E I N U N D D R E I ß I G

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„Das tut mir so furchtbar leid", schoss es direkt aus mir heraus, als wir wieder alleine waren.

Hannes entspannte sich sicherlich und die Röte auf seinem Gesicht verschwand langsam. Sein Lächeln blieb jedoch. Seine Hände fanden in meinen Nacken, wo sie sich beide in meine Haare schoben und mein Gesicht zu seinem zogen, sodass sich unsere Nasenspitzen berührten.
„Du kannst doch nichts dafür", schmunzelte er leise und bevor ich noch etwas gegenteiliges antworten konnte, immerhin hätte ich zum Beispiel die Zimmertür absperren können, begann er sich lasziv auf mir zu bewegen.
Und prompt war das Geschehen vergessen und ich konnte mich nur noch auf das atemberaubende Gefühl mit Hannes zu schlafen konzentrieren.

Umso mehr freute ich mich dann noch mit ihm kuscheln zu können und am nächsten Morgen gemeinsam in meinem Bett zu erwachen. Zu meiner großen Überraschung und zu meiner noch größeren Enttäuschung wurde ich jedoch von den hereinfallenden Sonnenstrahlen in meinem leeren Bett geweckt.
Von Hannes war nichts zu sehen.

Für einen Moment schob ich noch im Halbschlaf Panik, dass er gegangen sein könnte, bis ich Stimmen aus der Küche hörte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich auch fest, dass es bereits kurz vor Mittag war. Eine Uhrzeit, zu der Hannes immer bereits auf den Beinen war.

Erleichtert quälte ich mich aus dem Bett, musste schmunzeln als ich Hannes Klamotten fein säuberlich zusammengelegt auf meiner Kommode finden konnte und konnte nicht anders als mit einem andächtigen Seufzen nach der dunkelroten Spitzenpantie zu greifen, die unter seinem T-Shirt hervor lugte.
Ich hoffte wirklich sehr, dass ihm bewusst war, wie glücklich er mich machte.
Und wie verdammt gut er in Spitze aussah.

Voller Freude ihn gleich wieder in die Arme schließen zu können, zog ich mir eine Boxershorts und eine Jogginghose über, bevor ich mein Zimmer verließ und zielstrebig in die Küche lief. Zähneputzen konnte ich später immer noch.

Hingegen meiner Erwartung, fand ich jedoch nur Paul und Franzi, die sich beim Frühstück mit klimpernden Besteck über ihre Klausuren unterhielten. Von Hannes war keine Spur und auch der Tisch war nur für zwei gedeckt. 

Paul begann breit zu grinsen, als ich den Raum betrat und deutete dann gleich zur Kaffeemaschine, die mir mit einem gleichbleibenden Blinken des Startknopfes zeigte, dass sie bereit war, Kaffee zu produzieren. Bevor ich jedoch an Kaffee denken konnte, musste ich abklären, wo Hannes war.

„Dein Schatzibubu und Sebastian sind joggen gegangen. Du hättest Sebastian sehen müssen, wie er sich gefreut hat, endlich jemanden zu finden, der seine Begeisterung teilt", kam es ungefragt von meinem besten Freund. Paul schüttelte verständnislos den Kopf und klang alles andere als begeistert. Er war von uns allen mit Abstand der Faulste und ging auch nur mit ins Gym, wenn er nichts besseres zu tun hatte oder gerade mal wieder einen dieser Tage hatte, an denen er sein Leben komplett umkrempeln und besser machen wollte.

Fast hätte ich erleichtert aufgeatmet. Hannes war also nicht einfach gegangen, was ohnehin unlogisch gewesen wäre, wenn seine kompletten Klamotten einschließlich seinem Rucksack noch hier waren.

„Ich hab die zwei gestern beim Sex erwischt. Kannst du dir das vorstellen, Franzi?", fragte Paul mit gekünstelt schockiertem Gesichtsausdruck. Franziska dagegen riss tatsächlich überrascht die Augen auf und sah mit einer abrupten Bewegung zu mir, sodass ihr unordentlicher Dutt gefährlich wackelte und drohte gleich von ihrem Kopf zu fallen.
„Du hast echt Sex mit ihm?", fragte sie ehrlich verwirrt. Paul brach auf die Frage hin in lautes Gelächter aus und hielt sich einen Moment später bereits den Bauch.

Beruhigt zu wissen, dass Hannes bald wieder da sein würde, drückte ich auf den Startknopf der Kaffeemaschine und lehnte mich entspannt gegen die Küchenzeile.
Ich brauchte mich für mein Sexleben nicht schämen, vor allem nicht meinen Freunden gegenüber, deswegen hatte ich auch absolut kein Problem damit, offen darüber zu sprechen.
„Ja. Warum ist das so überraschend?"

„Keine Ahnung. Ich dachte nicht, dass du auf Gay Sex stehst." Sie zuckte mit den Schultern und schenkte dann ihrer Marmeladensemmel wieder ihre volle Aufmerksamkeit, ehe sie mit einem lauten Klimpern in ihrer Kaffeetasse umrührte. Damit war das Thema dann auch wieder gegessen.
Ich wusste, dass sie das nicht böse meinte. Franzi selbst war dem weiblichen Geschlecht auch deutlicher hingezogen als Männern und stand offen dazu. Deswegen wusste ich, dass ihre Frage aus reiner Neugier war und keinen negativen Nachgeschmack hatte.

„Franzi, du hättest gestern sehen müssen, wie sie sich angeschaut haben. Ciao. Einfach ciao. Ich würde vor Glück sterben, wenn mich einmal jemand so ansehen würde, wie Tim Johannes gestern. Die zwei sind über beide Ohren ineinander verschossen." Paul grinste Franziska breit entgegen, die auf seine Worte hin zu strahlen begann, bevor Paul mir zu zwinkerte. Auch Franzi lächelte mir fröhlich entgegen und freute sich sichtlich über diese Neuigkeit.

Ich dagegen spürte, wie meine Wangen schlagartig rot wurden. Dass es so offensichtlich war, hätte ich nicht gedacht. Hatte Paul deswegen gestern den Raum stillschweigend verlassen? Weil er unseren Moment nicht kaputt machen wollte? 

Ich drehte mich meiner nun gefüllten Kaffeetasse zu und versuchte mein breites Lächeln irgendwie in Zaum zu halten. Konnte es vielleicht sein, dass Paul Recht hatte? Dass Hannes mir gegenüber so empfand wie ich ihm gegenüber? Er mich genauso mochte wie ich ihn?

„Schau dir sein Grinsen an", rief Paul einen Moment später aus und deutete mit seiner Gabel in meine Richtung.
„Er strahlt richtig", schmunzelte auch Franzi und kicherte glücklich. „Ich freu mich so für dich, Tim", lächelte sie, hüpfte von ihrem Stuhl und direkt in meine Arme. Sie umarmte mich fest und drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange. „Du verdienst es auch echt mal, eine richtige Beziehung zu führen. Nur Sex ist halt auf Dauer auch nichts." Bei dem letzten Satz warf sie Paul einen fast mütterlichen Blick zu, den mein bester Freund jedoch nur mit einem Schulterzucken abtat.

Nur wenige Minuten später wurde die Wohnungstür aufgesperrt und die Stimmen von Hannes und Sebastian waren zu hören, ehe sie einen Moment später in die Küche kamen. Ich musste bei seiner Stimme alleine schon lächeln, aber als er dann in mein Sichtfeld kam, wollte ich ihn vor Freude einfach zu Tode knuddeln.

Hannes trug meine Klamotten, die ihm ein wenig zu groß waren, ihn aber in meinen Augen verdammt heiß aussehen ließen. Seine Haare klebten verschwitzt an seiner Stirn und seine Wangen waren von der Anstrengung ein wenig rot. Er begann ebenso breit zu grinsen, als er mich sah und fiel mir, wie Franzi eben, ungeniert in die Arme. Sein heißer Körper drückte sich an mich, sodass ich sein schnell schlagendes Herz spüren konnte und sein noch etwas abgehakter Atem gegen meinen Hals prallte.

„Hey", begrüßte ich ihn und schloss meine Arme ohne zu zögern um seinen Körper. Ich hatte kein Problem damit, dass er verschwitzt war oder sich das Oberteil unter meinen Händen klamm anfühlte. Ich war einfach nur froh, ihn in den Armen halten zu können, wenn ich schon ohne ihm wach werden musste.
„Hey", grinste der Zahnarzt und löste sich soweit wieder von mir, dass er sich auf die Zehenspitzen stellen konnte und mich dann mit einem zarten Kuss begrüßte, der mich gleich noch breiter lächeln ließ.

Sebastian, der mindestens genauso verschwitzt war wie Hannes, stillte erst seinen Durst, bevor er sich zu Paul hinunter lehnen und ihn wohl genauso begrüßen wollte wie Hannes mich. Doch Paul war davon überhaupt nicht angetan und schob sein Betthäschen mit einem angewiderten Blick von sich. „Du bist verschwitzt", schimpfte er gleichzeitig kopfschüttelnd und wischte die Hand, mit der er Sebi von sich geschoben hatte, an seinem Oberteil ab.
Man konnte Sebastian seine Enttäuschung für einen kurzen Moment deutlich ansehen, ehe er es mit einem Grinsen überspielte und sich zu Hannes und mir drehte. Franzi war das ebenso wenig entgegen, woraufhin wir einen Augenblick lang einen Blick austauschten.

„Da hast du dir eine ganz schöne Sportskanone eingefangen." Sebi deutete lachend auf Hannes. „Ich dachte, dass ich trainiert bin, aber er ist mir einfach so davon gelaufen."

Hannes begann daraufhin ebenfalls zu lachen und schüttelte nett wie er immer war den Kopf. „Ach was. So eine Sportskanone bin ich gar nicht." Er tat Sebastians Worte mit einer Handbewegung ab und drehte sich dann wieder zu mir.
„Ich hoffe es war ok, dass ich mir deine Klamotten ausgeliehen habe. Ich hatte leider nichts passendes dabei." Hannes lächelte mir entschuldigend entgegen und zupfte dabei mit gesenktem Blick an dem verschwitzten T-Shirt. Ihm tat es offenbar wirklich leid, mich vorher nicht gefragt zu haben.

„Ach was", schmunzelte ich von seiner Süßheit einfach angetan. „Du darfst dir jederzeit alles von mir ausleihen." Das brachte Hannes wieder zum Lächeln, ehe ich einen weiteren zuckersüßen Kuss bekam.

Ein Hannes zum Verlieben ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt