Ein Hannes zum Verlieben ✓

E I N U N D F Ü N F Z I G

Als ich dann aus dem Wagon trat, bemerkte ich erst wie stickig es im Zug war und inhalierte die frische Abendluft dankbar. Der Ort meiner Eltern hing seit Jahren direkt an der Einwohnermengengrenze um Stadt genannt zu werden. Vielleicht hundert Einwohner fehlten noch, aber damit kämpften sie schon seit ich noch klein war. Dementsprechend war es hier auch viel ländlicher als in meiner Unistadt. Hier lebten vor allem Familien mit kleinen Kindern und Rentner, die ihr gesamtes Leben schon hier verbracht hatten. Wahrscheinlich hatten wir auch mehr Nutztiere als Einwohner hier. Die Jugendszene war auch eher mager, da die meisten nach ihrem Abitur wegzogen waren um in einer größeren Stadt zu studieren oder bessere Jobs zu finden und die Schüler durch die gute Zugverbindung auch noch vor ihrem Abschluss lieber Zeit in den umliegenden Städten verbrachten.

Mein Plan war immer zu studieren, ein paar Jahre zu arbeiten und dann wieder hierher zurück zu kommen, damit meine Familie hier leben und meine Kinder auch hier aufwachsen konnten.

Sollte ich mein Studium jetzt wirklich abbrechen, würde ich mir einen anderen Plan für die Zukunft zurechtlegen müssen.

Mit mir war nur eine Gruppe Jugendlicher ausgestiegen, die gleich in eine andere Richtung verschwanden, wodurch ich das einzige Auto, das am Parkplatz stand, schnell als das von meinem Dad identifizierte. Durch seine Firma und die Leasingverträge änderten sich die Autos, die er fuhr, laufend, wodurch ich mich nie auf das Aussehen verlassen konnte, sondern immer erst auf das Kennzeichen schauen musste. Diesmal war es aber offensichtlich und als mein Dad auch noch ausstieg, als er mich auf sich zukommen sah, konnte ich nur grinsen.

Ganz der Geschäftsmann, der er war, trug er wie immer einen Anzug, was mir zeigte, dass er wahrscheinlich bis eben noch in der Firma war. Normalerweise achtete Mama penibel darauf, dass er pünktlich zum Abendessen daheim war, aber nachdem Mum heute selber nicht zuhause zu sein schien, hatte Dad das gleich genutzt um weitere Überstunden zu sammeln.

„Hey mein Junge", rief er mir gleich zu trat um das Auto herum, um mich kurz in eine Umarmung zu ziehen.

„Hey alter Mann", erwiderte ich schmunzelnd und drückte mich für einen Moment fest gegen meinen Vater, ehe wir uns wieder lösten.

Während ich zu Mum immer eine gute Beziehung hatte, war mein Vater immer mein größtes Vorbild und der stärkste Mensch auf Erden. Mum war halt eine typische, überfürsorgliche Mutter, die mich am liebsten in Watte gepackt hätte. Dad dagegen war einfach immer locker und lustig und hat die meisten Dinge nie so eng wie Mum gesehen und konnte sie damit auch immer ein wenig beruhigen. Dadurch hatte ich in meiner Jugend viele Freiheiten, die ich aber nie ausgereizt hatte. Meine Eltern, vor allem Dad, vertrauten mir, dass ich wie abgemacht zuhause war und nie in irgendeinen Scheiß verwickelt wurde, dafür konnte ich meinen Eltern vertrauen, dass sie mich jederzeit wie einen gleichgestellten Erwachsenen behandelten, der auch in jungen Jahren schon eine eigene Meinung hatte, auf die immer geachtet oder die zumindest mit einbezogen wurde. Dafür war ich meinen Eltern bis heute dankbar.
Vor allem meinem Dad, der sich trotz seinem Stress in der Arbeit immer Zeit für mich genommen hatte und für mich da war.

In meiner Kindheit war er für mich der Inbegriff von Superheld und ich konnte nie wirklich verstehen, warum er nicht auch zu den Avengers gehörte.
Die Faszination für ihn war bis heute geblieben und selbst wenn ich mittlerweile wusste, dass es die Avengers nicht wirklich gab, fand ich immer noch, dass er dort auf jeden Fall einen Platz verdient hätte.

Mein Vater war mein erster bester Freund und würde das auch immer bleiben. Paul war zwar cool und ich würde für ihn sterben, aber er konnte mit meinem Dad echt nicht mithalten.

Dad öffnete gleich den Kofferraum, damit ich meinen Rucksack darin ablegen konnte, während er mir erzählte, dass er noch gültige Gutscheine gefunden hatte, die wir dann gleich einlösen konnten.