S E C H S U N D Z W A N Z I G

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Auf dem Weg zum Fitnessstudio hatte ich mit Hannes telefoniert, der heute zum Abendessen bei seinen Eltern eingeladen war, weshalb ich auch zuhause blieb. Ich liebte die lockeren Gespräche mit ihm und wie er in meiner Gegenwart immer weiter auftaute und wie ein Wasserfall reden konnte. Ich hörte ihm gerne zu und hatte kein Problem, wenn er mir dabei von Dingen und Leuten erzählte, mit denen ich nichts anfangen konnte oder die ich nicht kannte.

„Liebe Grüße an deine Eltern", witzelte ich, als er mir sagte, dass er sich gleich auf den Weg machen würde.

Hannes am anderen Ende lachte auch. „Und von wem? Einfach nur von Tim?", lachte der Zahnarzt.

„Nein, nicht einfach nur von Tim, sondern von Tim, deinem Freund."

Ich wusste, dass ich mich damit furchtbar weit aus dem Fenster lehnte, aber ich wollte wissen, was das zwischen uns war. Ob Hannes mich genauso sah, wie ich ihn? Ob er sich die selben Gedanken über uns machte, wie ich?
Oder hatte er so etwas überhaupt nicht im Sinn und ich hatte damit gerade alles kaputt gemacht?

Ich biss mir nervös auf die Wange und wartete gespannt auf Hannes Antwort. Obwohl maximal zwei Sekunden vergangen waren, fühlte es sich an, als hätte er bereits seit einer Stunde nichts mehr gesagt. Mein Herz raste unangenehm und meine Kehle wurde schlagartig staubtrocken.
Shit, ich habe echt alles kaputt gemacht.

Als sein schönes Lachen dann jedoch ertönte, atmete ich im ersten Moment erleichtert aus, ehe ich wieder nervös die Luft anhielt, als ich realisierte, dass das auch ein schlechtes Zeichen sein könnte.
War die Vorstellung für ihn lächerlich? Machte er sich gerade darüber lustig, dass ich sowas dachte oder diese Hoffnung hegte?

„Ich denke, nächstes Mal kommst du einfach mit, dann kannst du ihnen deine Grüße selber ausrichten", schmunzelte er und ließ mich damit endgültig erleichtert aufatmen. Er hat es positiv aufgenommen.

Warte.
Er wollte, dass ich seine Eltern kennenlernte? Hieß das, dass er in mir durchaus seinen Freund sah? Das ich wirkliche Chancen bei ihm hatte?

„Heißt das...?" Mehr brachte ich nicht heraus, weil meine Stimme abbrach. Ich räusperte mich angestrengt und versuchte meine Gedanken etwas zu sortieren, bevor ich weiterredete. Ich wollte nicht wie der letzte Depp klingen, aber mein Kopf war einerseits randvoll mit zahlreichen Gedankengänge und gleichzeitig komplett leer.

„Ich wäre gerne dein Freund, Tim."

Ich konnte Hannes sanftes Lächeln regelrecht in seiner Stimme hören und hätte am liebsten vor Freude einen Salto geschlagen. Stattdessen, ich war immerhin nicht wild darauf, mir mein Genick zu brechen, ließ ich einen lauten Freudenschrei aus, der sogar einige umstehende Leute dazu brachte, sich zu mir umzudrehen.

Hannes begann zu lachen und ich spürte, wie mein glückliches Lächeln auf meinem Gesicht festgetackert wurde.
„Schreibst du mir, wenn du nach Hause fährst? Dann komme ich doch noch bei dir vorbei." Ich wollte ihn jetzt unbedingt sehen, in meine Arme schließen und bis zu Besinnungslosigkeit küssen. Er war mein Freund. Hannes wollte wirklich eine Beziehung mit mir führen.
Ich konnte es kaum glauben.

„Ich weiß nicht, wie spät es wird und ich will dich nicht mitten in der Nacht noch aus dem Bett reißen."

„Dann komm doch einfach bei mir vorbei. Dann ist das Bett auch schon aufgewärmt und von mir aus hast du auch nicht so weit in die Arbeit. Das heißt, wir können länger liegen bleiben." Die Worte kamen automatisch über meine Lippen. Hannes war noch nie in meiner WG. Wir waren immer bei ihm zuhause und irgendwie wollte ich das ändern. Immerhin war er nun mein fester Freund und als fester Freund sollte er zumindest ein Mal mein Schlafzimmer auch gesehen haben. Außerdem konnte ich ihn Paul jetzt bedenkenlos als meinen Freund vorstellen.

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