F Ü N F U N D F Ü N F Z I G

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„Es tut mir so leid", wiederholte er etwas kräftiger. „Ich... Die Dinge, die ich gesagt habe... Das... das stimmt alles nicht. Ich hätte das niemals sagen dürfen. Ich hätte das nicht einmal denken dürfen! Du hast mich nicht eingeengt. Das war mit Abstand der größte Scheiß, den ich jemals gesagt habe. Das war alles so unberechtigt. Es war nie ein Fehler, dir meinen Schlüssel zu geben und du bist ganz sicher nicht nur ein Fick für mich. Ich... ich brauche dich, Tim. So sehr und ich war immer so froh, wenn du da warst. Ich weiß nicht, warum ich das alles gesagt habe. Ich" Seine Stimme brach. Er schluckte bei dem Versuch, sie wieder kräftiger klingen zu lassen, angestrengt, aber es half nicht wirklich. Seine Stimme wurde nicht besser.

„Ich habe es sofort bereut. Alles davon. Ich wollte dir hinterher und alles wieder gerade biegen, aber meine Eltern waren dann plötzlich da und du warst dann schon weg und am nächsten Morgen habe ich dann erst realisiert, was ich da eigentlich getan habe und... und... und ich war so überfordert. Ich wollte zu dir und das alles richtig stellen, aber..." Er schluchzte leise auf. „Aber ich hatte solche Angst", hing er flüsternd an.

„K-kann ich es irgendwie wieder gut machen?", fragte er mit zitternder Stimme nach. Dabei klang er so verzweifelt und fast schon wie ein kleiner Junge, der nicht mehr nach Hause fand. Er wirkte so verloren.

Plötzlich begann er in seiner Hosentasche zu kramen und zog einen losen Schlüssel heraus, den er mir gleich entgegen hielt. „Ich möchte, dass du ihn hast. Er gehört dir. Ich hätte ihn nie zurückverlangen sollen."

Seine Hand zitterte und mit jeder Sekunde, die verstrich und in der ich den Schlüssel nicht entgegennahm, konnte man sehen, wie Hannes immer weiter in sich zusammensackte, bis er schlussendlich auch seine Hand sinken ließ.

„Ich... ich lasse ihn einfach hier liegen", flüsterte er sichtbar getroffen und legte ihn vorsichtig neben sich auf dem kleinen Beistelltisch der Hollywoodschaukel ab.

„Johannes, ich... weiß ehrlich gesagt nicht, warum du hier bist." Ich sog angestrengt Luft in meine Lungen und versuchte irgendwie zu verarbeiten, was er gesagt hatte, aber es war als wäre mein Gehirn auf Standby. Nur mein Herz schlug schwerfällig, aber viel zu schnell in meiner Brust. Ich konnte ihn nicht ansehen. Mein Blick hing noch immer auf dem silbernen Schlüssel auf dem Holztischchen, der sich mit seiner hellen Farbe stark von dem dunklen Holz abhob.

„Ich weiß auch gar nicht, was ich sagen soll", fügte ich dann noch an und konnte nicht verhindern laut zu seufzen.

„Das... Du... hast mir damit wirklich weh getan", gab ich nach einem weiteren tiefen Atemzug zu.

„Das tut mir so leid", wisperte er daraufhin direkt und schob seine zitternden Hände in seine Hosentaschen. „Ich weiß, dass eine Entschuldigung das nicht mehr wett macht. Trotzdem. Es tut mir so leid."

Ich konnte nur nicken. Ich glaubte ihm. Ich glaubte ihm, dass es ihm leid tat.

Aber das änderte nunmal nichts an unserer Situation. 

„Am Anfang war ich sogar noch der Meinung, dass du damit Recht hast. Dass ich dich eingeengt habe und einfach zu viel da war. Und dass ich einfach generell ein schlechter Freund war." Hannes begann noch während ich redete kräftig den Kopf zu schütteln, öffnete sogar seine Lippen, aber kein Ton kam heraus. „Ich konnte es da schon nicht nachvollziehen, aber ich habe immer noch irgendwie versucht dein Verhalten... deine Worte zu rechtfertigen. Dein Bruder ist gestorben und du trauerst. Das weiß ich und das kann ich auch verstehen. Aber mittlerweile ist mir bewusst geworden, dass ich damit nicht alles entschuldigen kann. Ich muss auch auf mich achten..."

Hannes schüttelte noch immer seinen Kopf, während bereits sichtbare Tränen in seinen Augen standen, die wohl jeden Moment überquollen würden.

„Ich will ehrlich sein, Johannes... Das alles hat mich echt fertig gemacht und egal, wie sehr ich dich mag, ich werde nicht einfach darüber hinwegsehen können..."

Ein Hannes zum Verlieben ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt