V I E R Z I G

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Ich hatte den gesamten Tag damit zergrübelt, was ich für Hannes kochen könnte. Etwas, das ihm Kraft gab, nahrhaft war und der Seele gut tat. Und dazu einfach in der Zubereitung war und nicht allzu exotische Zutaten benötigte. Seit ich mit Hannes zusammen war, hatten sich meine Kochkünste zwar drastisch verbessert, aber einfach fiel mir das Ganze dann trotzdem nicht. Kochen war meiner Meinung nach anstrengender als irgendwas für die Uni zu lernen.

Schlussendlich entschied ich mich für Linsencurry und Mouse au Chocolat als Nach- und Seelenspeise. Das Mouse bereitete ich schon zuhause vor, da es recht lange im Kühlschrank stehen musste, ehe ich mich kurz vor Hannes Feierabend auf den Weg zu ihm nach Hause machte, um dort das restliche Essen zuzubereiten.

Die Wohnung war wie erwartet leer und, abgesehen von den zugezogenen Vorhängen und den heruntergelassenen Rollos, in tadelloser Hannes-Ordnung. Es ließ mich lächeln, dass er wieder zu sich gefunden hatte und obwohl er anscheinend gefrühstückt hatte, nicht einfach wie die letzten Tage alles stehen hat lassen.

Ich machte mich sofort daran, alle Zutaten zusammenzusuchen, dafür war ich vorher extra noch einkaufen, und begann dann mit dem Kochen. Dabei hielt ich jeden Schritt des Rezeptes penibel ein und achtete darauf, ja alles richtig zu machen. Es sollte immerhin schlussendlich auch schmecken.
Mit einem kurzen Blick auf die Uhr merkte ich auch, dass ich noch genügend Zeit hatte und mir keinen Stress machen musste. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Hannes nach Hause kam, seine Arbeitszeit war schon zu Ende, und bis er dann aus der Dusche war, war auch das Essen fertig.

Mit einem Lächeln auf den Lippen deckte ich den Tisch, während das Curry vor sich hin köchelte und der gute Duft, der in der Luft hing, auch meinen Magen bald knurren ließ. Ich konnte es kaum noch abwarten, Hannes wieder in meine Arme schließen zu können. Vielleicht ging es ihm heute auch schon wieder besser als gestern.

Die ersten Geschmackstest waren grandios und am liebsten hätte ich mir für diese Meisterleistung selber auf die Schulter geklopft. Kurz hielt ich einen Moment inne. Was sprach denn dagegen? Nichts. Deshalb klopfte ich mir mit einem andächtigen Nicken auf die Schulter und grinste dabei wie ein Idiot.

Ich bereitete schonmal die Dessertschüsseln für die Mouse au Chocolat vor und konnte mich nur angestrengt zurückhalten, um nicht von der köstlichen Nachspeise zu naschen. Am liebsten würde ich die dem Hauptgang vorziehen.
Da Vorfreude aber bekanntlich die schönste Freude war, drückte ich die Kühlschranktür mit einem leisen Seufzen zu und versteckte das Mouse damit im Inneren. Sie später mit Hannes zu teilen, klang immerhin eh viel verlockender.

Irgendwann hatte ich nichts mehr zu tun. Das Curry köchelte weiterhin mit niedriger Temperatur vor sich hin, während ich bereits sämtliche Utensilien, die ich zum Kochen verwendet hatte, schon abgewaschen und feinsäuberlich wieder verräumt hatte. Weil Hannes dann noch immer nicht da war, entschied ich eine Ladung Wäsche in die Waschmaschine zu werfen, da der Wäschehaufen sortiert und abwartend direkt vor der offenen Trommel lag. Hannes würde sich freuen, wenn ich ihm etwas Arbeit abnahm. Als die Maschine dann leise summte und ihrer Arbeit nachging, saugte ich in der Zwischenzeit noch die Wohnung und überprüfte, ob seine Zimmerpflanzen Wasser brauchten. Einige hatten noch recht feuchte Erde, während Andere brottrocken waren und sogar schon die Blätter hängen ließen. Ich hatte keinen sonderlich grünen Daumen oder auch nur Interesse an Grünzeug, aber da meine Mutter gelernte Gärtnerin war und sogar eine kleine Gärtnerei in meiner Heimatstadt besaß, war ich von klein auf mit einem großen Bezug zur Pflanzenwelt aufgewachsen. Dadurch konnte ich sogar einige von Hannes Pflanzen beim Namen nennen und konnte mich auch mit guten Gewissen um sie kümmern. Ich würde niemals an ihnen herumpfuschen, wenn ich nicht wüsste, was ich da tat und dass es ihnen auch gut bekam.
Ich wusste, wie viel Hannes an seinen Pflanzen lag und dass er sich ziemlich ärgern würde, wenn sie eingehen würden. Dafür wollte ich dann beim besten Willen nicht verantwortlich sein.

Als es irgendwann aber doch recht spät wurde und Hannes noch immer nicht da war, schrieb ich ihm eine kurze Nachricht, dass ich da war und das fertige Essen auf ihn wartete. Vielleicht war er noch etwas länger bei seinen Eltern in der Praxis geblieben. Sie trifft der Tod ihres Erstgeborenen sicherlich auch schwer.

Mit einem erschöpften Ausatmen ließ ich mich auf Hannes Sofa fallen und starrte für einen Moment gen Decke. Nur für einen kurzen Moment, dachte ich mir, als meine Augen langsam zufielen.

„Tim?"

Ein Rütteln an meiner Schulter riss mich aus meinem Tiefschlaf. Im ersten Moment konnte ich nur verwirrt blinzeln, bis meine Augen sich auf Hannes fokussierten, der in Hemd und Anzughose vor mir stand. Mein Gehirn nahm die Informationen gerade noch sehr langsam auf, aber ich realisierte recht schnell, dass es mitten in der Nacht sein musste, da es draußen bereits stockdunkel war und auch das Wohnzimmer nur durch die Lampe im Flur beleuchtet wurde.

„Du bist ganz schon spät", murmelte ich weiterhin schlaftrunken und erhob mich ächzend vom Sofa. Das kurze Nickerchen war echt ausgeartet und jetzt fühlte ich mich noch kaputter als zuvor. Am liebsten würde ich einfach direkt ins Bett gehen.

„Ja und?", kam es pampig von Hannes zurück.

Verschlafen konnte ich mir kaum Gedanken zu seinem Tonfall machen und sah deswegen problemlos darüber hinweg. „Ich habe dir etwas zu Abendessen gemacht. Es ist wahrscheinlich schon kalt, aber Curry kann man ganz gut wieder aufwärmen." Ich gähnte angestrengt, strich mir durchs Gesicht und versuchte Hannes dann anzulächeln, doch er hatte sich längst von mir weggedreht.

„Ich habe schon gegessen", ließ er mich zwischen Tür und Angel wissen und verschwand dann im Badezimmer.

Er hatte schon gegessen? Irritiert sah ich ihm hinter. Ich hatte doch angekündigt, dass ich heute für ihn kochen würde und ihm sogar noch eine Nachricht geschrieben. Hatte er trotzdem wo anders gegessen? Warum?

Ich schüttelte irritiert den Kopf und machte mich auf den Weg in die Küche. Im Gegensatz zu ihm war ich am Verhungern und freute mich jetzt umso mehr auf mein Gekochtes. Dass wir es nicht zusammen essen konnten, stimmte mich zwar etwas traurig, aber mein anhaltender Hunger ließ mich recht schnell darüber hinwegsehen.

Ein Hannes zum Verlieben ✓Onde histórias criam vida. Descubra agora