Run Run Run

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Run Run Run (Titel by Yeah But No)

Du weißt genau, dass deine beste Freundin dabei ist sich in eine sehr vertrackte Lage zu manövrieren und in den Zug Richtung 'Selbstzerstörung' einzusteigen, wenn:

Sie dich mittags ganz verzweifelt anruft, um mit dir für abends Ausgehpläne zu machen, obwohl sie erst vor vier Tagen eine Fehlgeburt hatte.Sie am Abend dann mehrfach eine andere Freundin mit unqualifizierten Kommentaren über tragische Verluste verärgert und versucht ihren Schmerz hinter einer Maske aus Zynismus zu verstecken. Sie ihren Kummer exzessiv mit Alkohol herunterspült, und du sie, obwohl du dein Bestes gibst sie zur Vernunft zu bringen, nicht davon abhalten kannst.Sie noch immer die Konfrontation mit ihrem Freund scheut, der von der ganzen Situation keinen blassen Schimmer hat. Besagter Freund dich dann sehr verwirrt und wütend anruft und wissen möchte, wo seine Freundin gerade ist...Stella hatte von Anfang an gewusst, dass es eine dumme Idee war, aber sie hatte versprochen für Rianne da zu sein und wusste, dass wenn sie nicht zugestimmt hätte ihre Freundin heute Abend zu begleiten, diese Frau alleine ausgegangen wäre. Was wahrscheinlich ein noch schlimmeres Ende genommen hätte. Aber den Ernst der Lage hatte Stella definitiv unterschätzt: Riannes inneres Chaos und ihr Konflikt, sowie ihre Trauer, wogen noch schwerer als gedacht. Während sie hilflos dabei zusah wie Rianne mit gekünsteltem Lächeln einen weiteren Kurzen herunterkippte, konnte sich Stella sehr gut an die Worte ihrer Freundin von vor ein paar Tagen erinnern:

"Stella, hast du frei?"

Sie hatte dies bejaht und bereits an dem kleinen Zittern in Riannes Stimme gehört, dass etwas passiert war. Ihre Freundin hatte schon weitergesprochen ehe Stella die Chance gehabt hatte zu fragen was los sei:

"Ich bin mir zu 99% sicher, dass ich eine Fehlgeburt habe. Ich brauch dich um mich ins Krankenhaus zu fahren. Ich würde allerdings das Northwestern vorziehen, weil sie da eine spezielle Frauenklinik haben, und ich mich so nicht mit den ganzen Leuten, die mich kennen, rumschlagen muss. Ich brauche keine Umarmung, ich möchte auch nicht darüber reden, ich brauche einfach nur jemanden, der mich fährt und mit mir mitkommt!"

Rianne hatte nicht gesagt, dass sie ihr Baby verloren hatte. Sie hatte explizit den medizinischen Begriff verwendet.

Rückblickend hätte Stelle bereits da schon mit einem größeren Nachspiel rechnen müssen. Sie hatte aber eher angenommen, dass dieses in einer anderen Verpackung daherkommen würde: Tränen, natürlich irgend eine Form von depressiver Verstimmung, aber nicht diesen Grat an Abspaltung und kalter Rationalität, zu dem ihre Freundin übergegangen war. Auch hätte sie nicht mit Riannes Bemühungen sich mit jedem anzulegen gerechnet:

Als sie in einem Club in River North, in den Rianne unbedingt hatte gehen wollen, anstatt sich bei Stella Zuhause einen gemütlichen Abend zu machen, bei ihrer dritten Runde von 'Gin mit irgendwas', einen Trinkspruch auf "Verluste, tote Mütter und Fehlgeburten" ausgebracht hatte, waren Sylvies Augen auf der Stelle riesengroß geworden und hatten sich mit Tränen gefüllt.

Ihre andere Freundin versuchte immerhin noch damit zurechtzukommen, was vor ein paar Wochen mit ihrer leiblichen Mutter und ihrer Halbschwester passiert war.

Stella hatte Rianne im Nachgang zurechtgewiesen, dass es ziemlich unpassend gewesen sei, und sie hatte sich auch gütigerweise bei Sylvie entschuldigt, jedoch weitergetrunken. Vielleicht mussten sie heute Abend angesichts der Umstände alle etwas nachsichtiger sein. Aber als Stella ganz nebenbei gefragt hatte wann denn Jay zurückkäme, hatte ihre Freundin nur recht unverständlich vor sich hin gemurmelt, dass er tatsächlich schon seit gestern Abend zurück sei und zudem weiterhin von Nichts wusste! Weder von der Schwangerschaft, noch von der Fehlgeburt! Von da an war Stella ernsthaft sauer auf Rianne geworden. Und eigentlich wurde Stella niemals ernsthaft sauer auf Rianne. Wenn sie vorher gewusst hätte, dass ihre Freundin absichtlich vor ihrem Freund davonlief, anstatt ihm endlich die Wahrheit zu sagen, hätte sie einen Weg gefunden sie mit Jay in einen Raum einzusperren und nicht eher herauszulassen, als bis sie das endlich geklärt hatte. Das hier schrie förmlich nach einer drastischen Intervention, aber Rianne war inzwischen schon nicht mehr zu erreichen und wollte ihr nicht zuhören. Sylvie hatte bald schon genug von diesem überwiegend provokantem Verhalten gehabt und war gegangen. Das Einzige, das Stella nun also noch tun konnte, war ihre Freundin nicht aus den Augen zu lassen und zu hoffen, dass sie ihr nicht gleich den Kopf abriss. Denn als Jay vor einigen Minuten angerufen hatte, hatte Stella ihm natürlich nicht verschwiegen, wo er sie finden konnte. Es tat ihr für die Beiden einfach so leid. Niemand sollte so etwas durchmachen müssen! Aber nun da es leider passiert war, nun da ihre Freundin bereits ihr zweites Kind verloren hatte, würde sie auf keinen Fall zulassen, dass sie es sich deswegen mit ihrem Kerl versaute! Sie waren Stellas Traumpaar und das mussten sie auch bleiben:

Our Scars (German Version)Where stories live. Discover now