Walking On Water

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Walking On Water (Titel by NEEDTOBREATHE)

Will hörte die drei Männer schon ehe er sie überhaupt gesehen hatte. Egal wie busy das ED war, er würde diese vertrauten Stimmen immer und überall heraushören. Außerdem hatte er zumindest einen von ihnen irgendwann heute hier erwartet. Immerhin hatte er gesehen wie die dazugehörige Frau vor einer ganzen Weile nach oben gebracht worden war.

"Ich muss sofort zu meiner Frau!" rief eine atemlose Stimme, und es klang beinahe wie eine Drohung.

"Deiner Frau?" Dieses ungläubige Schnauben gehörte ohne Zweifel zu niemand anderem als Wills kleinem Bruder. Er musste allerdings zugeben, dass ihm diese Information ebenfalls neu war, also spitzte er seine Ohren noch mehr.

"Oh ja, Kim und ich waren letzte Woche im Rathaus, um es offiziell zu machen bevor das Baby kommt. Hab ich euch das nicht erzählt?"

"Nein, hast du nicht!"

"Ja, haben wir aber gemacht. Ich will, dass dieses Kind direkt als Ruzek aufwächst!"

"Ach du grüne Neune!" Will hätte schwören können, dass sein Bruder sicherlich ausgiebig mit den Augen rollte.

"Okay, also: Ethan, wir suchen nach Kim Burgess... Oder heißt sie jetzt Kim Ruzek? Gott, das ist so verwirrend..."

Das musste Kelly Severides Stimme sein, auch er klang etwas außer Atem. Will schüttelte amüsiert den Kopf und beschloss die drei Männer von ihrem Elend zu erlösen, damit hier unten alle wieder an die Arbeit gehen konnten. Er entschuldigte sich bei seinem aktuellen Patienten und sah sich sofort von drei sehr abgerockt aussehenden Kreaturen konfrontiert, die am Empfangsbereich der Notaufnahme herumstanden. Trotz dass jeder von ihnen aufgrund ihrer alltäglichen Arbeitsbelastung einen relativ hohen Fitnessstandard hielt, sahen Adam, Jay und Kelly aus als hätten sie gerade den Chicago Marathon hinter sich gebracht. Hochrote und nicht mehr ganz so saubere Gesichter, mit Schweiß bedeckte Köpfe und nasse T-Shirt Achseln. Insgesamt umgab sie ein Hauch von Abenteuer. Will konnte es kaum erwarten die ganze Geschichte dahinter zu hören, aber das musste jetzt erst mal warten. Es gab andere, buchstäblich pressierendere, Themen, denen sie sich widmen mussten:

"Hey, Jungs! Könntet ihr vielleicht was leiser sein?"

"Will... Gott sei Dank! Hast du..." Adam rannte auf ihn zu. In seine braunen Augen tanzte eine Mischung aus Nervosität, Ungeduld und Verwirrung.

"Sie sind oben im Kreißsaal. Da wo Babys normalerweise geboren werden!" Will konnte es sich nicht ganz verkneifen den werdenden Vater aufzuziehen, was natürlich gar nicht gut ankam:

"Besserwisser!"

"Gern geschehen, Adam!"

Ruzek sprintete bereits auf die Aufzüge zu, wobei Jay noch kurz bei Will blieb und ihm einen fragenden Blick zuwarf, den dieser natürlich zu lesen wusste:

"Sie ist auch da!"

Jay sagte nichts mehr, drosch Will aber dankbar auf die Schulter, ehe er und Severide Adam folgten.

"Viel Glück!"

***

Immer wenn Kim sich Szenen einer Geburt im Film oder einer Serie angeschaut hatte, wenn die Frauen weinten, schrieen, heulten, schwitzten, mit ihren Männern oder Hebammen stritten, beinahe aufgaben, den Kampf wieder aufnahmen, hätte sie niemals gedacht, dass sie einmal in genau der selben Position sein würde! Sie würde es anders machen! Aber hier war sie nun: Einfach genau so wie all diese Frauen! Kim hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ihr war als habe sie Rianne und der Hebamme schon eine halbe Ewigkeit etwas vorgeheult und vorgeschwitzt. Hinlegen hatte nicht so gut geklappt, also war sie hauptsächlich im Raum auf und ab gegangen, um die Dinge voran zu treiben. Bloß wollte ein Teil von ihr gar nicht, dass das Baby allzu bald kam, denn, auch wenn sie nicht wusste was sie ihm zuerst antun wollte, wenn er denn ankam, hatte sie die Hoffnung, dass Adam ein Teil hiervon sein würde, noch nicht komplett aufgegeben. Auf der anderen Seite hätte sie sich aktuell keine bessere Geburtshelferin wünschen können: Rianne war, im Gegensatz zu Kim, die Ruhe selbst und kein einziges Mal hatte Kim das Gefühl, dass diese Frau sich auf irgend etwas Anderes konzentrierte als sie und diesen Prozess, in dem sie nun beide drinsteckten, vom Schicksal zusammengeführt. Immer wenn die Wehen nicht ganz so schlimm waren und sie eine Sekunde Zeit hatte an irgend etwas Anderes zu denken, als dass sie dieses Kind womöglich ohne dessen Vater zur Welt bringen würde, hatte sie dennoch ein schlechtes Gewissen jemanden hier mit hineingezogen zu haben, der, ganz objektiv gesehen, viele gute Gründe hatte so weit weg wie möglich von einem Kreißsaal zu bleiben, wie sie nur konnte:

Our Scars (German Version)Where stories live. Discover now