S I E B E N

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"Du kannst gerne Mal vorbeikommen. Ich achte auch darauf, dass du genügend Auswahl in der Kinderkiste hast." Er zwinkerte mir lachend zu, was mir zwar erneut einen Rotschimmer auf die Wangen lockte, mich aber auch zum Lachen brachte.

"Versprich nicht zu viel. Wenn ich enttäuscht bin, suche ich mir gleich wieder einen anderen Zahnarzt." Es war nur reiner Gag und ich plante eigentlich gar nicht meinen Zahnarzt zu wechseln, mit meinem war ich mehr als zufrieden, aber allein um sein Gesicht zu sehen, wenn ich tatsächlich Mal in seiner Praxis stehen würde, dachte ich über einen Wechsel nach.

Er wollte gerade noch etwas sagen, als ihn ein Piepen unterbrach und statt seiner geplanten Worte ein "Deine Klamotten sind fertig" heraus kam. Bevor ich noch etwas sagen konnte, war er auch schon aufgestanden und aus der Küche verschwunden. Ich sah ihm einen Moment hinterher, bevor ich meinen Blick auf meinen leeren Teller senkte und mich langsam erhob. Mittlerweile musste auch mein Handyakku ausreichend geladen sein. Vielleicht wusste Paul ja, wem dieses Fahrrad gehörte und konnte mir erklären, warum ich mitten in der Nacht alleine unterwegs war, wo wir uns doch den Schwur geleistet hatten, einen betrunkenen Bruder nie alleine nach Hause gehen zu lassen.

Vom Wohnungsbesitzer war nichts zu sehen, als ich mein Smartphone aus dem Wohnzimmer holte. Ich musste zu aller erst meine Sim-Karte entsperren, nachdem mein Handy an seinem leeren Akku gestorben war, bevor zahlreiche Nachrichten eintrudelten. Sogar mehrere verpasste Anrufen von keinem geringerem als Paul erschienen auf dem Display. Der letzte vor einer Stunde.

Ich ignorierte die anderen Nachrichten, die größtenteils alle aus Gruppen stammten und tippte stattdessen auf den Chat mit Paul, der mich gestern Abend anscheinend ganz schön verflucht hatte. Allein von ihm hatte ich zwanzig ungelesene Nachrichten. Einige mehr als unleserlich, weil er betrunken ein ganz schlechter Nachrichtentipper war, aber eine der fünf Sprachnotizen zeigte mir deutlich, dass er ganz und gar nicht glücklich mit mir war.

Erst in der letzten Sprachnotiz verstand ich dann, worum es überhaupt ging und konnte mir einen Reim aus seinen zahlreichen Beleidigungen machen. Jetzt wusste ich auch, wem das Fahrrad gehörte und das Rätsel, warum ich den Code des Fahrradschlosses wusste, war damit auch gelöst.

Ein süffisantes Grinsen bildete sich auf meinen Lippen, als ich meinem besten Freund eine Antwort eintippte.

Das war die Rache dafür, dass du mir andauernd alles klaust. Gib mir meinen Partyhut zurück und du bekommst dein Fahrrad wieder.

"Hey, dein Auto ist doch kaputt." Der Wohnungsbesitzer lief soeben an der Tür zum Wohnzimmer vorbei und blieb überrascht sehen, als ich ihn ansprach. Er nickte.

"Es wurde heute morgen abgeschleppt und ist jetzt erstmal in der Werkstatt. Wie lange es dauert, weiß ich jetzt noch nicht." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern und hob dann seine Arme etwas an, über die meine Klamotten hingen.

Ich nahm sie ihm gleich ab. "Ich leihe dir das Fahrrad noch länger, wenn du möchtest", bot ich großzügig an und entledigte mich im nächsten Moment seinem engen Oberteil und zog mir stattdessen mein etwas luftigeres über.
Kurz dachte ich seinen Blick brennend auf meiner Haut zu spüren, aber als ich meinen Kopf durch das Halsloch gesteckt hatte und wieder zu ihm sah, hatte er sich bereits gebückt, um nach seinem Oberteil zu greifen, dass ich achtlos fallen lassen hatte.

"Ich wollte mir ehrlich gesagt einen Leihwagen holen."

"Ach papperlapapp. Sport ist wichtig. Wer rastet der rostet, Herr Doktor." Ich schlug ihm kumpelhaft auf die Schulter und zuckte im nächsten Moment perplex zurück, als ich realisierte, dass mein Daumen dabei die nackte, zarte Haut seines Halses berührte und diese Stelle schlagartig extrem zu kribbeln begann. Das Gefühl war so seltsam und ungewohnt, aber gleichzeitig so vertraut und angenehm, dass ich nur noch verwirrter war.
Mein Gegenüber zuckte ebenfalls etwas zusammen, was aber eher an meinem unvorhergesehenen Zurückweichen lag.

Er zog nur skeptisch eine Augenbraue nach oben, ehe er zögerlich den Kopf schüttelte.
"Ich möchte ehrlich gesagt eher weniger mit einem geklauten Fahrrad durch die Welt fahren."

"Das Fahrrad ist nicht geklaut. Es gehört meinem Mitbewohner und der Spast klaut auch immer alles von mir, also darf ich das auch mal."

"Außerdem ist es ja nur geborgt. Er kriegt es ja wieder zurück", fügte ich gleich noch dazu, als ich realisierte, dass es dumm war, das Wort geklaut zu verwenden, wenn ich jemanden gerade davon überzeugen wollte, dass es eben nicht geklaut war.

Mein Gegenüber sah mir aber jedoch nur weiterhin mit hochgezogener Augenbraue entgegen. Kurz dachte ich, dass ich einen anderen Ort zum Zwischenparken suchen musste, bis Paul mir meinen Partyhut zurückgab, da erschien ein kleines Lächeln auf seinen Lippen.

"Gut, aber ich erwarte dich, sagen wir Anfang, Mitte nächster Woche, zu einem Kontrolltermin in meiner Praxis. Da sollte mein Auto wieder repariert sein und du kannst dein oder das Fahrrad deines Mitbewohners wieder mitnehmen." Er zwinkerte mir grinsend zu, drehte sich dann weg und verließ das Wohnzimmer, nicht ohne die Tür hinter sich zu zu ziehen, damit ich meine Privatsphäre hatte und mich umziehen konnte.

Ein Hannes zum Verlieben ✓Where stories live. Discover now