieder feststellte wie furchtbar verliebt sie in ihn, und die Vorstellung sich ein gemeinsames Leben mit ihm aufzubauen, war.

Our Scars (German Version)Where stories live. Discover now