S I E B E N U N D S E C H Z I G

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„Du bist so hübsch", jubelte meine Mutter, kaum dass sie die Haustür geöffnet hatte. Im nächsten Moment zog sie Hannes in eine stürmische Umarmung, die mein Zahnarzt nur etwas überrascht erwidern konnte.

„So ein hübscher Mann", lächelte Mum und tätschelte Hannes noch die Wange, ehe sie mich ebenfalls in ihre Arme zog.

„Hast du getrunken, Mum?", fragte ich schmunzelnd nach und drückte ihren schmalen Körper kurz gegen meinen.

„Darf ich mich nicht freuen deinen Freund endlich richtig kennenzulernen?", schimpfte sie leise und schüttelte mit einem enttäuschten Ausdruck den Kopf. „Erst recht, wenn er so hübsch ist?" Sie warf mir einen weiteren forschenden Blick zu, ehe sie uns hereinwinkte.

Nächstes Wochenende würden wir offiziell umziehen. Unsere Sachen waren größtenteils schon gepackt und mussten nur noch verladen werden. Dabei würden uns Paul, Hans und Christopher helfen, die dann auch gleich mit hierher fahren würden, um uns auch beim Ausladen zu helfen, bevor wir eine kleine Einweihungsfeier mit meinen Eltern machen würden.

Dieses Wochenende wollte ich jedoch noch dafür nutzen, dass meine Eltern Hannes richtig kennenlernten und ich Hannes seine neue Heimat etwas zeigen konnte. Außerdem hatte ich heute Nachmittag noch ein Vorstellungsgespräch in einem Schreinerbetrieb. Nachdem die akademische Laufbahn nicht so fruchtbar war, hatte ich mich nach langem spekulieren dazu entschieden etwas handwerkliches zu lernen. Durch Hannes war ich dann auf den Beruf Schreiner gekommen und als ich auch noch recht schnell herausgefunden hatte, dass die große Schreiner in meinem Heimatort tatsächlich noch einen Azubi für dieses Jahr suchte, hatte ich mich gleich beworben und am nächsten Tag schon einen Anruf bekommen.

„Mama, das ist Hannes. Hannes, meine Mutter."

„Offensichtlich", murmelte Mama daraufhin, warf mir einen weiteren Blick zu und griff dann ungeniert nach Hannes Hand. Aber nicht um sie zur Begrüßung zu schütteln, sondern um ihn ins Haus zuziehen. „Ich habe frischen Kuchen gebacken und der Kaffee läuft gerade durch." Sie musste Hannes zwangsweise los lassen, damit er seine Schuhe ausziehen konnte, ehe wir ihr auf die Terrasse folgten. „Hannes, du trinkst doch Kaffee? Oder magst du lieber einen Tee?"

„Kaffee passt", lächelte mein Freund und hatte dabei wieder die ‚Ich bin ein Arzt'-Aura aufgesetzt, die bei meiner Mutter natürlich sofort Wirkung zeigte. Dad dagegen, der schon auf der Terrasse saß und uns musterte, als wir hinaus traten, konnte Hannes damit nicht überzeugen. Er hatte einen neutralen Gesichtsausdruck und machte sich nicht die Mühe aufzustehen, als Hannes ihm zur Begrüßung die Hand reichte.

Papa hatte mir zwar mit seinem Rat zur Seite gestanden und war wahrscheinlich der Hauptgrund gewesen, dass ich zu Alexanders Beerdigung gegangen war, aber dass Hannes seinem Jungen weh getan hatte, vergaß er natürlich nicht so schnell. Dementsprechend wunderte es mich auch nicht, dass er Hannes nicht mit so offenen Armen begrüßte wie Mum.

Dennoch verlief der Nachmittag recht angenehm. Hannes erzählte viel von seiner Familie, von seinem Beruf und dass er hier bereits eine neue Anstellung gefunden hatte. Zufälligerweise hatte ein Kommilitone aus seinem Studium, mit dem er damals gut befreundet war, erst vor kurzem hier seine eigene Praxis aufgemacht. Eigentlich wollte er erstmal keinen weiteren Zahnarzt dazu holen, aber diese Entscheidung hatte er schnell verworfen, nachdem Hannes sich bei ihm gemeldet hatte. Hannes würde erstmal nur als angestellter Zahnarzt dazukommen und kein Partner werden, aber damit hatte meine Maus kein Problem. Immerhin war er noch immer am Spekulieren, ob er überhaupt noch lange praktizieren wollte.

Meine Eltern hingen ihm regelrecht an den Lippen und je länger sie sich unterhielten, desto mehr taute auch mein Vater auf und verwickelte Hannes bald in eigene Gespräche, während ich und Mum uns noch ein wenig über unsere neue Wohnung unterhielten.
Hannes hatte die letzten Wochen schon damit verbracht, sich Gedanken über unsere Möbel zu machen und nachdem er sich viel Inspiration aus dem Internet geholt hatte, hatte er Christopher und mich in ein Möbelhaus geschleppt und meiner Meinung nach viel zu üppig eingekauft. Wir brauchten auch dringend Möbel, da mein Zimmer in der WG ebenfalls möbliert war und ich deswegen von dort nichts mitnehmen konnte und auch Hannes kein einziges eigenes Möbelstück besaß. Anfangs hatten wir auch eine kurze Diskussion über Geld, weil Hannes kein Problem darin sah, dass er alles zahlte, aber selbst da hatten wir recht schnell eine Übereinkunft gefunden.

Ein Hannes zum Verlieben ✓Où les histoires vivent. Découvrez maintenant