E L F

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Ich hatte kein Problem mit Schwulen oder schwulem Sex, dafür hatte ich Paul schon zu oft mit irgendwelchem Männern erwischt, aber dass ich eventuelle mit Hannes geschlafen hatte und es nicht einmal mehr wusste, fuchste mich doch mehr als erwartet.

Dass meine Neugier noch dazu schier grenzenlos war und ich einfach wissen musste, ob Hannes ein Segelboottattoo hatte oder nicht, ließ mich auch nicht zur Ruhe kommen.

Kurz hatte ich sogar schon überlegt mit Paul darüber zu sprechen, aber da ich noch nicht einmal wusste, ob es wirklich etwas zu besprechen gab oder nicht, weil ich nicht wusste, ob wirklich etwas passiert war oder nicht, ließ ich es lieber sein. Er würde sich in erster Linie sowieso erst über mich lustig machen.
Stattdessen versuchte ich mich umso mehr in meine Unisachen zu stürzen, um zumindest irgendwie produktiv zu sein, wenn ich schon das ganze Wochenende zuhause saß.

Paul war sichtbar überrascht, als ich auch für Samstagabend absagte und sogar Sonntagmorgen zum Brunch bei einer guten Studienkollegin nicht kommen wollte. Es wäre zwar eine willkommene Ablenkung und dann würde ich Hannes und sein Tattoo vielleicht aus dem Kopf bekommen, aber gleichzeitig würde bei beidem wieder viel Alkohol fließen und nach dem letzten Blackout, der mir das hier überhaupt erst eingebrockt hatte, wollte ich erst einmal auf Alkohol verzichten. Das konnte ich meinen Freunden jedoch nicht sagen, die würden sich über meine zeitweilige Alkoholabstinenz nur lustig machen, deswegen blieb ich einfach direkt zuhause.
Zumindest konnte ich mein Studium einigermaßen als Ausrede nutzen.

Paul war trotzdem stutzig geworden und während er es gestern Abend noch nicht gezeigt hatte, war er heute nur zwei Stunden nachdem er die Wohnung für den Brunch verlassen hatte wieder zurück und überraschend nüchtern.

„Wer bist du und was hast du mit Tim gemacht?", fragte mein bester Freund, als er nur einen Augenblick nachdem unsere Wohnungstür zugeschlagen wurde, ohne zu klopfen in mein Zimmer stürzte und sich im nächsten Moment mit einem schockierten Japsen die Hand vor die Augen hielt.
„Verdammt Tim! Das will ich ehrlich nicht sehen! Häng doch nächstes Mal bitte einen Schlüpfer an deine Türklinke."

Völlig überrumpelt konnte ich nur meine Bettdecke über meine entblößte Mitte ziehen und verärgert fluchen. Den Witz in seiner Stimme überhörte ich völlig. Dafür war ich viel zu beschämt, weil mein bester Freund mich gerade dabei erwischt hatte, wie ich mir auf meinen eventuellen One Night Stand namens Hannes einen runterholte.
Das Bild von ihm unter mir in seinem Bett verschwand einfach nicht aus meinem Kopf, wodurch ich mittlerweile nur noch dauerhaft spitz war und mir den lieben langen Tag einen auf ihn runterholen könnte.

„Was musst du hier auch einfach reinplatzen?!"

„Ich dachte, du lernst! Das hast du mir ja auch gesagt", argumentierte Paul direkt, ließ seine Hand langsam sinken und öffnete seine Augen jedoch erst, als ich ihm versicherte, dass alles verdeckt war. Er blinzelte vorsichtig und sah mir erst richtig entgegen, als er sich selbst davon überzeugt hatte.

„Ich konnte mich nicht konzentrieren", murrte ich verärgert über die Störung und darüber wie heiß meine Wangen waren. Ich war sicherlich rot wie eine Tomate und dass entging Paul auf keinen Fall.

„Und da hast du dir gedacht, du wedelst dir erstmal einen? Sehr clever. Hat es funktioniert? Wenn ja, probiere ich das auch mal." Paul strahlte mir amüsiert entgegen und fand die Situation im Gegensatz zu mir extrem lustig.

Ich überlegte erst, ob ich etwas kontern sollte, ließ es dann aber bleiben und zog mir stattdessen umständlich unter meiner Bettdecke meine Boxershorts wieder über, ehe ich darunter hervor rutschte und aufstand. Meine Erektion war bei Pauls Anblick sofort flöten gegangen.

„Das nehme ich jetzt persönlich", schmollte er mit einem breiten Grinsen, seinen Blick fest auf meinen Schritt gerichtet. Ihm war natürlich auch nicht entgangen, dass sich dort überhaupt nichts mehr befand.
„Sorry, aber du bist einfach nicht mein Typ", feixte ich schulterzuckend und schlüpfte in meine Jogginghose.

Paul sah einen Moment verschreckt aus, ehe er kopfschüttelnd antwortete: „Ein Glück aber auch. Ich glaube, ich würde direkt ausziehen, wenn ich erfahren würde, dass du dir auf mich einen runterholst." Er schüttelte seinen Kopf noch energischer und legte dann seine Hand auf meine Schulter. „Ich finde manche Männer zwar ansprechend, aber du?" Er verzog angeekelt das Gesicht und schüttelte erneut seinen Körper, ließ dabei auch von meiner Schulter ab. „Bei dir bekomme ich einen Minusständer."

„Dito", antwortete ich nur, deutete auf meine schlaffe Mitte, als würde das meine Aussage unterstreichen und trat an ihm vorbei in unsere Küche, wo ich zu meiner großen Freude eine Tüte vom Bäcker vorfand.

Ein warnendes „Ah, ah, ah!" kam jedoch direkt von Paul, der eilig an mir vorbei rauschte und die Tüte packte, ehe ich danach greifen konnte. „Du bekommst erst etwas, wenn du mir sagst, was mit dir los ist."

Ich hob skeptisch eine Augenbraue und versuchte dennoch nach der Tüte zu greifen, doch er wich mir gekonnt aus und forderte mich erneut auf seine Frage zu beantworten.
„Was sollte schon mit mir los sein?", fragte ich etwas angesäuert davon, dass er mir mein Frühstück verwehrte, immerhin hatte er es ja für mich mitgebracht, und wandte mich stattdessen der Kaffeemaschine zu.

„Keine Ahnung? Das sollst du mir ja sagen." Paul stieß einen Ton aus, der so viel hieß, wie „Nimm mich nicht auf den Arm" und ließ die Tüte dabei geräuschvoll auf den Tisch fallen.

„Es ist nichts los, Paul. Wie kommst du darauf?"
Ich versuchte gelassen und etwas gelangweilt zu klingen, während mein Inneres gerade auf Hochtouren lief. War ich so offensichtlich gewesen? Wie konnte Paul in so kurzer Zeit checken, dass etwas los war, obwohl ich mich so bemüht hatte, normal zu wirken?
Ok, cool down. Paul durfte jetzt erst recht nicht merken, dass mich sein guter Beobachtungssinn aus der Bahn warf. Dann würde er erst recht wissen, dass etwas los war.

„Fangen wir mal damit an, dass du die ganze Woche fleißig für die Uni gelernt hast. Oder dass du dieses Wochenende nicht feiern warst oder auch nur ein Bier getrunken hast. Oder dass du einfach den Brunch bei Lisa ausfallen hast lassen, obwohl du derjenige warst, der unbedingt wieder bei ihr frühstücken wollte." Paul zuckte mit den Schultern. „Such dir was aus."

„Nur, weil ich einmal versuche ein guter Student zu sein, denkst du gleich, dass etwas nicht stimmt?" Trotz der unguten Situation, ließ mich das irgendwie Schmunzeln.

„Äh... ja?", kam es direkt etwas verwirrt von meinem Gegenüber. „Du bist Tim. Tim ist kein guter Student."

„Vielleicht will Tim das ja ändern?", schlug ich mit hochgezogenen Augenbrauen vor. War es so abwegig, dass ich mich tatsächlich für mein Studium interessierte?

„Will Tim nicht und das wissen Tim und Paul auch. Also raus mit der Wahrheit." Paul schnaubte entnervt, stemmte die Hände in die Seiten und sah mir mit einem ernsten Blick auffordernd entgegen.

Das war einer der wenigen Momente, wo Pauls schwule Seite zum Vorschein kam. Wenn er die Hände in die Seiten gestemmt hatte, das Gewicht auf ein Bein verlagert und mir tadelnd wie eine Hausfrau entgegen sah.
Ich kannte meinen besten Freund mittlerweile seit sieben Jahren und hatte seine Selbstfindungsphase, die aus zahlreichen Youtube Videos, Pornos und später auch aus One Night Stands bestanden hatte, hautnah miterlebt. Obwohl Paul damals nach eigenen Angaben vollständig hetero war, war er mir auch immer genau so gegenüber gestanden, wenn er sich über mich aufgeregt hatte. Daher war es zwei Jahre später weniger überraschend, als er mir von seiner Bisexualität erzählt hatte.

Unweigerlich musste ich dabei an Hannes denken und wie ich bei ihm direkt davon ausgegangen war, dass er hetero war und das Kondom in seinem Badmülleimer vom Sex mit einer Frau stammte. Gott, ich hatte mir sogar noch Gedanken darüber gemacht, auf welchen Typ Frau er wohl stand.
Bei ihm hatte ich wirklich keine Anzeichen bemerkt. Wobei ich das bei Paul wahrscheinlich auch nicht hätte, wenn unsere Freundschaft nicht so eng gewesen wäre und wir nicht praktisch dauerhaft aneinander geklebt wären.

„Das Kondom war nicht von einer Frau!", platzte es plötzlich ungehalten aus mir heraus, als mich die Erkenntnis eiskalt überkam.

Er hatte zwar behauptet, dass es schon vor mir da war, aber das konnte ich plötzlich nicht mehr glauben. Das benutzte Kondom passte dafür viel zu gut zu den Kratzspuren auf meinem Rücken, zu Hannes Reaktion und zu dieser Nicht-Erinnerung, die ich andauernd hatte.

„Es ist doch eine Erinnerung", fügte ich dann niedergeschlagen hinzu, wohlwissend das Paul mir kein Bisschen folgten konnte und lehnte mich schlapp gegen die Küchenzeile.

Jetzt konnte ich es nicht mehr leugnen.

„Was?", kam es verwirrt von Paul, den mein Ausruf mehr als maßlos verwirrte.

Ein Hannes zum Verlieben ✓Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz