Your Girl

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Your Girl (Titel by Basia Bulat) 

Über 72 Stunden war Jay seit dem Wochenende im Dienst gewesen, weil Intelligence einen neuen Fall übernommen hatte. Da er weiterhin jede Ablenkung begrüßte war er hinterher außerdem froh, dass er sich zur Abwechslung einmal um Hailey kümmern konnte, statt andersherum. Intelligence hatte sich bemüht eine Menge Carfentanyl von der Straße zu bekommen und der langjähriger V-Mann seiner Partnerin, Cameron, war in diesem Zusammenhang während eines Auftrags, direkt vor ihren Augen erschossen worden.
Hailey hatte schwer damit zu kämpfen, denn sie fühlte sich für seinen Tod verantwortlich. Schließlich hatte sie ihn mit dem Fall betraut. Trotz des Wissens, dass er die Angewohnheit hatte sich weit mehr für die Lösung eines Falles einzusetzen als gut für ihn war.
Dass Voight sich dann nicht so verhalten hatte wie sie es gern gehabt hätte, und seinen V-Mann Darius Walker weiter nutzte, obwohl Hailey der Überzeugung war, dass dieser Cameron umgebracht oder zumindest den Mordauftrag gegeben hatte, war bitter für sie.
Jay machte sich Sorgen. Nicht nur weil sie begann ihr eigenes Ding zu machen und sich tougher gab als sie war.
Auch weil ihr gewöhnliches Ritual, welches aus Reden und dabei Tequila oder Ouzo trinken bestand, egal ob der andere das wollte oder nicht, nicht mehr so wie vorher funktionierte. Er hatte das Gefühl nicht an sie heranzukommen. Vielleicht weil er sie in den letzten Wochen auch nicht an sich herangelassen hatte.
Trotzdem traf er Hailey am Donnerstagabend im Molly's nachdem sie den Fall abgeschlossen hatten. Auch wenn sie nicht so viel Lust hatte, wollte er ihr zeigen, dass er immer noch ihr Partner war und stets an ihrer Seite, wenn sie ihn brauchte.
Rianne stand nicht hinter der Bar, obwohl sie Jay das geschrieben hatte. Das hatte allerdings den Vorteil, dass er sich voll darauf konzentrieren konnte Hailey aufzumuntern, oder einfach nur schweigend und trinkend mit ihr hier zu sitzen.
Jay kam aber nicht umhin ab und zu sein Handy zu checken, um zu sehen ob Rianne ihm geschrieben oder ihn angerufen hatte, und ihm sagte warum sie nicht kam. Aber es herrschte komplette Funkstille. Irgendwie beunruhigte ihn das.
Als sie noch eine neue Runde bestellten, kam schließlich Hermann rüber zu ihnen, und übermittelte Jay eine Nachricht:
"Casey hat grad angerufen! Ich soll dir sagen, dass Rianne nicht weiß, ob sie es heute Abend schafft. Ihr Akku ist leer und sie ist mit 51 bei einem Einsatz, wo es wohl auch einen Fall von häuslicher Gewalt gibt. Sie muss das erst regeln und sich um die betroffenen Kinder kümmern. Könnte also spät werden."

Jay sann eine Sekunde darüber nach, die Stirn wie üblich wenn er von etwas nicht begeistert war in Falten, und dankte Hermann dann für die Info.
Natürlich bemerkte Hailey das und runzelte ebenfalls die Stirn:
"Vielleicht solltest du doch lieber jemanden daten, der mit unserer Arbeit so rein gar nichts zu tun hat. Ein nettes Mädel aus ner Bäckerei oder so."
"Warum sagst du das?"
Er war sich nicht sicher, ob sie ihn auf den Arm nahm oder es ernst meinte. Es hatte sich etwas schnippisch angehört.
"Na ja, so dass zumindest einer geregelte Arbeitszeiten hat, und man sich keine Sorgen darüber machen muss, dass der andere einen genauso fordernden, und vielleicht sogar manchmal gefährlichen, Job hat wie man selbst..."
"Toller Ratschlag von einer, die sich monatelang mit Ruzek rumgetrieben und es verheimlicht hat. Auch eine sehr 'vernünftige' Wahl würde wie ich sagen!" gab Jay ein wenig verärgert zurück.
"Wow, danke Jay! Ich wusste gar nicht, dass du so darüber denkst."
"Denke ich auch nicht!"
"Warum hast du es dann erwähnt?" Hailey war jetzt ernsthaft beleidigt.
"Weil du scheinbar eine ganze Menge darüber zu sagen hast, wenn es um meine Entscheidungen geht mit wem ich mich treffe, obwohl ich noch nie etwas über deine gesagt habe!"
"Hab ich nicht. Ich hab nur..."
"Was?"
"Ich will nur nicht, dass du verletzt wirst!" schrie sie ihn fast an und aus ihren blauen Augen schleuderten ihm Blitze entgegen.
"Ich bin schon groß, Hailey. Und ich werd nicht alle meine Fehler wiederholen, glaub mir!"
Warum meinte eigentlich jeder, dass er Hilfe brauchte um sein Leben, und besonders den Beziehungsteil desselbigen, zu managen?
"Das hoffe ich! Denn wenn du dein dummes Herz immer so leicht verschenkst, werde ich nicht immer auf der anderen Seite warten, bereit dich wieder aus dem Loch rauszuziehen, das du dir geschaufelt hast."
Jay war verblüfft. Wo kam das denn auf einmal her?
"Das stimmt doch gar nicht! Das hört sich so an, als ob ich einfach jede Frau date, die sich mir in den Weg stellt!"
"Das hab ich nicht gesagt! Ich meine nur, dass du manchmal Scheuklappen aufhast, wenn du dich in jemanden verknallst..."
Jay dachte einen Moment darüber nach: Ließ er sich von Frauen schikanieren oder blenden? Neigte er dazu sie für etwas zu halten, das sie nicht waren? War er dabei sich in Rianne zu verknallen?
"Es ist nur... ich würde dir halt etwas Unkompliziertes wünschen und jemanden, bei dem du dich einfach fallenlassen kannst. Zu dem du einfach nach Hause kommen kannst und kein Drama, um das du dich wieder kümmern musst, statt dass du einfach mal jemandem zum Anlehnen hast," Haileys Stimme war nun viel sanfter. Ihre Augen versuchten ihm zu vermitteln, dass sie lediglich auf ihn aufpassen wollte.
Jay seufzte tief und berührte leicht ihre Hand: "Weißt du Hailey, ich glaube wir wissen beide, dass keiner von uns mit 'nett und einfach' zufrieden wäre. So sind wir einfach nicht. Und Rianne ist kein 'Drama', sie ist... einfach anders. Ich glaub ich bin immer noch dabei das herauszufinden. Alles was ich weiß ist, dass ich es wirklich gerne herausfinden möchte."
Alles andere fühlte sich so an als verpasse er etwas, das das Potenzial hatte sich zu etwas Großartigem zu entwickeln.

Our Scars (German Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt