S E C H S U N D F Ü N F Z I G

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Den restlichen Tag ging ich meinen Eltern so gut wie möglich aus dem Weg. Einerseits wäre die Vorbereitung für Mums Gartenparty eine gute Abwechslung gewesen, andererseits wollte ich gerade einfach nur alleine sein.

Deswegen hatte ich mich auch stillschweigend zurück ins Haus geschlichen, nachdem ich Hannes Wohnungsschlüssel noch von der Terrasse geholt und wieder an meinen Schlüsselbund gepfriemelt hatte, und war direkt in meinem Zimmer verschwunden, wo ich nun schon seit zwei Stunden saß und auf meiner alten Xbox irgendwelche Spiele spielte, um nicht dauerhaft an das Gespräch mit Hannes denken zu müssen.

Obwohl ich wusste, dass ich richtig gehandelt hatte, bekam ich das Gefühl nicht los, dass es ein großer Fehler war. Vor allem hätte ich ihn in seiner Verfassung nicht nach Hause fahren lassen dürfen.
Ich sehnte mit jeder Minute, die verging, eine Nachricht von ihm herbei, in der stand, dass er sicher zuhause angekommen war. Das ließ aber ziemlich auf sich warten und mich weiterhin auf heißen Kohlen sitzen.

„Tim?"
Dad klopfte an meiner Tür, wartete aber höflicher Weise bis ich ihn hereinbat. Anstatt dann ganz in den Raum zu treten, öffnete er die Tür nur einen Spalt und lugte herein.

„Mamas Gäste kommen bald. Vielleicht möchtest du dich noch umziehen", schlug er vor, ohne seinen forschenden Blick von mir zu nehmen. Der Anblick musste aber auch seltsam sein. Immerhin saß sein dreiundzwanzig Jähriger Sohn in einem abgedunkelten Raum mit einer Decke über den Schultern vor seinem Bett und spielte auf seiner Konsole. Das war wahrscheinlich das letzte, das er erwartete hatte, als er geklopft hatte.

„Mach ich", antwortete ich eher lasch und wandte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Fernseher, der mir gerade verkündete, dass die nächste Runde gleich losging.

„Kann ich kurz reinkommen?", fragte Dad zögerlich und drückte sogar die Tür schon weiter auf, um eintreten zu können. Er hatte schon immer ein gutes Gespür dafür, wenn es mir schlecht ging. So etwas pflichtete man zwar immer eher den Müttern zu, aber meine Mutter war dafür zu aufgedreht und fröhlich.

„Ich will ehrlich gesagt nicht reden, Papa."
Ich warf ihm einen Blick zu, den er hoffentlich verstand und mich dann in Ruhe lassen würde. Es war schon schlimm genug, dass ich später mit Mamas Gästen, die mich alle schon von klein auf kannten, reden musste, da wollte ich zumindest jetzt noch etwas Frieden haben.

„Reden wir später?", fragte Dad stattdessen und machte wieder einen Schritt aus meinem Zimmer hinaus.

„Ja, vielleicht."

Das reichte meinem Vater und ohne aufsehen zu müssen, signalisierte mir das Klacken des Schlosses, dass ich wieder alleine war. Ich seufzte erleichtert auf und konzentrierte mich wieder so gut wie möglich auf die neue Runde.

Zumindest so lange, bis mein Handy einen Ton von sich gab und ich mein Spiel trotz Onlinerunde einfach links liegen ließ und sofort danach griff.

Ich bin gut zuhause angekommen. Es gab etwas Stau, deswegen hat es länger gedauert. Ich bin jetzt bei meinen Eltern.

Ich atmete erleichtert auf und konnte nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen stahl. Er war gut angekommen und war zudem nicht alleine. Darüber war ich wirklich froh, sodass ich gleich mit einem Gut! antwortete.

Das gab mir dann auch so viel Kraft, dass ich endlich duschen gehen und mir etwas passables anziehen konnte. Wobei das gar nicht so einfach war, denn ich hatte wirklich nur wahllos irgendetwas in meinen Rucksack geworfen und nichts davon war eine richtige Einheit. Im Endeffekt war es mir aber auch ziemlich egal. Die Meisten, die heute auf dieser Gartenparty sein würden, kannten mich schon seit ich auf die Welt gekommen war und hatten mich schon in weitaus unpassenderen Klamotten gesehen.

Ein Hannes zum Verlieben ✓Where stories live. Discover now