Lunatic

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Lunatic (Titel by The Slow Readers Club) 

Im Nachhinein gab es mehrere Dinge an dieser Nacht, über die Jay sich ärgerte, hauptsächlich über sich selbst.

Der Hauptgrund dafür: Es war abgelenkt gewesen. Sogar vielleicht leichtsinnig und unvorsichtig. Der andere Grund war: Er hätte einfach seinem Bedürfnis nachgehen sollen den Abend nur mit seiner Freundin zu verbringen, mit ihr im Molly's abhängen, ihr beim Arbeiten zuschauen und anschließend mit ihr nach Hause gehen sollen. Stattdessen hatte er den ganzen Abend wie ein verknallter College-Junge diverse Sex-Texte mit ihr ausgetauscht, bis sein Bruder die Nase voll gehabt und ihm sein Handy abgenommen hatte. Ganz die lachhafte Vaterfigur, die Will manchmal abzugeben versuchte. Und noch etwas: Er hätte nicht den Plänen von Wills Freunden zustimmen und sie auch nicht den ganzen Abend organisieren, sie nicht mal diese Location aussuchen lassen sollen. Es war die allerletzte Absteige! Ein Nachtclub mit schlechter Musik und noch schäbigerem Innendesign. Aber für Downton Chicago war es recht günstig und vielleicht war das das Hauptauswahlkriterium gewesen. Und natürlich gab es hier die unvermeidlichen Table-Dance-Girls. Jay gab einen Dreck auf diese Clubnächte. Beide Male als er aus dem Krieg zurückgekommen war, hatte er viel zu viel gefeiert, vielleicht reichte ihm das also bis ans Ende seines Lebens. Und außerdem wusste er aus professioneller Sicht, was in diesen Etablissements hinter den Kulissen alles passierte. Auf gewisse Weise war er immer auf der Hut, wenn er von so vielen fremden Menschen wie hier umgeben war. Er konnte sich nicht vollkommen entspannen und hatte die Neigung immer nach krummen Geschäften um ihn herum Ausschau zu halten. Dieses Mal hatte er das jedoch gründlich vermasselt. Irgendwann hatten sich einige Mädels zu ihrer Truppe gesellt, die die anderen Kerle bei Laune hielten. Wills Freunde hatten dem Bräutigam in spe natürlich einen Lap-Dance spendiert, um diesen Abend noch mehr zu einem Klischee zu machen. Jay nippte weiter an seinem Bier und hielt sich freundlich, aber bestimmt, etwas abseits, als eines der Mädchen mit ihm zu flirten versuchte. Die Blondine konnte nicht viel älter als 22 sein. Das war wirklich absurd. Es ließ ihn Rianne noch mehr vermissen.Jay war so dankbar, dass er aus dieser Phase in der man beliebig einfach irgend jemanden abschleppte, raus war. Hoffentlich für immer. Was er jetzt mit Rianne hatte war so viel erfüllender und befriedigender als neben einer fremden Person aufzuwachen. Vielleicht dazu noch mit dröhnenden Kopfschmerzen und keiner Ahnung wie es dazu gekommen war.

Als die Meute gegen Mitternacht davon redete noch in einen anderen Club weiterzuziehen, klinkte Jay sich aus, da er einfach nur nach Hause wollte. Dass sie ihn dafür ausbuhten, weil er 'auf den ganzen Spaß' verzichtete, kümmerte ihn nicht. Es war einfach nicht sein Ding und eigentlich wusste Will das auch. Als er seinen Bruder zum Abschied umarmte, lallte der Ältere ihm ein "Schöne Grüße an die Dame zu Hause!" ins Ohr und schlug ihm gut gelaunt auf den Rücken. Da er auch sein Handy zurückhaben durfte nahm Jay an, dass ihm verziehen war.

Er ließ sich dazu überreden noch eine Runde Schnaps mit allen zu trinken, bevor er seine Jacke holte und die anderen sich selbst überließ. Auf seinem Umweg über die Toiletten schwankte er leicht und spürte deutlich den Effekt des Alkohols in seinem Körper. Jay wollte grade Rianne schreiben, dass er jetzt ein Taxi nehmen und ins Molly's kommen würde, denn ihre Schicht war sicherlich noch nicht zu Ende. Aber er wurde von der jungen Frau aufgehalten, die zuvor versucht hatte mit ihm zu flirten. Sie stellte sich im Flur der zu den Männertoiletten führte genau in seinen Weg, kaute lasziv einen Kaugummi und schlängelte sich näher an ihn heran. Er seufzte, weil er nicht den Nerv hatte sie sanft abblitzen zu lassen. Er wollte einfach nur, dass sie ihn in Ruhe ließ. Jay öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber er musste sich auf einmal an der Wand festhalten. Das war komisch. Eigentlich wusste er recht gut wie viel er vertrug und wann Schluss war, beziehungsweise er hörte bei einem leichtem Schwips meistens auf zu trinken. Außer anscheinend wenn er mit Ruzek und Atwater unterwegs war. Das hier war aber plötzlich mehr als ein leichter Schwips.

Our Scars (German Version)Where stories live. Discover now